Witten. Rund vier Wochen nach Kriegsbeginn in der Ukraine fließt noch immer russisches Gas nach Deutschland. Wie viel kommt davon in Witten an?
Fast vier Wochen dauert der Krieg Putins gegen die Ukraine nun schon an. Und noch immer fließt russisches Gas in den Pipelines Richtung Westen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ist derzeit unterwegs, um alternative Lieferanten für den Energieträger zu finden und Deutschland langfristig unabhängiger von Russland zu machen. Doch wie sehr ist Witten überhaupt abhängig von Putins Gas?
Wie viel Erdgas aus Russland am Ende in den Haushalten der Wittener ankommt und für warme Wohnzimmer sorgt, lasse sich nicht genau beziffern, sagt Markus Borgiel, bei den Stadtwerken zuständig für Vertrieb und Beschaffung. Die Zusammensetzung sei aber in etwa so wie auch im restlichen Deutschland. Heißt: Etwa 55 Prozent des Stoffes kommt aus Russland, dann folgen als weitere wichtige Lieferanten Norwegen und die Niederlande.
Stadtwerke: Können nicht nachvollziehen, aus welchen Quellen das Wittener Gas stammt
An mehreren Punkten wird das Erdgas ins deutsche Gasnetz eingespeist und von dort aus verteilt. Es gibt keine separaten Leitungen oder Netze für Gas aus den unterschiedlichen Quellen. „Wir merken etwa nur, wenn in der Gesamtheit weniger Gas im Netz ist“, so Borgiel. Deshalb lasse sich auch nicht nachvollziehen, aus welchen Ländern das Gas stammt, das in der Ruhrstadt landet: „Witten kann man nicht autark betrachten.“
Sicher ist aber: Die Preise werden in den nächsten ein bis zwei Jahren weiter steigen. Zunächst einmal ab April. Dann kostet die Kilowattstunde bei den Stadtwerken 0,7 Cent mehr. Im Basistarif mit einem Jahresverbrauch zwischen rund 9000 bis 11.500 Kilowattstunden müssen statt 7,60 Cent dann 8,30 Cent je Kilowattstunde bezahlt werden. Diese Preisanpassung war eine Reaktion auf die bereits zuvor gestiegenen Weltmarktpreise – vor Kriegsausbruch.
Infrastruktur für Flüssiggas schaffen
„Um langfristig Energiesicherheit zu gewährleisten, müssen wir jetzt PS auf die Straße bringen – und Gas ins Netz“, sagt Borgiel. Dazu gehöre etwa der Ausbau der Infrastruktur, um flüssiges Gas zu importieren. Noch verfügt Deutschland über kein Terminal, um das Flüssiggas LNG direkt von Tankschiffen übernehmen zu können, muss dafür etwa auf Terminals in Frankreich, Belgien und den Niederlanden zurückgreifen. „Gas aus Russland kommt hingegen sehr leicht ins deutsche Netz“, sagt Borgiel. „Wir müssen jetzt bessere Anschlussmöglichkeiten für Flüssiggas schaffen.“
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Die Verbraucherkosten für Gas werden ein „deutlich höheres Niveau erreichen“, als sie sich in den aktuellen Tarifen der Stadtwerke widerspiegeln, ist sich Vertriebschef Borgiel sicher. Das sei der Preis, um unabhängiger von Russland zu werden. Denn auf dem Weltmarkt habe sich der Preis in einem hohen Bereich etabliert. „Aktuell kaufen wir deshalb in kleinen Tranchen ein.“ Das Gas, das heute die Wittener Wohnungen wärmt, hatte der kommunale Versorger schon zwei bis drei Jahre im Voraus eingekauft – zu deutlich günstigeren Konditionen.
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Angst davor, dass Wladimir Putin den russischen Gashahn als Reaktion auf die Sanktionen des Westens doch noch zudrehen könnte, hat Stadtwerke-Prokurist Markus Borgiel nicht. „Was würde er damit gewinnen? Er würde sein eigenes Land in den Ruin treiben“, sagt er. Zudem stehe derzeit das Wetter auf unserer Seite. Denn mit den steigenden Temperaturen sinkt auch der Bedarf an Gas.