Witten. Die Ukrainerin Maryna Kuzhel lebt seit März in Witten. Ihren Gastgebern ist sie zutiefst dankbar. Denn sie haben vieles möglich gemacht.

Seit Mitte März lebt Maryna Kuzhel in Witten. Die Ukrainerin ist wie viele ihrer Landsleute vor dem Krieg Putins gegen ihr Heimatland geflohen. Zunächst sollte es nur ein kurzer Aufenthalt in der Ruhrstadt sein – so zumindest die Hoffnung der zweifachen Mutter. Trotz all des eigenen Leids liegt Kuzhel aber eine Sache besonders am Herzen: Sie möchte ihren Gastgebern danken. „Ich weiß nicht, wie wir ohne sie jemals zurechtgekommen wären.“

Mit nicht viel mehr als dem Schneeanzug, den sie trug, kam Maryna Kuzhel gemeinsam mit ihrer Tochter Julya (11) am Haus ihrer Gastfamilie in Bommern an. Sechs Tage hatte sie bei ihrer Flucht fast ununterbrochen am Steuer ihres Autos gesessen, kam über Moldawien, Rumänien, Ungarn, die Slowakei und Tschechien schließlich bis nach Witten. Allein 14 Stunden verbrachten Mutter und Tochter am Grenzübergang von der Ukraine nach Moldawien. Sohn Yuri war mit dem Vater zurückgeblieben, weil er als 19-Jähriger nicht mehr ausreisen durfte – und es zunächst auch nicht wollte.

Geburtstagsfeier am Tag der Ankunft in Witten

Am Tag von Maryna und Julyas Ankunft feierte ihre Wittener Gastfamilie gleich zwei Geburtstage. „So hatten die beiden direkt eine kleine Feier, mit Freunden, anderen Kindern“, sagt Gastgeberin Alexandra Marx. Und schon waren die beiden in der Familie aufgenommen. Nur wenige Tage später war die elfjährige Julya in der Schule – Marx hatte den Platz organisiert.

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„Davor haben wir nur herumgesessen und Nachrichten geschaut“, erzählt Kuzhel. Der Schulbesuch habe ihnen beiden dann wieder eine Tagesstruktur gegeben. „Und meine Tochter wurde so gut aufgenommen, sie hatten sogar Willkommensschilder gemalt“, erinnert sich die 42-Jährige sichtlich gerührt.

Sohn aus der Ukraine nach Deutschland geholt

Es blieben die Sorge um Mann und Sohn. „Maryna war nur halb hier anwesend. Sie hat nur für ihre Tochter funktioniert“, erinnert sich Alexandra Marx. Denn als die Situation in der Heimat heikler wurde, wollte auch der Sohn die Ukraine verlassen. Eine Studienplatzzusage aus Deutschland bot dem jungen Mann die Chance dazu. „Aber das alles hat lange gedauert, war kompliziert. Ich habe sechs, sieben Wochen auf ihn gewartet“, so Kuzhel. Immer an ihrer Seite: Gastgeberin Marx. Am 30. April schließlich konnte die Mutter ihren Sohn wieder in die Arme schließen.

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Über Kontakte ergaben sich für die Wissenschaftlerin Kuzhel, die vor dem Krieg an der Nationalen Wirtschaftsuniversität von Kiew gelehrt hat, auch Chancen, ihrem Beruf weiterhin nachzugehen. Von Mai bis Juli war sie Gastwissenschaftlerin an der Uni Witten. Dort hielt sie etwa einen Vortrag darüber, was der Krieg für Firmen in der Ukraine bedeutet. In den nächsten sechs Monaten wird sie an einem Forschungsprojekt der Uni Hagen mitarbeiten.

Täglicher Wunsch, in die Heimat zurückzukehren

In den ersten Wochen und Monaten habe sie täglich darüber nachgedacht in die Ukraine zurückzukehren, erzählt Kuzhel. „Ich möchte wirklich in mein Leben zurück, aber bislang ist das nicht möglich.“ Jeden Tag danke sie Gott dafür, dass sie und die Kinder sicher seien, umgeben von Fürsorge und Freundlichkeit. Ihr Mann Vyacheslav, ihre erste große Liebe, hingegen harrt in der Ukraine aus. 20 Jahre hat er als Wirtschaftsprofessor gearbeitet, nun hilft er, die Logistik in seinem Land aufrecht zu erhalten.

Schweren Herzens hat sich Maryna dazu entschieden, mit ihren Kindern bis mindestens April in Deutschland zu bleiben – ihr Mann hat sie darum gebeten. Sohn Yuri besucht mittlerweile Sprachkurse an der Ruhr-Uni, studiert aber auch online an der Universität von Kiew. Tochter Julya freut sich, auch in diesem Schuljahr wieder in ihre deutsche Klasse gehen zu können.

Es gibt auch kleine Momente der Freude

Und mit der Zeit habe sich verändert, was ihr Leben in Deutschland ausmache und wie sie darauf blicke, sagt Maryna Kuzhel. Es bestehe nun nicht mehr nur aus Warten und Sorge, sondern ebenso aus kleinen Freuden. So übe ihre Tochter täglich für einen Schulausflug im September das Radfahren, das ihr bisher Angst machte. „Sie lebt in Vorfreude auf diesen Ausflug, ich lebe von ihren kleinen Siegen. Das Leben geht weiter.“

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Doch dass es weitergehe, verdanke sie den Menschen um sie herum. „Allen voran der wundervollen Familie, die uns hilft, das hier zu überleben.“ Und die ihr dabei helfe, all die Probleme und Fragen zu lösen, die Tag für Tag aufkommen. Besonders zu Gastgeberin Alexandra Marks verbindet sie ein inniges Verhältnis: „Das hier ist auch ihre Geschichte“, sagt Kuzhel. „Wir hatten zuvor ein normales Leben, sind viel gereist – auch nach Deutschland.“ Doch was das Land ausmache, seien nicht die Museen oder Denkmäler, die sie zuvor besucht habe. „Das Beste sind die Menschen hier“, sagt die 42-Jährige mit Tränen in den Augen.