Hattingen/Witten. . Haus Kemnade war nie eine militärische Anlage, sondern Verwaltungssitz.Heinz Bruns ist der einzige echte Kemnader und kennt Gemäuer und Mythen.

Um ein Hattinger Denkmal in Bochumer Besitz, das im Laufe der Geschichte sogar die Ruhrseite wechselte, geht es in der heutigen Folge unserer Denkmalserie. Haus Kemnade, übrigens keine Burg und erst recht kein Schloss, obwohl oft als Wasserschloss bezeichnet, ist „ein steinernes Wohnhaus“, wie Pächter Heinz Bruns erklärt. Um das Haus, das ursprünglich ein Verwaltungssitz war, ranken sich einige Mythen. Viele davon gehören aber auch nur ins Reich der Geschichten.

„Es soll angeblich einen unterirdischen Gang zur Burg Blankenstein geben“, erinnert sich Bruns. „Als ich Kind war, befand sich im Boden eine große Steinplatte mit einem Steinring. Dort sollte der Einstieg sein.“ Bruns, heute wie einst seine Eltern Pächter der Gastronomie im Haus, ist der einzige echte Kemnader. „Ich bin hier geboren und aufgewachsen“, berichtet er. Dennoch, einen Geheimgang hat er in den vergangenen 54 Jahren nicht entdecken können.

„Wir haben auch keine Folterkammern“, beruhigt er lachend und ergänzt: „und keine Flure“. Denn tatsächlich grenzt in Haus Kemnade Zimmer an Zimmer – ein Durchgangshaus. „Hier kann man im Kreis laufen“, weiß Bruns. Wie viele Räume Haus Kemnade insgesamt hat, kann er übrigens nicht sagen. Allein im Bereich der Gastronomie, die Bruns betreibt, seien es zehn. Dazu kommen zahlreiche Zimmer des Museums, der Instrumentensammlung Grumbt, der geldgeschichtlichen Sammlung Schatzkammer.

Eine weitere Legende rankt sich um die vermeintlichen Kanonenkugeln, die im Mauerwerk stecken. „Kemnade wurde nie beschossen. Die wurden eingesetzt, um zu zeigen: ‘Unsere Wände sind so stark, dass nicht einmal Kugeln durchkommen’“, berichtet Denkmalpfleger Jürgen Uphues. Heinz Bruns hat nur ein müdes Lächeln für den Mythos übrig: „Das sind nicht mal richtige Kugeln. Das ist Stein“, sagt er.

Wassergraben droht auszutrochnen

Dass Haus Kemnade einst die Ruhrseite wechselte, ist in zahlreichen Quellen zu finden. Ursprünglich lag das Haus auf der Stiepeler Seite der Ruhr – bis die sich beim Hochwasser von 1486 ein neues Flussbett suchte.

Im Wasser steht das Gemäuer aber nicht aufgrund des Hochwassers – der Wassergraben gehört dazu. Vielmehr hat der Hausherr inzwischen damit zu kämpfen, dass der Graben trocken fällt. „Es gibt eine Undichtigkeit in der Sohle. Wasser geht verloren“, kritisiert Bruns. Ein großes Problem für das alte Gebäude. So musste, wenn der unterirdische Zulauf aus dem Bereich der Wiese nicht ausreichte, schon mehrfach die Feuerwehr mit einer kalten Dusche aushelfen.

Lebemann treibt das Haus in den Konkurs

Das Haus der Kamine, das ist Haus Kemnade. Denn Kemnade leitet sich her von Kemenate, einem beheizbaren Raum. Das feste Haus Kemnade am Ruhrufer wurde vermutlich Ende des 13. Jahrhunderts von der Familie von Dücker erbaut. Seine heutige Gestalt erhielt es aber erst im Laufe der folgenden Jahrhunderte in denen sich zahlreiche Bauherren an dem lippischen Lehnen verewigten.

Ein besonderer Einschnitt was das große Feuer am Ostertag des Jahres 1589 als das Haus bis auf die Grundmauern niederbrannte. 13 Jahre später beginnt Wennemar von Recke mit dem Wiederaufbau. Der 30-jährige Krieg und wirtschaftliche Not verzögern die Arbeiten.

Bis Johann Georg von Syberg, Schwiegersohn Wennemars und Drost des Landesherrn von der Mark, den Bau 1647 fortsetzt. „Weil das Amt in Blankenstein zu heruntergekommen war, ließ er es abreißen und aus dem Material den Turm von Kemnade bauen“, weiß Denkmalpfleger Jürgen Uphues.

In den Konkurs trieb Lebemann Johann Friedrich von Syberg das Haus im Jahr 1742. Für seinen Schuldenberg hatte er unrechtmäßig auch mit Lehensgütern gebürgt – wie Haus Kemnade. Die Zwangsversteigerung verhinderte aber Friedrich der Große gerade noch rechtzeitig,

Das Haus geht erst gut 100 Jahre später an die Familie Berswordt-Wallrabe. Bis das Gemäuer und die dazugehörigen Ländereien 1921 zum Zweck der Wassergewinnung an die Stadt Bochum verkauft werden. Die verhandelt 1999 über eine Privatisierung von Haus Kemnade – der „Wurstkönig“ Reinhold Zimmermann (Zimbo) ist interessiert. Nach massiven Protesten eine Bürgerinitiative, die tausende Unterschriften sammelt, entscheidet der Bochumer Rat gegen den Verkauf.