Witten. Ein engagierter Verein zieht mit einem außergewöhnlichen Projekt in die Stadtgalerie Witten. Dort soll nicht nur ein inklusives Café entstehen.
Zuletzt hatte das Briefwahlbüro seinen Platz in dem leeren Ladenlokal der Stadtgalerie Witten. Nun tut sich wieder was auf der Fläche schräg gegenüber der Postfiliale im Erdgeschoss. „Krümelreich“ steht auf dem kleinen Schild, das auf der Tür klebt. Der Verein „Meisterwerk Mensch“ plant dort nicht nur ein Café.
Der Verein hatte sich mitten in der Pandemie gegründet. Er will die Inklusion, also das Miteinander von Menschen mit und ohne Beeinträchtigung, stärker im Alltag der Stadt verankern. Der eigentliche Impuls sei gewesen, Menschen mit Beeinträchtigung in einem Café eine Beschäftigungsmöglichkeit zu bieten, heißt es. Tatsächlich hat der Verein sich auf die Suche nach geeigneten Räumlichkeiten begeben, Anträge gestellt und mit der Stadt gesprochen.
Wittener Verein: Viele Leerstände sind nicht barrierefrei
„Wir haben uns viele Leerstände angesehen, an der Bahnhofstraße, an der Ruhrstraße, sogar an der Annenstraße“, sagt Dorit Remmert (43), eine der Initiatorinnen. Es sei stets an der fehlenden Barrierefreiheit gescheitert. „Alles, was Stufen hat, kommt nicht in Frage.“
Sie hatte die Stadtgalerie, in der sich eine Nutzung schon vor zwei Jahren anbot, bis dahin kategorisch ausgeschlossen. „Zu laut, zu trubelig.“ Weil die Auswahl immer mehr schrumpfte, haben die Aktiven nun aus der Not eine Tugend gemacht. „Wir nehmen die Herausforderung an, den Menschen zwischen Shopping und Konsum ein Kontrastprogramm zu bieten“, sagt Monique Schüler.
Die 33-jährige Sozialarbeiterin hat sich selbst eine Stelle im „Krümelreich“ geschaffen, die drei Jahre lang aus einem Innovationsfonds der Evangelischen Kirche finanziert wird. Um diese wie um alle anderen Förderungen hat sich der Verein selbst bemüht.
Schüler wird sich um den so genannten „Stärkungsraum“ kümmern. Dort soll es Angebote geben, die zeigen, wie Familienleben gelingen kann. „Wie wir das genau gestalten, ist noch offen“, sagt sie. Auf jeden Fall kooperieren sie da mit evangelischen Gemeinden aus Witten-Mitte. Netzwerken wird im Verein groß geschrieben.
Verein will Inklusion in Witten voranbringen
Dank finanzieller Unterstützung der „Aktion Mensch“ will sich der Verein mit interessierten Familien außerdem auf den Weg zu mehr Inklusion in Witten machen und Kreativprojekte anbieten. Auch dafür gibt’s eine feste Stelle, die sich zwei junge Frauen teilen.
Zum Beispiel sollen ein inklusiver Spieletreff oder ein Tanzprojekt angeboten werden. „Wir wollen da weniger referieren und erklären, sondern Menschen zusammenbringen, die mitgestalten“, sagt Dorit Remmert. Es geht auch um Barrieren in Witten und welche Lösungen sich anbieten.
Center-Managerin begeistert von Konzept
Der Verein „Meisterwerk Mensch“ möchte Ende August das inklusive „Krümelreich“ in der Stadtgalerie eröffnen. Das Café im Erdgeschoss nahe der Postfiliale und direkt bei den Aufzügen soll montags bis samstags von 9 bis 19 Uhr geöffnet sein. Zuvor hatte dort zweimal das Briefwahlbüro seinen Platz, nachdem Peter Schemmann mit seinem Geschenkartikel-Geschäft ausgezogen ist.
Center-Managerin Babett Arnold ist „total happy“ über den Neuzugang und „hellauf begeistert“ vom Konzept des Vereins. Deshalb habe die Stadtgalerie auch einen deutlichen Nachlass von der sonst üblichen Miete gewährt. Über das „Sofortprogramm Innenstadt“ ist dagegen keine Unterstützung möglich, da dies Leerstände in der Stadtgalerie nicht einschließt.
Nicht zuletzt bietet das Krümelreich fast täglich einen Café-Betrieb an. Es soll Kaffee, Kuchen und Waffeln geben, „vielleicht mal eine Quiche“. Alles möglichst selbst gemacht. Noch ist der 152 m² große Raum leer. Bis Ende August, wenn die Eröffnung geplant ist, soll es 35 Sitzplätze geben, eine Theke sowie einen Krabbel- und Spielbereich – und senfgelbe Wände. Auch drei Bänke aus einer Wittener Kirche ziehen ein. Ansonsten eher Landhausstil mit viel Weiß und Holz.
„Außenarbeitsplätze“ für Menschen mit Behinderung im Wittener Krümelreich geplant
Bis jetzt hat der Verein alles mit Ehrenamtlichen gestemmt. 15 Menschen engagieren sich regelmäßig – und werden es auch weiter tun. Wer sonst noch möchte, kann sich gerne einbringen. Ach ja, eigentlich wollten sie ja Menschen mit Behinderung eine Beschäftigung im Team bieten, die sonst nur in der Werkstatt arbeiten. Auch das wird klappen. So genannte „Außenarbeitsplätze“ sind geplant. Doch erst mal werden die Betreffenden ein Praktikum machen, um zu testen, wo sie sich einbringen können.
„Es wird ein arbeitsreicher Sommer“, vermutet Dorit Remmert. Sie sieht nicht so aus, als würde sie das stören. Monique Schüler ergänzt: „Wir freuen uns einfach zu sehen, was wir bewirken können.“ Die Stadt (-Galerie) darf gespannt sein.