Witten. Weniger Wiederholer, weniger Nachprüfungen: Das ist die Bilanz am Wittener Schiller-Gymnasium. Das hat nicht nur mit Rücksicht der Lehrer zu tun.

Um Wohlwollen bei der Notenvergabe haben Bildungsexperten die Lehrer nach diesem verkorksten Schuljahr gebeten. Am Freitag (2.7.) gibt es Zeugnisse, dann wird sich zeigen, ob der Wunsch erfüllt wurde. In Witten scheint es so zu sein. „In der Tendenz haben wir weniger Wiederholer und weniger Nachprüfungen“, sagt Dieter Nientiedt, Schulleiter des Schiller-Gymnasiums. Die Lehrer hätten darauf Rücksicht genommen, dass die Schüler unter besonderen Umständen gelernt hätten – und das gelte sicher nicht nur für seine Schule.

Schulsozialarbeiterin Katharina Obmann-Gaidies vom Wittener Schiller-Gymnasium rät Eltern, auch auf die guten Noten der Schüler zu schauen.
Schulsozialarbeiterin Katharina Obmann-Gaidies vom Wittener Schiller-Gymnasium rät Eltern, auch auf die guten Noten der Schüler zu schauen. © FUNKE Foto Services | Barbara Zabka

Aber was, wenn das Zeugnis trotzdem mies ausgefallen ist? Nientiedt rät den Eltern dazu, „den Ball flach zu halten“. Die Kinder hätten derzeit andere Probleme als die, die sich in den Noten widerspiegeln. Die wochenlange Isolation sei für viele sehr belastend gewesen. „Da sollte man jetzt wirklich nicht mit spitzem Bleistift ans Zeugnis gehen“, so der Schulleiter. Sondern das Kind besser einfach nur trösten.

Lockdown hat Kindern in Witten schwer zu schaffen gemacht

Denn es sei noch gar nicht zu ermessen, was die langen Wochen der Kontaktarmut mit den Kindern gemacht hätten – zumal der Stresspegel in einigen Familien im Lockdown sicher hoch gewesen sei. In den Köpfen und Seelen der Kinder sei in dieser Zeit einiges passiert, vermutet Nientiedt. „Und wenn ich jetzt sehe, dass ein Schüler wegen einer schlechten Note körperlich zusammenbricht und keine Luft mehr bekommt, dann frage ich mich, was da hinter den Kulissen alles passiert ist. Das kriegen wir in der Schule ja gar nicht mit.“

Die Zeugnistelefone

Die Bezirksregierung Arnsberg schaltet wieder ein Zeugnistelefon. Unter der Zeugnis-Telefonnummer 02931/82-3388 stehen den Schülern der weiterführenden Schulen sowie deren Eltern Ansprechpartner zur Verfügung.Das Zeugnistelefon ist am Montag/Dienstag (5./6.7.), jeweils von 9 bis 15 Uhr sowie am Mittwoch (7.7.) von 9 bis 13 Uhr zu erreichen. Außerhalb dieser Zeit besteht die Möglichkeit, sich mit Fragen an die zentrale Rufnummer 02931/82-0 zu wenden.Außerdem ist die Telefonberatung des Vereins „Nummer gegen Kummer“ bundesweit unter der gebührenfreien Nummer 116 111 für Kinder und Jugendliche erreichbar, mo-sa 14-20 Uhr. Das Elterntelefon hat die Nummer 0800 1110550, mo-fr 9-17, di + do bis 19 Uhr.

Auch Schulsozialarbeiterin Katharina Obmann-Gaidies, die seit Dezember 2020 am Schiller-Gymnasium arbeitet, erlebt in ihrer Arbeit, dass die Pandemie etwas mit dem Kindern gemacht hat. „Manche haben Probleme damit, wieder in großen Gruppen zu sein oder sogar Schwierigkeiten, in den Schulbus zu steigen“, sagt sie. In dieser Situation seien Zeugnisse nicht das Wichtigste. „Das Wichtigste ist, wieder ein gutes Miteinander zu finden.“

Eltern sollten lieber auf die guten Noten schauen

Statt über schlechte Noten zu schimpfen, sollten Eltern und Schüler lieber auf die guten schauen. „Schließlich haben die Schülerinnen und Schüler in diesem Jahr einiges geleistet“, so die Sozialarbeiterin. So manches mussten sie im Distanzunterricht alleine schaffen, ohne die Hilfe der Klasse, viele auch ohne die Hilfe der Eltern. „Und sie haben das super gelöst!“

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Auch der Schulleiter ist überzeugt: Die Gemeinschaft ist zwar zu kurz gekommen in diesem Schuljahr, die Leistung der Schüler aber nicht. „Sie haben andere Kompetenzen erworben, die ihnen später sicher von Vorteil sein werden.“ Auch das Abitur habe in diesem Jahr kein Defizit, betont Nientiedt. Viel mehr als andere Jahrgänge hätten die Abiturienten lernen müssen, selbstständig zu arbeiten, sich neue Methoden anzueignen. Das hätten sie mit großen Durchhaltevermögen getan. „Das verdient große Anerkennung und unseren Respekt.“ Und mancher habe von der neuen Form des Lernens durchaus sogar profitieren können.

Das Miteinander soll wieder gestärkt werden

Dennoch seien in diesem Corona-Schuljahr natürlich auch Lücken entstanden, habe der Lehrplan nicht immer abgearbeitet werden können. „Im nächsten Jahr werden wir uns deutlich um diese Rückstände kümmern müssen“, so der Schiller-Schulleiter. Anders als von manchen befürchtet, sei er aber optimistisch, dass es gelingen wird, die Lücken zu füllen. Und nicht nur die aus dem Lehrplan. Arbeitsgemeinschaften, Wandertage, Klassenfahrten: „Wir werden das Miteinander außerhalb des Unterrichts stärken.“