Witten. Für 49 Kinder aus der Ukraine ist ein Feriencamp im Wittener Lukaszentrum eine willkommene Abwechselung. Dort spielen sich bewegende Momente ab.
Die Kinder toben bei Popmusik durch den großen Saal des Lukaszentrums. Einige lachen, andere schneiden Grimassen. Sie fühlen sich sichtlich wohl in dieser Sommerfreizeit. Für ein paar Stunden können die Mädchen und Jungen ihren Alltag hinter sich lassen. Alle sind aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet.
Tagtäglich warten im Wittener Feriencamp Überraschungen auf die Kinder
„Die Kinder haben Schlimmes erlebt, als sie mit ihren Familien ihre Heimat Hals über Kopf verlassen haben“, sagt Olga Tape. Sie hat das Camp auf die Beine gestellt, „weil diese jungen Ukrainer dringend Abwechslung brauchen“. Die Bilder von bombardierten und zerstörten Häusern, von Panzern und bewaffneten Soldaten, sie gehen Erwachsenen nicht aus dem Sinn, „und das trifft erst recht auf Kinder und Jugendliche zu“.
In der aktuellen Ferienzeit werde es besonders brenzlig. Schulen, die ein Großteil der Gruppe schon besucht, sind geschlossen und die Kinder sind in dem für sie noch immer recht fremden Land auf sich zurückgeworfen. Mit neuen Kontakten ist es vielfach noch nicht weit her.
Weiterer Sponsor gesucht
Die Freizeit erstreckt sich über zwei Wochen und dauert noch bis zum 31. Juli.Am Abschlusstag laden die Kinder um 15 Uhr zu einem Musikkonzert in das Lukaszentrum ein, bei dem sie einstudierte Lieder vortragen wollen.Zahlreiche private Einzelspender sowie der Lionsclub Witten und der Rotaryclub unterstützen die Ferienaktion finanziell. Aktuell sucht Organisatorin Olga Tape noch einen oder mehrere Sponsor(en) für eine Busfahrt in einen Freizeitpark. Kontakt: 0175/8798224, Mail: hilfemenschen@gmail.com
Im Lukaszentrum an der Pferdebachstraße, gleich neben dem Evangelischen Krankenhaus, können sie nun Gleichaltrige treffen, wobei die Altersspanne der 49 jungen Gäste von sieben bis 14 Jahren reicht. An jedem Tag wartet eine neue Überraschung auf sie. Musiklehrerin Lubov Vogel kommt vorbei, um mit der Gruppe zu singen, gern auch Lieder aus der Heimat. Beliebt ist aktueller Pop aus der Ukraine. Den Song „Stefanie“, mit dem das Kalush Orchestra den European Song Contest gewonnen hat, kennt jedes Kind.
Ukrainische Mütter sorgen für warmes Mittagessen
Wie sehr sich die jungen Ukrainer für Musik begeistern können, bestätigt auch die zwölfjährige Valeria: „Mir gefällt es hier am allerbesten, wenn wir tanzen können.“ Auf solche Wünsche einzugehen, sei doch eine Selbstverständlichkeit, antwortet Valentina Berveno (31). Sie ist wie ihre Kollegin Victoria Hulobeva (39) studierte Sozialpädagogin und gehört zum achtköpfigen Helferinnenteam, das das Programm zusammenstellt.
Der Crew haben sich einige ukrainische Mütter angeschlossen, die für ein warmes Mittagessen sorgen und sich meist nach dem Geschmack der Kinder richten. Mit den Lieblingsspeisen passen sie auf jeden Fall in ihre neue Heimat: Pizza, Spaghetti Bolognese und Würstchen.
Kinder platzen mit aufwühlenden Fragen heraus
Ob nun beim Essen oder mitten im Spiel, Kinder platzen immer wieder mit Fragen heraus, bei denen den Begleiterinnen ein Schauer über den Rücken läuft. „Wann kann ich wieder zu meinen Freunden zurück? Wie komme eigentlich an mein Spielzeug? Was ist mit meiner Schule passiert?“ In solchen Momenten „brauchen wir ganz großes Einfühlungsvermögen“, sagt Helferin Berveno. Ein Patentrezept für den Umgang in diesen Situationen gebe es ohnehin nicht. „Manchmal ziehen wir uns mit dem Kind zurück, nehmen es in den Arm oder sprechen mit ihm darüber, was Krieg bedeutet“. Oftmals spielten sich herzzerreißende Szenen ab. Die Begleiterinnen, die ja auch aus ihrer Heimat geflüchtet sind, kämpfen dann mit den Tränen.
„Wir wollen hier natürlich einen Raum schaffen, in dem die Kinder offen ihre Gefühle und Gedanken zum Ausdruck bringen können“, betont Olga Tape. Da sie dazu auch gern Bilder malen, steht Fingerfarbe bereit, und auf den Tischen liegen große Plakate, auf denen die jungen Besucher unter anderem Bäume oder Häuser gemalt haben, wie sie sie noch aus der Ukraine in Erinnerung haben.
Um ihre neue Heimat besser kennenzulernen, „haben wir einige Ausflüge geplant“, sagt Valentina Berveno. Der Dortmunder Westfalenpark und der Oberhausener Aquapark stünden auf dem Programm. Ein Besuch bei der Feuerwehr sei ebenso vorgesehen und die Polizei wolle zudem das Feriencamp besuchen, ergänzt Hulobeva.
Derweil die beiden Helferinnen weitere Pläne schmieden, gehen ihre Gedanken ein Jahr zurück. Damals haben sie auch eine Freizeit betreut – an der ukrainischen Schwarzmeerküste. An Krieg habe damals niemand gedacht.