Witten. Der krisengeschüttelte Pflegebettenhersteller Völker nimmt wieder Fahrt auf: Die Corona-Pandemie beschert den Wittenern mehr Aufträge - weltweit.
Sie haben ihre Spezial-Betten an das Covid-19-Zentrum im italienischen Turin geliefert sowie nach Salzburg, wo das Messegelände zur Behandlung von Patienten umgerüstet wurde. Die besondere Lage während der Coronapandemie beschert dem Wittener Klinik- und Pflegebettenhersteller Völker im Wullener Feld seit Anfang März weltweite Aufträge.
Auch aus England, Polen und dem Mittleren Osten kämen inzwischen wieder Anfragen. Exportmanager Andreas Becker (54) freut sich über diese Entwicklung: "Viele alte Partner haben sich bei uns gemeldet." Das bestätige den guten Ruf des mittelständischen Traditionsunternehmens, das 1912 gegründet wurde, vor acht Jahren aber in eine schwere Krise schlitterte.
Wittener Traditionsunternehmen wurde 2012 an US-Konzern verkauft
Damals wurde Völker, weil es keinen Nachfolger gab, an den US-Konzern Hill-Rom verkauft - und damit zur reinen Produktionsstätte. "Der Vertrieb der Betten lag nicht mehr in unserer Hand. Es gab keinen Kontakt mehr zu Kunden im Ausland", schildert Becker die Situation. Er selbst arbeitet seit 2007 im Konzern.
Die Auslastung der Produktion verschlechterte sich. Der Standort in Dresden musste schließen. Auch das Wittener Werk war in Gefahr. Erst als Hill-Rom den Bettenhersteller im Sommer 2017 an die Investmentfirma CoBe Capital verkaufte, begann sich die Lage ganz allmählich zu entspannen.
Geschäftsführerin: Jetzt ist Völker wieder ein eigenständiges Unternehmen
Zwar hatte das Unternehmen im September 2018 doch noch Kurzarbeitergeld beantragt, es jedoch nicht nutzen müssen. Die Zahl der Beschäftigten sank von 350 auf rund 200 und liegt heute in Witten bei 173. Trotzdem wagte man auch erste Schritte, um sich am Markt neu zu etablieren. "CoBe Capital ist unser Gesellschafter, hält Unternehmen aber stets langfristig und ist auch nicht ins operative Tagesgeschäft involviert", erklärt die kaufmännische Geschäftsführerin Yvonne Risch (35). "Wir sind also wieder ein eigenständiges Unternehmen."
Und nun also die Coronakrise. Völker produziere durchgehend, sagt Risch. Kurzfristig sogar in zwei Schichten, um die Abstandsregeln einhalten zu können. 12.000 Betten habe das Werk im Jahre 2019 ausgeliefert. "Diese Zahl konnten wir jetzt verdoppeln", sagt Gesundheitsökonomin Risch, die an der Uni Witten/Herdecke ihren Masterabschluss machte. Wenige Zeitarbeitskräfte, ein paar neue Mitarbeiter und sogar einige aus der Verwaltung helfen mit, die Aufträge zu stemmen.
Exportmanager: Betten haben fast Hoteldesign
Deshalb laufen die Arbeiten in der eigenen Schreinerei, in der Lackiererei und in der Montage auf Hochtouren. 100 Betten pro Tag schaffen sie hier. Dreieinhalb Stunden dauere es im Schnitt, bis eines der Völker-Modelle - der Preis liegt zwischen 1500 und 5000 Euro - fertig sei.
Typisch sei der besondere Look, sagt Exportmanager Andreas Becker: "Wir verwenden viel Holz, die Betten haben fast Hoteldesign." Und es gibt sie auf Wunsch auch in knalligeren Farben. "Wir haben mal eins in Grasgrün geliefert." Das Ev. Krankenhaus Witten sei übrigens zu 100 Prozent mit Völker-Betten ausgestattet.
Völker widmet Liegefläche besondere Aufmerksamkeit
Liegefläche und Matratze widmet Völker besondere Aufmerksamkeit. Durch ein besonderes System werden einzelne Bewegungen des Körpers reflektiert. Das sei nicht nur bequem, sondern auch wirksam gegen das Wundliegen. "Es ist beruhigend zu wissen, dass Menschen in einem Bett liegen, in dem sie nicht nach zwei Tagen Schmerzen haben", sagt Andreas Becker.
Aber Völker denkt auch an die Pflegekräfte, hat etwa leicht waschbare Betten im Programm. 2019 sei außerdem ein besonders einfach zu handhabendes Modell auf den Markt gekommen. Vielleicht steht es ja bald in Kliniken in Saudi-Arabien oder Süd-Korea. Denn dorthin hat Exportmanager Becker mittlerweile auch seine Fühler ausgestreckt.
Info:
Der krisengeschüttelte Klinik- und Pflegebettenhersteller Völker bekomme aufgrund der Coronapandemie tatsächlich eine Belebung der wirtschaftlichen Situation zu spüren, bestätigt Mathias Hillbrandt von der IG Metall Witten. Ein Teil der Sanierung sei gut überstanden.
Der Betrieb befinde sich weiterhin in einem Prozess, der die Lage nach dem Verkauf durch den US-Konzern Hill-Rom an die Investmentfirma CoBe Capital im Sommer 2017 stabilisieren soll.
"Das braucht Zeit", so Hillbrandt. Der Markt sei hart umkämpft. "Doch Betriebsrat, Geschäftsführung und IG Metall tauschen sich auf Augenhöhe aus und arbeiten gemeinsam an Lösungen. Alle müssen ihre Hausaufgaben machen, dann kann das gut werden."