Witten. Gefährliche Altlast: Auch Putzen, Spachtelmassen und Fliesenklebern wurden einst Asbestfasern beigemischt, warnt ein Wittener Schadstoff-Experte.

Die Wohnung, das geerbte oder gekaufte ältere Haus selbst renovieren, alte Böden entfernen, neue verlegen, das Bad frisch fliesen - Heimwerken boomt. Doch Fachleute wie der Wittener Biochemiker Dr. Lars Klapal warnen. Denn in vielen Fliesenklebern, Spachtelmassen und Putzen wurden über Jahrzehnte auch Asbestfasern beigemischt. Eine für Laien unsichtbare Gefahr: Wenn asbestbelastete Materialien bearbeitet und Asbestfasern in die Luft gelangen und eingeatmet werden, kann dies zu Krebs führen.

Im Asbest-Labor untersucht der Wittener Biochemiker Dr. Lars Klapal mithilfe eines Raster-Elektronenmikroskops Proben auf ihre Asbestbelastung hin.
Im Asbest-Labor untersucht der Wittener Biochemiker Dr. Lars Klapal mithilfe eines Raster-Elektronenmikroskops Proben auf ihre Asbestbelastung hin. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Klapal ist als Schadstoff-Gutachter in der Wittener Sachverständigengesellschaft Richardson tätig. Ein zwölfköpfiges Team aus Chemikern, Biologen, Biochemikern und Nanotechnologen, die mit Probenentnahmen Schadstoffe in Gebäuden aufspüren - vom Schimmelpilz über PCB bis zum Asbest. Für die Auftraggeber, darunter öffentliche Einrichtungen und Unternehmen, überwachen die Gutachter auf Wunsch auch Sanierungsmaßnahmen und nehmen diese ab.

Biochemiker: Von Asbest, der unbeschädigt und fest in einem Material gebunden ist, geht keine Gefahr aus

Wie für seine Kolleginnen und Kollegen ist Asbest für den Biochemiker Lars Klapal ein großes und von Laien oft unterschätztes Thema. Denn der Schadstoff stecke noch immer in unzähligen älteren Gebäuden. „Betroffen sind vor allem Häuser aus den Baujahren 1960 bis 1993.“ Aber auch ältere Gebäude und Wohnungen seien betroffen, „in denen in dieser Zeit renoviert, saniert und repariert wurde“, sagt der 32-Jährige. Die Verwendung und der Vertrieb von Asbest ist in Deutschland seit 1993 verboten, in der gesamten EU erst seit 2005.

Von Asbest, der unbeschädigt und fest in einem Material gebunden ist, etwa in Form von Fassadenplatten, gehe keine Gefahr aus, so Klapal. Werde an asbesthaltigen Materialien aber gearbeitet, etwa gehämmert und gebohrt oder Putz aufgestemmt, würden Fasern freigesetzt. 2019 hatte die Stadt Bochum die Bevölkerung vor Asbest im Mauerputz älterer Gebäude gewarnt. Und: Welcher Hobbyhandwerker ahnt schon, dass unter den alten Kacheln, die er von der Wand schlägt, Asbest im Fliesenkleber stecken kann oder im Kleber, mit dem Bodenplatten einst verklebt wurden?

Wittener Gutachter: Asbest stellt auch eine Gefahr für Handwerker dar

Im Tütchen steckt eine Probe, die aus der Spachtelmasse an einer Wand genommen wurde. Auch in alten Spachtelmassen kann  man Asbest finden.
Im Tütchen steckt eine Probe, die aus der Spachtelmasse an einer Wand genommen wurde. Auch in alten Spachtelmassen kann man Asbest finden. © Richardson | Richardson

Asbest könne auch im Putz an der Wand lauern, so der Wittener Schadstoff-Experte. „Das ist natürlich auch eine Gefahr für Handwerker, die zum Beispiel Schlitze in Wände fräsen, um neue Elektroleitungen zu verlegen.“ Wurden an diesen Stellen vorher von Experten keine Proben genommen, um festzustellen, ob der bisherige Verputz asbestfrei ist, könnten bei den Arbeiten viele Fasern in die Luft gelangen. Wurden früher Türrahmen und Fenster eingebaut, kam ebenfalls Asbest zum Einsatz. „Zum Befestigen der Innentür und um kleine Beschädigungen nach Einbringung der Tür oder des Fensters zu kaschieren, wurde Spachtelmasse verwendet, die gerne mal asbesthaltig war“, weiß der Experte. Auch in Heizungsnischen könne man dieses Gemisch finden.

