Witten. Das Schiller-Gymnasium in Witten bekommt für Kinder aus dem ganzen EN-Kreis eine zusätzliche Oberstufe, die 2026 Abitur macht. Der Grund: G8.

Die Umstellung der Gymnasien vom Abitur nach acht auf das Abi nach neun Jahren hat eine Schattenseite: Wer aus dem letzten G8-Jahrgang in der Oberstufe sitzenbleibt, muss sein Gymnasium verlassen – denn es fehlt ein Jahrgang. Das Schulministerium möchte diese Kinder in „Bündelungsgymnasien“ unterrichten. Für den nördlichen EN-Kreis wurde dabei das Schiller-Gymnasium in Witten auserkoren. Es darf für die Jahre 2023 bis 2026 eine zusätzliche Oberstufe bilden und Jugendliche aus Witten, Hattingen, Wetter oder Herdecke aufnehmen.

Die Sachlage ist fast so kompliziert wie eine Abiturklausur: Zum Schuljahr 2019/20 kehrte NRW zurück zum G9-System. Der letzte G8-Jahrgang sind die aktuellen Neuntklässler. Sie kommen im Sommer in die Oberstufe und machen 2025 Abitur. 2026 wird es keine Abiturienten an den Gymnasien geben, der erste G9-Jahrgang folgt erst 2027. Das Problem: Bei G9 zählt die zehnte Klasse zur Mittelstufe. Das Schulrecht in NRW verbietet es aber, von der Ober- in die Mittelstufe zu wechseln. Wer aus dem letzten G8-Jahrgang sitzenbleibt, wird gezwungen, das eigene Gymnasium zu verlassen.

Ministerium benennt zwei Schulen – in Witten und Ennepetal

Der Schulleiter des Schiller-Gymnasiums in Witten: Dieter Nientiedt.
Der Schulleiter des Schiller-Gymnasiums in Witten: Dieter Nientiedt. © FUNKE Foto Services | Barbara Zabka

Im „luftleeren Raum“ schweben auch Realschüler, die mit guten Leistungen aufs Gymnasium wechseln konnten. Sie oder die Sitzenbleiber könnten im Sommer 2023 nur auf Gesamtschulen oder ans Berufskolleg wechseln, wo das Abitur weiterhin nach neun Jahren angeboten wird. Diesem Dilemma wirkt das NRW-Schulministerium mit den Bündelungsgymnasien entgegen. Genau zwei Schulen für den EN-Kreis wurden benannt: das Schiller-Gymnasium in Witten und das Reichenbach-Gymnasium in Ennepetal.

„Das wird mit Sicherheit eine sehr kleine Stufe“, schätzt Schiller-Schulleiter Dieter Nientiedt. Besonders schwierig werde es, mit wenigen Schülern eine Auswahl an Kursen zusammenzubekommen. Die zuständige Bezirksregierung Arnsberg traut dem Gymnasium aber offenbar zu, eine der landesweit 80 Bündelungsschulen zu werden.

Schiller-Gymnasium hat genug Raumkapazitäten

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Denn zum einen hat Witten als größte Stadt des EN-Kreises einfach die meisten Schüler. Das Schiller-Gymnasium hat die Raumkapazitäten für den zusätzlichen Jahrgang. „Wir waren bis 2012 schließlich G9-Schule“, sagt Dieter Nientiedt. Größter Pluspunkt für Witten sei die Kooperation unter den drei Gymnasien. Rein formal wird der zusätzliche Jahrgang zwar am Schiller-Gymnasium angesiedelt, praktisch können Ruhr- und Albert-Martmöller-Gymnasium aber Lehrkräfte stellen und in ihren Schulen unterrichten.

Städte machten Vorschläge

Die Wahl des jeweiligen Bündelgymnasiums haben die Städte und die Bezirksregierungen getroffen. „Das Ministerium für Schule und Bildung war am Auswahlprozess nicht beteiligt“, heißt es auf unsere Anfrage.

Dabei haben die Schulträger – also die jeweiligen Städte – den Bezirksregierungen Schulen vorgeschlagen. Mögliche Kriterien waren hierbei die Größe/Kapazität und die Erreichbarkeit/Verkehrsanbindung. Für den EN-Kreis hat die Bezirksregierung Arnsberg die Vorschläge geprüft. Schiller-Schulleiter Dieter Nientiedt hat frühzeitig signalisiert: „Wir kriegen das hin.“

Für Wittener Jugendliche ist die Bündelungsschule eine gute Lösung, anders sieht es für Schüler aus den Nachbarstädten aus. Für Jugendliche aus Hattingen, Wetter oder Herdecke wird es kein Gymnasialangebot in ihrer Heimatstadt geben, sie müssen pendeln. Hält Nientiedt das System für eine glückliche Lösung? „Keine Schule allein kann sechs oder acht Kinder einer Jahrgangsstufe beschulen. Ich sehe keine Alternative“, sagt er. „Das bringt der Wechsel von G8 auf G9 mit sich und da müssen wir durch.“ Das Schiller-Gymnasium zumindest wird etwas Besonderes schaffen: Als einziges Gymnasium in der Umgebung kann es 2026 einen Abi-Jahrgang stellen.