Witten. Wegen der explodierenden Energiepreise droht Stadtwerke-Kunden in Witten ein böses Erwachen. So können sie eine allzu hohe Rechnung vermeiden.
Die Gas- und Strompreise explodieren. Der finanzielle Druck auf die privaten Haushalte steigt massiv. Um ein finanzielles Fiasko zu verhindern, sollen Bürger ihre Abschlagszahlungen erhöhen. Dazu rufen Stadtwerke und Verbraucherschützer auf. Das Echo bleibt bisher allerdings hinter den Erwartungen zurück.
„Bislang haben erst etwa 1500 Kunden ihre monatlichen Abgaben erhöht“, sagt Stadtwerke-Sprecher Mathias Kukla. Der heimische Versorger beliefert in Witten 65.600 Haushalte mit Strom und 26.300 mit Gas. Folglich sei noch erheblich Luft nach oben.
Kukla weist darauf hin, dass angesichts der drastisch gestiegenen Energiepreise erhebliche Nachzahlungen auf die Kunden zukommen. Sie könnten sich für einen Vier-Personen-Haushalt im hohen dreistelligen Bereich bewegen. Auch Verbraucherschützer warnen vor einem bösen Erwachen.
Um den Kunden solch hohe Rechnungen zu ersparen, sollten sie gegensteuern und das am besten sofort, betont der Stadtwerke-Sprecher. Wenn man jetzt die Abschläge höher setze, würden die Kosten über die kommenden Monate verteilt. „Die Nachzahlung fällt dann vergleichsweise erheblich geringer aus.“
Es drohen drastische Preiserhöhungen
Der Strompreis ist für sogenannte Bestandskunden der Stadtwerke im Februar 2022 um fünf Prozent gestiegen. Aktuell kostet die Kilowattstunde (kWh) 27,97 Cent. Der Wegfall der EEG-Umlage zum 1. Juli ist hierbei bereits berücksichtigt.
Der Gaspreis wurde zuletzt im April 2022 um 0,7 Cent pro Kilowattstunde erhöht. Das machte eine Steigerung von rund 7,5 Prozent aus. Der Kunde im „Grundversorgungstarif“ zahlt momentan bei einem Verbrauch von bis zu rund 12500 kWh/Jahr 8,3 Cent/kWh. Die nächste Preiserhöhung wird voraussichtlich zum 1. Oktober 2022 umgesetzt. Gas wird um rund 60 Prozent teurer und Strom bis zu 40 Prozent.
Eine junge Familie mit zwei Kindern und vier bis fünf Zimmern hat derzeit Energiekosten (Strom und Gas) von rund 2900 Euro im Jahr. Die Stadtwerke rechnen mit einem Anstieg der Kosten in den kommenden Jahren (etwa bis 2024) auf zirka 4600 Euro. Bei einem Ein- oder Zwei-Personen steigen die Ausgaben von derzeit durchschnittlich 1850 Euro voraussichtlich auf 2930.
Wer seinen monatlichen Abschlag für Gas und Strom jetzt erhöhen will, kann sich an die Stadtwerke wenden: Telefon 9173-600, eine Mail schicken (kundenservice@stadtwerke-witten.de), ein Formular im Netz („Abschlagszahlung“) ausfüllen oder das Kundencenter „Impuls“ am Rathaus besuchen (mo bis do 8.30-16 Uhr, fr 8.30-15 Uhr, sa 8.30 bis 12 Uhr).
Kunden, die sich bereits für höhere Abschläge entschieden habe, „zahlen jetzt je nach Haushalt zwischen 30 und 40 Prozent mehr“. Den Stadtwerken sei natürlich sehr bewusst, dass zahlreiche Bürger schon jetzt kaum noch über die Runden kommen, so Kukla. „Sie können sich schlichtweg eine erhöhte Abgabe nicht leisten.“
Die Stadtwerke stünden bereits mit Sozialverbänden und der Verbraucherzentrale in Kontakt, um nach Lösungswegen zu suchen. Man überlege etwa, im Fall der Fälle Kunden Rechnungen insgesamt oder in Teilen zu stunden. Inwieweit aber solche Modelle zum Tragen kommen, sei noch vollkommen offen. Die Stadtwerke müssten natürlich auch ihre Rechnungen an die Vorlieferanten bezahlen können, sagt der Sprecher.
In brenzligen Situationen sei die öffentliche Hand gefordert, um Bürgern in Not finanziell unter die Arme zu greifen, so Kukla. Bei der angekündigten einmaligen Energiepauschale für Erwerbstätige von 300 Euro handele es sich zwar um eine entsprechende Unterstützung. Angesichts der weiter steigenden Energiepreise stelle sich aber schon die Frage, ob es nicht noch weitere Hilfen geben müsse.
Bislang haben die Stadtwerke in diesem Jahr rund 300 Stromsperren verhängt. Das Unternehmen dreht säumigen Zahlern meist rund zwölf Wochen nach Rechnungsversand den Saft ab. „In der Zwischenzeit verschicken wir natürlich Erinnerungsschreiben und Mahnungen“, heißt es. In einem Großteil der Wohnungen bleiben dann tatsächlich die Heizungen kalt. Denn auch der Betrieb von Gasthermen ist auf Strom angewiesen.
Wittener Caritas kann allenfalls kleinere Überbrückungshilfen leisten
„Der Hinweis der Stadtwerke ist großartig. Man sollte nicht das dicke Ende abwarten, sondern jetzt schon vorsorgen“, bestätigt Caritas-Vorstand Hartmut Claes. Er rät dazu, wie empfohlen die Abschläge zu erhöhen oder Rücklagen zu bilden. Claes befürchtet aber, dass viele bedürftigere Wittener dazu nicht in der Lage sein werden und „uns bitten, die Zahlungen zu übernehmen“. Ansonsten drohe die Sperrsicherung. Der 65-Jährige sieht Rückforderungen auf die Menschen zukommen, „die unsere Möglichkeiten übersteigen“. Man könne allenfalls mal eine Überbrückungshilfe leisten, aber nicht in drei- oder vierstelliger Höhe.
Gleichzeitig sei Energieberatung ein wichtiges Thema, so Claes. Er hofft, dass die Caritas hier womöglich ehrenamtlich helfen kann. „Wer jetzt nicht anfängt, seinen Strom- und Gasverbrauch zu reduzieren, wird ein böses Erwachen erleben.“