Witten. Gut ein Drittel der Wittener Ärzte ist über 60 Jahre alt – und praktiziert weiter. Frank Koch gab die eigene Praxis auf und macht im MVZ weiter.

Die DDR hatte es mit ihren Polikliniken vorgemacht: Mehrere Ärzte bieten ihre Dienstleistungen unter einem Dach an. Inzwischen ist die Idee unter dem Namen Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) bundesweit erfolgreich. In Witten gibt es mittlerweile zehn solcher Großpraxen. Auch das MVZ an der Wiesenstraße möchte wachsen. Teil daran hat ein alteingesessener Wittener: Dr. Frank Koch.

Im Unterschied zu einer Gemeinschaftspraxis gibt es bei einem MVZ einen Träger, der die Ärzte bei sich anstellt. Häufig sind dies Krankenhäuser – etwa betreibt die St. Elisabethgruppe ein MVZ am Marienplatz mit Fokus auf Gastroenterologie und Kardiologie, Onkologie und Gynäkologie. Mitunter sind die Vertragsärzte aber finanziell an ihrem MVZ beteiligt, sind also Inhaber und zugleich Angestellte. Ihr Vorteil: Die Pflichtarbeitszeit lässt sich so im Vergleich zum Betrieb einer Einzelpraxis deutlich reduzieren, es gibt auch mehr Urlaubstage.

Koch eröffnete seine erste Praxis 1975

Beim MVZ Witten ist der Träger die Ev. Stiftung Volmarstein. Beschäftigt sind dort zwei Ärzte und eine Ärztin, Dr. Martin Kuthe und Dr. Andrea Düchting sowie Tillmann Blanck-Lubarsch. Der Fokus liegt auf Neurologie, Psychiatrie und Orthopädie. Zum 1. Januar hat auch der Internist Dr. Frank Koch dort Praxisräume bezogen, seit Mitte Juli ist er offiziell Teil des MVZ. Für ihn sei die Aufgabe seiner Privatpraxis und das Eintreten in ein MVZ eine Möglichkeit, schrittweise seine Arbeitszeit zu reduzieren und einen Nachfolger aufzubauen.

Sein Alter nennt Frank Koch nicht. Aber wie viele Wittener Ärzte hätte er das Rentenalter längst erreicht. Und wie für sie ist es auch für ihn schwierig, einen Nachfolger für eine Einzelpraxis zu finden. „Es bleibt nur, weitermachen oder die Praxis schließen. Ich kenne allein fünf, die keine andere Alternative haben“, sagt er. In Witten sind laut Kassenärztliche Vereinigung in der größten Medizinergruppe, den Hausärztinnen und Hausärzten, derzeit 31 Prozent über 60 Jahre alt. Zum Vergleich: In Westfalen-Lippe insgesamt sind dies im Moment rund 40 Prozent der Allgemeinmedizinerinnen und -mediziner.

Elf Jahre im Stadtrat

Obwohl: So richtig ans Aufhören denkt Frank Koch noch nicht. „Solange es mir Spaß macht“, sagt er. „Mich fasziniert neben der Medizin die Begegnung mit den Menschen. Dieselbe Krankheit empfinden fünf Leute fünfmal anders. Das ist spannend.“

Gute medizinische Versorgung in Witten

Die jüngsten Daten der Kassenärztliche Vereinigung Westfalen Lippe sind von 2017. Demnach gibt es in der Region 7189 Einzelpraxen, 1923 Gemeinschaftspraxen und 171 MVZs.

Witten ist mit einem Versorgungsgrad von 110,9 Prozent „zu gut“ mit niedergelassenen Medizinern belegt. Aktuell dürfen in der Ruhrstadt keine Hausärzte eine Praxis neueröffnen. Allerdings: Die medizinische Versorgung der Wittener findet immer häufiger in großen Ärztehäusern statt, die Zahl der Einzelpraxen nimmt ab.

Eine der wenigen Neugründungen in Witten war 2020 die „Allgemeinmedizin an der Ruhr“ von Severina Vasileva und Vanessa Steinbuß. Beide wollen sich mit einem klassischen Hausarztmodell bewusst von Medizinischen Versorgungszentren abgrenzen: „Da geht schnell die persönliche Bindung verloren. Kostenoptimierung sollte nicht an erster Stelle stehen“, so Vanessa Steinbuß.

Der Arzt ist in Witten seit Jahren nicht nur medizinisch, sondern auch gesundheitspolitisch aktiv. Er gründete das erste Methadon-Programm in NRW, ein Diabetes-Schulungszentrum und er war beteiligt am Gesundheitszentrum am Ende der Bahnhofstraße. Außerdem war der Mediziner Mitbegründer der „Ärztlichen Qualitätsgemeinschaft Witten“ und der Praxiszeitung „Witten Transparent“. Elf Jahre saß der Träger des „Bundesverdienstkreuz am Bande“ im Rat der Stadt Witten und setzte sich für die Einbindung des studentischen Lebens in die Stadt ein.

Pläne an der Uni Witten scheiterten

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Mit 65 Jahren durfte er aus Altersgründen laut Gesetz nicht weiter praktizieren und verkaufte seine Praxis an der Ruhrstraße. Zwei Monate später gab es eine Gesetzesänderung. Koch eröffnete neu an der Hauptstraße. Angetan war er von der 2019 eröffneten Universitätsambulanz für Integrative Gesundheitsversorgung und Naturheilkunde. Ihn lockte die mögliche Eröffnung eines Diabetes-Zentrums und er verlegte seine Praxis an die Uni. Die Pläne scheiterten und so zogen Praxis und Mitarbeiter zurück in die City.

„Die enge Zusammenarbeit zwischen Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten und die Einbindung kleinerer Praxen in die medizinische Versorgung Wittens ist mir ein Anliegen“, erklärt Dr. Koch die Vorteile eines MVZs. Er glaubt, dass dieses Konzept in Witten weiter wachsen wird. Die Umbaupläne für den Gebäudekomplex zwischen Wiesen- und Theodor-Heuss-Straße hat er schon in der Schublade. Eine ambulante Tagesklinik im Wiesenviertel – das wäre sein Traum.