Asbest kann auch in den ausgespachtelten Fugen an der Gipskarton-Decke, oder -Wand stecken, außerdem im Fußbodenbelag und im Estrich, etwa in sogenannten Magnesit-Estrichen, warnt Lars Kapal. Ebenso könne man etwa rund um Steckdosen, wo nachträglich etwas verspachtelt wurde, Asbest finden. „Asbest war ein vielfältiger und preiswerter Baustoff und kam daher so häufig zum Einsatz.“ Man finde ihn in vielen Ecken, wo man ihn gar nicht vermute. So könnten alte Dichtungen von Brandschutztüren Asbestschnüre enthalten oder sogenannte Brandschotts asbesthaltige Dichtungen und Klappen besitzen. In Dächern, Fassaden und auch Luftschächten wurden früher Platten aus Asbestzement verbaut. Auch Car-Ports wurden mit diesen Platten errichtet.

Der Verkäufer muss Käufer über Asbestbelastung aufzuklären

Asbestrohre wurden in den meisten Fällen als Fall- und als Abwasserrohre eingesetzt. Eine Schadstoff-Spezialistin, die namentlich nicht genannt werden möchte: „Beim Thema Asbest kennen sich manchmal auch Architekten bei der Sanierung von Häusern nicht richtig aus.“ Im Asbest-Labor am Sitz der Sachverständigengesellschaft Richardson an der Husemannstraße untersucht Lars Klapal mithilfe eines Raster-Elektronenmikroskops Proben auf ihre Asbestbelastung hin. Werde etwa ein Einfamilienhaus von ihm oder seinen Kolleginnen und Kollegen auf Asbest hin untersucht, kosteten die Probeentnahmen rund 2500 Euro. Das Unternehmen nimmt auch Raumluftmessungen vor, mit denen festgestellt werden kann, ob und in welcher Konzentration sich Asbestfasern in Räumen befinden.

Hier findet man weitere Infos und Ansprechpartner

Nach Angaben des Umweltbundesamtes (UBA) in Berlin wurde Asbest in Deutschland seit etwa 1930 in so großen Mengen wie kaum ein anderer Werkstoff verwendet. Der Asbestverbrauch in den Jahren 1950 bis 1985 habe deutschlandweit bei etwa 4,4 Millionen Tonnen gelegen. Asbest wurde zu über 3000 unterschiedlichen Produkten verarbeitet. Man findet ihn auch in alten Nachtspeicheröfen, früher in Bremsbelägen von Autos. Auch Elektrogeräte wurden einst mit Asbest isoliert - etwa Fernseher und Radios. Weitere Infos und Ansprechpartner zum Thema Asbest/Schadstoffe findet man bei folgenden Adressen:1) AGÖF. Dies ist ein Verband unabhängiger Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen in den Bereichen Schadstoffmessungen, Innenraumanalytik, Produktprüfung sowie umwelt- und gesundheitsverträglicher Gebäudekonzepte. (www.agoef.de)2) Gesamtverband Schadstoffsanierung e.V. - Der Fachverband für Sanierungsunternehmen, Gutachter, Prüflabore, Ingenieurbüros und Fachlieferanten (www.gesamtverband-schadstoff.de). 3) Das Umweltbundesamt (www.umweltbundesamt.de, Suchwort: Asbest) 4) die Verbraucherzentrale (www.verbraucherzentrale.de, Suchwort: Asbest)

Klapal: „Laut der neuen Gefahrstoffverordnung müssen Gebäudebesitzer Dritte über Schadstoffe in ihrem Gebäude aufklären. Das gilt natürlich vor allem für Handwerker, die Sanierungsarbeiten durchführen.“ Der Experte verweist auch auf ein Leitsatzurteil des Bundesgerichtshofs von 2009. Demnach ist der Verkäufer einer Immobilie verpflichtet, den Käufer über eine Asbestbelastung des Gebäudes aufzuklären. Wer ein Haus kaufe, solle den bisherigen Eigentümer nach einem Asbestgutachten fragen, rät der Schadstoff-Gutachter. Die Kosten hierfür könnten sich Käufer und Verkäufer teilen. „Sonst kann man bei Sanierungsarbeiten hinterher unter Umständen Überraschungen erleben, die teuer werden.“

Auch in Mineralwolle, mit denen Dächer gedämmt wurden, stecken gefährliche Fasern

Noch ein wichtiger Hinweis des Experten: Auch in alter Mineralwolle, also Dämmstoffen aus Glas- oder Steinwolle, die bis etwa 1995 hergestellt wurden und mit denen in den 80er und 90er Jahren oft Dächer gedämmt worden sind, könnten Fasern stecken, die als krebserregend gelten. Daher werden solche Mineralwollabfälle - wie Asbest - als gefährlicher Abfall eingestuft.