Witten. So viel Schönes am uncharmanten Kornmarkt: In Witten hat ein Laden für Trockenblumen und skandinavisches Design eröffnet. Ein Geheimtipp?
Arrangements aus Trockenblumen waren lange als Staubfänger verschrien. Inzwischen sind sie der Trend schlechthin. Tine Drees eröffnet in Witten eine Laden mit floraler Deko – an einem Ort, der auch nicht den besten Ruf hat.
So viel Schönes erwartet niemand an dieser Ecke – Johannisstraße, Höhe Kornmarkt. Zwischen Kiosk und Imbissbude bleiben Passanten verdutzt stehen und gucken in die Schaufenster des Geschäfte „Tine“. Christine Drees steht dort an einem Arbeitstisch und bindet Sträuße und Kränze.
Dabei verwendet sie frische und getrocknete Pflanzen: Schleierkraut, Disteln, Eukalyptus, Pampasgras, Strandflieder (Limonium) oder Schwarzkümmel (Nigrella). Dazu kommen blaue Hortensien-Blüten, die selbst getrocknet ihre Farbe behalten, Beeren oder roter Pfeffer. Tine Drees arrangiert die Gräser um einen schlichten Metallring – „Flower Hoop“ nennt sich dieser Trend. „Man darf mir gerne zugucken“, lacht sie.
Einen Blumenladen wollte Drees nicht eröffnen – die kurzlebigen Schnittblumen passen nicht in ihr nachhaltiges Lebenskonzept. Ihre Trockensträuße halten lange und kosten zwischen 15 Euro für ein kleines Gesteck und 75 Euro für einen großen, üppigen Türkranz. Sie bietet auch an, dass man eine Vase mitbringt, die sie dann auf Kundenwunsch bestückt.
Postkarten mit Poesie
Auch das Drumherum ist einen Blick wert. Da sieht man einen sagenhaften Kronleuchter, Möbel in weißem Shabby-chic-Stil und allerlei Schnickschnack in Pastelltönen. Die 51-Jährige verkauft zum Beispiel die Stofftiere der Marke Maileg aus Dänemark: Hasen, Mäuse, Ferkel, Füchse, Nilpferd. Oder gedruckte Gedichte – jede Postkarte mit Poesie kostet zwei Euro. Dazu kommen Servietten, Geschirrtücher, Vasen, Glanzbilder, Geschenkpapier oder Kerzenständer in skandinavischem Design. Die Deko ist auf alten Kommoden drapiert, Nähmaschinen oder Koffern.
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Mit 30 Jahren Berufserfahrung macht sich die gelernte Floristin nun selbstständig. In ihrem Familien- und Bekanntenkreis konnte man das erst gar nicht glauben. Denn die 51-Jährige hat die letzten 15 Jahre in Düsseldorf gearbeitet, als Filialleiterin in einem Blumengeschäft in den noblen Schadow-Arkaden. Doch dies hat Corona nicht überlebt und schloss. Die gebürtige Wittenerin hatte die Chance, die Ladeneinrichtung zu übernehmen. Voller Überzeugung wählte sie nicht die noble Landeshauptstadt für ihren Start in die Selbstständigkeit, sondern ihre Heimatstadt.
Vermieter wartete
Eröffnet am 22. September
Seit Donnerstag, 22. September, hat „Tines“ Geschäft für Deko und Wohnaccessoires am Kornmarkt geöffnet: dienstags bis freitags von 10 bis 18 Uhr, samstags von 10 bis 16 Uhr.
Überrascht zeigte sich Christine Drees, dass viele Geschäfte in Witten samstags schon um 14 Uhr schließen. „Einheitliche und längere Öffnungszeiten würden der Innenstadt guttun.“
„Witten hat eine Chance verdient“, sagt Tine Drees. „Es wird total unterschätzt. Alle sind hier so negativ.“ Im Vergleich sei in Düsseldorf auch nicht alles rosarot. Natürlich weiß sie, dass sie sich nicht die allerschönste Ecke ausgesucht hat. „Ich bin nicht blöd. Ich seh’ ja, was hier abläuft“, sagt sie mit Blick auf den Kornmarkt. Trotzdem glaubt sie ihr Geschäft am richtigen Fleck: „Hier ist Laufkundschaft und es gibt Parkplätze.“
Eigentlich wollte die Einzelhändlerin gern ins Wiesenviertel – und verliebte sich in das Ecklokal an der Johannisstraße. Einst hatte dort die Awo Büros, lange stand es leer. „Als ich im Februar den Vermieter angerufen und von meinem Konzept erzählt habe, sagte er: Egal, wann sie kommen, ich warte auf sie. Hauptsache, diese Ecke wird schöner.“
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Mit diesem Satz waren alle Zweifel begraben. Und es gab noch mehr Unterstützung: Bei der Arbeitsagentur war die Sachbearbeiterin so verzückt vom ausgedruckten und liebevoll gestalteten Business-Plan, dass sie mit Blick darauf sagte: „Sie kriegen ihren Gründungszuschuss!“ Dann die Familie, die den Eckladen mit seinen vier Meter hohen Decken renovierte. Die ehemalige Chefin gab einen Crashkurs in Buchführung. „In Düsseldorf war vieles so Unpersönlich. Hier schwatzt sogar die Postbotin mit mir“, schwärmt die Floristin, die vor 30 Jahren bei „Blumen Fiebig“ in Heven ihre Ausbildung begann. Nun also zurück zu den Wurzeln, oder vielmehr: zu den Blüten.