Witten. Politiker aus Witten wollten Tempo 30 nicht nur abschnittsweise, sondern auf der kompletten Holzkampstraße ausweisen. Doch das darf nicht sein.

Tempo 30 durchgängig auf der Holzkampstraße – das macht Sinn. Schließlich liegen an der engen Annener Straße die Gesamtschule, die Erlenschule, um die Ecke eine Awo-Kita und eine Einrichtung für Menschen mit Behinderungen. Statt wie bisher stückchenweise ein Tempolimit auszuschildern, hatte der Wittener Verkehrsausschuss darum im März 2022 einstimmig beschlossen, die Geschwindigkeitsreduzierung auf die gesamten Strecke auszudehnen. Indes: Die Stadt muss den Beschluss nun wieder kippen. Er sei rechtswidrig.

Die Holzkampstraße ist eine wichtige Verbindungsstrecke von der Ardey- zur Annenstraße und ist darum als Vorfahrtsstraße gekennzeichnet. Grundsätzlich gilt damit eine Geschwindigkeit von 50 km/h. Tatsächlich darf man das Tempo nur auf einigen hundert Metern fahren: Abschnittsweise, auf jeweils 300 Metern vor den Schulen gilt schon Tempo 30. „Nicht ohne Grund gibt’s hier ständig Radarmessungen“, sagt Lokalpolitiker Siegmut Brömmelsiek. „Die fahren da wie die Henker. Und es ist und bleibt ein Schulweg.“ Darum hatte seine WBG den Antrag auf komplette 30 km/h gestellt, auch um Beschleunigen und Abbremsen auf dem kurzen Tempo-50-Stück zu vermeiden. In allen Parteien stieß die Idee auf Zustimmung. Nur die Stadtverwaltung mahnte damals schon rechtliche Bedenken an.

Polizei: Keine Unfallhäufung auf der Holzkampstraße

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Der erste Beigeordnete Frank Schweppe bezieht sich nun in einer Stellungnahme auf die derzeitig gültige Straßenverkehrsordnung: Eine Beschränkung auf Tempo 30 km/h darf nur dann erfolgen, wenn aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht. Wie er ausführt, sei diese nicht gegeben. Er rät, im nächsten Ausschuss für Mobilität und Verkehr am 27. Oktober den Beschluss zurückzunehmen.

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Ein Indiz für eine solche Gefahrenlage wäre die Unfallstatistik. „Nach Rücksprache mit der Polizei gibt es auf der Holzkampstraße keinen unfallauffälligen Bereich. Keiner der Unfälle, die sich ereignet haben, lassen auf eine überhöhte Geschwindigkeit schließen“, schreibt Schweppe. Zudem gelte sie als sicher für Fußgänger, mit mehreren Ampelanlagen, einer Überquerungshilfe nahe der Erlenschule und gut ausgebauten und breiten Gehwegen.

Nur „eine nennenswerte Überquerung“

Tempo 30 auch für Vormholzer Straße?

Auch die Vormholzer Straße soll einen größeren Tempo-30-Bereich bekommen, so möchten es zumindest SPD, Grüne, Bürgerforum plus und Linke. Aktuell wird das Vorhaben von der Stadt geprüft. Mit Bezug auf zwei Radfahrunfälle aus den Jahren 2020 und 2022 könnte das Tempolimit gerechtfertigt werden.

Die WBG hält angesichts der Personalknappheit in der Verwaltung den Prüfauftrag für unsinnig. Hans-Peter Müller „Bei den hier genannten zwei Unfällen hat die Geschwindigkeit keine Rolle gespielt. Ein Unfall hatte Trunkenheit als Ursache, der andere war ein Alleinunfall, da der Radfahrende die Kontrolle über sein Rad verloren hatte.“ Zudem sei der Landesbetrieb Straßen NRW für die Vormholzer Straße zuständig.

Alternativ könnte man Tempo 30 km/h aufgrund „sensibler Einrichtungen“ vorschreiben. Auf Höhe der Erlenschule und der Holzkamp-Gesamtschule gilt die Beschränkung bereits von 7 bis 18 Uhr. Die Kita in der Willy-Brandt-Straße liegt nicht unmittelbar an der Holzkampstraße. Und die Einrichtung am Preinsholz 2 ist ein „Betreutes Wohnen“ für Menschen mit Behinderung. Diese gilt im Gesetz – anders als ein Pflegeheim – nicht als sensible Einrichtung.

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Die Stadt hat laut Schweppe sogar eine Verkehrszählung durchführen lassen. An einem Morgen von 7 bis 8 Uhr wurde geguckt, ob es „nennenswerte Überquerungen gibt, die den Bewohnern der Einrichtung zuzuordnen wären“. Das Ergebnis: Genau eine Person mit Rollator überquerte in dieser Zeit die Holzkampstraße. „Auch wenn Menschen mit Behinderung ohne Zweifel schutzbedürftiger sein dürften, ist dies in diesem Fall nicht ausreichend“, zieht Frank Schweppe Bilanz.

Diskussion um etwa hundert Meter

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Die Straßenverkehrsordnung erlaubt noch einen anderen Kniff für ein Tempolimit: Liegt zwischen zwei Tempo-30-Bereichen ein kurzer Streckenabschnitt von unter 300 Metern darf man „zur Verstetigung des Verkehrsflusses“ die Geschwindigkeitsbeschränkung durchziehen. An der Holzkampstraße hat die Stadtverwaltung aber 430 Meter gemessen. Darum: keine durchgehende 30 km/h.

„Das war eine gute Idee, aber die Verwaltung muss sich an das geltende Gesetz halten“, sagt der Vorsitzende des Verkehrsausschusses Julian Fennhahn (CDU) mit Bedauern. Die WBG hätte sich dagegen eine „flexiblere Antwort“ gewünscht: „Das ist für mich unbegreiflich und für die Bürger nicht nachvollziehbar“, sagt der Verkehrsexperte der WBG Hans-Peter Müller. „Diese fehlenden 130 Meter sind doch Auslegungssache.“ Ein Vorschlag: Würde man die Tempo 30-Schilder um jeweils 50 Meter versetzen, könnte man die Verwaltungsvorschrift doch erfüllen.