Witten. Die früheren Eisenwerke Böhmer in Witten haben keinen Investor gefunden. Nun wird das Insolvenzverfahren eröffnet. Gibt es noch etwas Hoffnung?

Ein Vierteljahr nach Anmeldung der Insolvenz hat sich bei den früheren Eisenwerken Böhmer noch kein Investor gefunden. Wie die Redaktion nach einer Informationsveranstaltung für die Belegschaft am Donnerstag erfuhr, wird das Insolvenzverfahren an diesem Freitag (1. April) nun endgültig eröffnet. Aber auch das muss noch nicht heißen, dass die Lichter für immer ausgehen.

Jedenfalls hat Insolvenzverwalter Markus Wischemeyer den verbliebenen rund 140 Beschäftigten nach Informationen der WAZ noch etwas Hoffnung gemacht. Damit Böhmer weiter liefern kann, sollen Kunden bereit sein, für eine gewisse Zeit höhere Preise zu zahlen – und somit die laufenden Verluste abzudecken. Denn erschwerend kommt jetzt hinzu, dass ab April kein Insolvenzgeld mehr von der Arbeitsagentur gezahlt wird, um die Löhne zu finanzieren.

Insolvenzverwalter in Witten: Investoren wegen explodierender Energiepreise abgesprungen

Der Insolvenzverwalter spricht von einer Eröffnung des Insolvenzverfahrens unter „Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs“. Er ist zuversichtlich, dass man so die nächsten Monate oder sogar bis Jahresende über die Runden kommt. „Durchaus möglich, dass sich dann noch ein Investor meldet“, wird der Jurist zitiert.

Vielversprechende Investorengespräche sind nach Darstellung des nun nicht mehr „vorläufigen“ Insolvenzverwalters letztlich am Ukraine-Krieg und den explodierenden Energiepreisen gescheitert. Da sich die Preise für Energie und Gas in der Zukunft noch verdoppeln oder verdreifachen könnten, sei kein Interessent bereit, eine Wette auf die Zukunft abzuschließen. „An uns liegt es nicht“, soll der Insolvenzverwalter gesagt haben.

Erhöhte Nachfrage nach Gießereiprodukten durch Ukraine-Krieg möglich

Zu Beginn nur „vorläufiges Insolvenzverfahren“

Der Zeitraum zwischen Antragstellung und Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird als Insolvenzeröffnungsverfahren oder auch vorläufiges Insolvenzverfahren bezeichnet und dient der Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vorliegen (Wikipedia).

In der Praxis beträgt dieser Zeitraum häufig drei Monate aufgrund des Zusammenspiels mit der Vorfinanzierung des sogenannten Insolvenzausfallgelds. Böhmer hatte im Dezember Insolvenz angemeldet, bereits zum zweiten Mal in der Firmengeschichte. Die früheren Eisenwerke stellen unter anderem Kranlaufräder, Radsätze und Seilrollen her.

Gleichzeitig könnten die Folgen des Kriegs dem angeschlagenen Unternehmen an der Annenstraße neue Chancen eröffnen, wie es heißt. Denn die Stahlgießereien in Russland fallen als Konkurrenz derzeit quasi aus. Was eine höhere Nachfrage in Deutschland bedeuten könnte – und dass Kunden durchaus auf die Produkte aus Witten angewiesen sind, weil diese gar nicht so schnell woanders zu bekommen wären.

Ab Freitag werde es für beide Böhmer-Gesellschaften weitergehen, kündigte der Insolvenzverwalter an. Gemeint sind die Gusstechnik und Technical Solutions (Zerspanung). „Wir müssen auf Sicht fahren“, wird der neue verantwortliche Unternehmenslenker zitiert.

Wittener Insolvenzverwalter kündigt einige wenige „Freistellungen“ an

Gleichzeitig hat er „einige wenige Freistellungen“ angekündigt. Die Mehrzahl der Beschäftigten müsse derzeit aber nicht befürchten, freigestellt oder gekündigt zu werden. „Kündigungen werden im Moment nicht ausgesprochen.“ Ebenfalls wurde den Beschäftigten zugesichert: „Jeder, der hier arbeitet, bekommt sein Geld.“

Die Familie Böhmer hatte schon Ende letzten Jahres nach Anmeldung der Insolvenz erklärt, sich nach über 100 Jahren aus dem Unternehmen zurückziehen zu wollen. Das Sagen an der Annenstraße hat nun endgültig der Insolvenzverwalter. Den Beschäftigten, die weiter produzieren, soll sogar ein Monatslohn als Prämie in Aussicht gestellt worden sein.