Witten. Ein Briefträger in Witten hat es mit seinem Beruf nicht so ernst genommen und unzählige Briefe weg- statt eingeworfen. Die Begründung ist kurios.
Nanu, was macht der denn da? Das dürfte sich ein Anwohner im Rotkehlchenweg in Witten gedacht haben, als er Ende Juli einen Postboten aus seiner Wohnung heraus beobachtet hatte. Statt die Umschläge in die dafür vorgesehenen Briefkästen zu werfen, zerriss und entsorgte er sie in der blauen Papiermülltonne. Der Vorfall ist jetzt öffentlich geworden, die Anwohnerinnen und Anwohner warten seitdem auf wichtige Post.
Eine einmalige Ausnahme war die Tat wohl nicht. „Nur einen Tag später hat mein Nachbar wieder das Gleiche beobachtet. Am Vortag konnte er noch nicht schnell genug reagieren. Deshalb hat er diesmal ganz gezielt geguckt, ob es wieder passiert“, sagt Anwohnerin Manuela Scholz. Diesmal habe der Mann, der nicht in der Zeitung stehen will, sofort die Polizei gerufen. Die Beamten haben den Postboten dann auf frischer Tat ertappt. Sofort sei sein Dienstfahrrad beschlagnahmt worden. Offensichtlich kam das Ganze für ihn auch nicht überraschend. „Er hat sich nicht rausgeredet, sondern einfach gesagt, dass ihm alles zu viel ist und er es nicht einsieht, so viele Briefe zu verteilen“, sagt Scholz. Nach Angaben der Post ist der Mitarbeiter sofort freigestellt und mittlerweile gekündigt worden.
Bereich der Mülltonnen in Witten nicht einsehbar
Da der Bereich der Mülltonnen aber nicht direkt für jeden einsehbar ist, habe er sich wohl sicher gefühlt, nicht erwischt zu werden. Zudem kann sich Scholz vorstellen, dass einige der Nachbarn beim Blick in die Tonnen gedacht hätten, dass es sich um normal entsorgte Briefe handelt. So sei das Ganze nicht direkt aufgefallen. „Bei der Postzustellung kommt es ja immer mal zu Problemen. Da wird man nicht sofort stutzig. Montags bekommen wir hier zum Beispiel generell keine Post“, sagt Scholz.
Gemeinsam mit ihrem Nachbarn Wilhelm Martini hat die 54-Jährige den Müll nach der Tat ganz genau durchsucht und ist auf noch mehr braune und weiße Umschläge gestoßen – unter anderem aus dem Sonnenschein, dem Goldammerweg und dem Ledderken. „Er muss das also schon über längere Zeit gemacht haben“, sagt Scholz. Und da geht das Problem los. Die Polizei hat die rund 140 Briefe vorerst beschlagnahmt, bis jetzt kam aber noch nichts zurück.
Das sorgt bei den Anwohnerinnen und Anwohnern für Probleme. „Natürlich ist manches auch einfach verloren. Aber zumindest die Briefe, die die Polizei mitgenommen hat, können wir doch zurück- bekommen“, sagt Scholz. Sie selbst wartet auf wichtige Krankenhausunterlagen für ihre Mutter. Zudem leben im Rotkehlchenweg und den angrenzenden Straßen viele Rentnerinnen und Rentner, die auf die Rentenbescheide angewiesen sind. „Die Leute wissen doch gar nicht, was passiert ist und wieso sie so lange keine Post bekommen haben.“ Manuela Scholz hat auch deshalb den Weg an die Öffentlichkeit gewählt, um ihre Nachbarn und Nachbarinnen darauf aufmerksam zu machen.
Polizei bittet Bürger in Witten um Mithilfe
„Wir sind derzeit dabei, die Beweise, sprich die Briefe, zu sichern“, sagt Polizeisprecher Frank Lemanis. Rund 50 der 140 Briefe seien bereits abgearbeitet. „Wir wollen natürlich auch, dass wir die Post den Leuten so schnell wie möglich zurückbringen können. Das wird jetzt bald der Fall sein.“ Dass es so lange dauert, hänge auch damit zusammen, dass das Kommissariat jeden zerrissenen Brief erst wieder einzeln zusammenflechten musste.
Was dem Postboten droht, steht noch nicht fest. „Wir ermitteln noch und müssen schauen, ob es eine Einzeltat war oder ob er das öfter gemacht hat“, so Lemanis. Deshalb bitten die Beamten die Wittener und Wittenerinnen um Mithilfe. Wer schon lange auf einen Brief wartet oder Ende Juli ungewöhnlich viel Post in einer Mülltonne entdeckt hat, möge sich telefonisch unter 0234 9098305 bei der Polizei melden. Der Polizeisprecher hat auch ein Lob übrig. „Es war wirklich gut, wie die Anwohner reagiert haben. Das hat auch uns geholfen.“ Am Rotkehlchenweg ist mittlerweile wieder Ruhe eingekehrt. Ein neuer Postbote hat den Bezirk übernommen und die Umschläge landen wieder da, wo sie hingehören: im Briefkasten.