Witten. Dass Ex-Genosse Günter Schröer die Partei gewechselt hat, ist das eine. Dass der Wittener sein Ratsmandat mitnimmt, stößt vielen aber sauer auf.

Fraktionswechsel haben in Witten schon beinahe Tradition. Aktuell hat Ratsmitglied Günter Schröer überraschend die SPD für das Bürgerforum+ verlassen. Zuletzt war Patrick Bodden im November 2021 von den Piraten zu „Stadtklima“ gewechselt. Auch Schröer hat sein Mandat mitgenommen. Das ärgert nicht nur die SPD-Fraktion.

Seit Freitagnachmittag (1.7.) ist es offiziell: Der 64-Jährige ist neues Mitglied der Wählergemeinschaft Bürgerforum+. Seit 2011 saß Schröer für die SPD im Rat. Bei der Kommunalwahl 2020 trat er für den Wahlkreis Witten-Mitte an. In einer kurzen Nachricht an das Fraktionsbüro habe er den Genossen nun seine Entscheidung mitgeteilt, heißt es.

Wittener SPD-Politiker: Das ist legal, aber enttäuschend

Christoph Malz, Wittens stellvertretender SPD-Fraktionsvorsitzender, zeigt sich enttäuscht über das Verhalten von Günter Schröer.
Christoph Malz, Wittens stellvertretender SPD-Fraktionsvorsitzender, zeigt sich enttäuscht über das Verhalten von Günter Schröer. © SPD

„Es war ein Zweizeiler. Ohne jegliche Erklärungen“, so der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Christoph Malz. Über die Motive könne man nach wie vor nur spekulieren. „Uns erschließt sich sein Wechsel überhaupt nicht“, sagt Malz.

Übers Wochenende habe man sich im Fraktions-vorstand und mit dem Stadtverbandsvorsitzenden Axel Echeverria ausgetauscht – ohne zu neuen Erkenntnissen über die Gründe gelangt zu sein. Enttäuschend sei vor allem, dass Günter Schröer sein Mandat mitnehme. „Das ist zwar legal“, sagt Christoph Malz. Er habe dies jedoch nur mit Hilfe der SPD erlangt, die den Wahlkampf organisiert habe. „Es wäre das Mindeste gewesen, verantwortungsbewusst damit umzugehen und es niederzulegen.“

Wittener Piraten-Chef: Ethisch bedenklich

Auch Piraten-Chef Stefan Borggraefe findet es „ethisch nicht in Ordnung“, dass Schröer seine Sitze im Sport- und im Rechnungsprüfungsausschuss nun einfach für eine andere Partei wahrnehme. Für ihn sei nicht erkennbar, dass Schröer in der SPD konkrete Ziele verfolgt habe.

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„Er ist politisch nicht in Erscheinung getreten. Mir ist nie aufgefallen, dass er Position bezogen oder sich für ein Thema eingesetzt hat. Das zeigt, dass die Menschen nicht ihn, sondern die SPD gewählt haben.“ Borggraefe fordert deshalb, dass Schröer sein Mandat abgeben solle. Das würde bedeuten, dass Ex-Ratsfrau Patricia Podolski nachrücken könnte.

Fraktionswechsler äußert sich weiterhin nicht

Doch Günter Schröer bleibt auch am Montag dabei: „Mein Mandat werde ich mitnehmen.“ Zu seinen Motiven äußert er sich nach wie vor nicht genauer, dazu sei alles gesagt: „Ausschlaggebend für den Wechsel waren rein persönliche Gründe.“

Damit verliert die SPD in Witten nun einen Sitz im Rat und zieht mit der CDU gleich, die über 15 Sitze verfügt. „Das wird keine konkreten Auswirkungen haben“, so Fraktionsvize Malz. Stabile Mehrheiten habe es ohnehin nicht gegeben. Man werde also weiterhin von Fall zu Fall inhaltlich nach Mehrheiten suchen.

SPD: Lassen uns nicht aus dem Konzept bringen

„Günter Schröer hat Nägel mit Köpfen gemacht. Aber das erschüttert uns nicht bis ins Mark. Wir lassen uns dadurch nicht aus dem Konzept bringen“, sagt Malz. Er hoffe, dass solche Wechsel nicht wirklich Trend werden. Dass es in Witten mit dem Bodden-Wechsel von den Piraten zu Stadtklima nun zweimal innerhalb relativ kurzer Zeit passiert sei, sei zwar außergewöhnlich, aber vermutlich Zufall. „So was passiert immer mal wieder.“

Michael Hasenkamp etwa hatte im September 2019 der WBG den Rücken gekehrt und kurze Zeit später das Stadtklima mitbegründet. Ex-SPD-Fraktionsvorsitzender Thomas Richter und sein damaliger Vize Willi Humberg sind Anfang 2016 nach über 40 Jahren aus der Partei ausgetreten. Auch der ehemalige Hevener Ortsvereinsvorsitzende Claas Kretzmer hatte der SPD damals als Konsequenz aus dem Fall Leidemann, die 2014 als Bürgermeisterin gegen den Spitzenkandidaten ihrer eigenen Partei, der SPD, angetreten war, den Rücken gekehrt. Alle drei gehören nach einem Intermezzo in der von ihnen gegründeten Ratsfraktion „Solidarität für Witten“ nun dem Bürgerforum+ an.