Witten. Wenn Anita (Name geändert) aus Witten auf das alte Jahr zurückblickt, bleibt ihr eins in Erinnerung: ihre Corona-Erkrankung mitten im Skiurlaub.
Was hatten sich ihr Mann und sie auf diesen Skiurlaub gefreut: endlich mal außerhalb der Ferien reisen und dann noch Traumwetter in den österreichischen Alpen – „die Welt hat uns beneidet“, sagt Anita (Name geändert). Da ahnte sie noch nicht, dass sie sich mit Corona infizieren und erkranken würde. Ein Erlebnis, das ihr Jahr 2021 maßgeblich geprägt hat.
Wenn die Wittenerin heute auf diese Wochen im November zurückblickt, empfindet sie vor allem Dankbarkeit. Sie ist froh, dass sie die Krankheit, die sie heftig mitnahm, überstanden hat, ebenso wie ihr Mann, dass sie nicht ins Krankenhaus mussten, dass sie wieder daheim in Witten sind. Was sie sich für das neue Jahr wünscht? „Etwas Beruhigung und Frieden“, sagt Anita.
Wittenerin verlässt früher als sonst die Skipiste
Sie ist ein alter Hase auf der Skipiste und wunderte sich, dass irgendwas anders war als sonst. „Ich fühlte mich von Anfang an komisch“, sagt die 68-Jährige. Ob der Skilehrer sie foppen wollte oder wirklich so dachte, jedenfalls führte er ihre Kurzatmigkeit auf das Alter zurück. „Ich dachte noch, was hat der denn mit meinen Alter“, erinnert sich Anita.
Sie fühlte sich schlapp, hatte Magenschmerzen, verließ schon um drei die Piste, was sie sonst nie gemacht hatte. „Ich dachte, haste ne Grippe.“ Da verschwendete sie noch keinen Gedanken an Corona, „weil ich mich doch immer an alles gehalten habe“. Sie war doppelt geimpft, hatte weder ihre Kinder noch Enkel umarmt, und war nach eigenen Worten nur im Supermarkt, „vorsichtiger, als die Polizei erlaubt“.
Im Hotel auf der Hinreise dachte Anita: „Hoffentlich kommen wir hier heil raus“
Dann kam Österreich, vorher hat das Ehepaar noch einen kurzen Abstecher in ein beliebtes Feriengebiet in Bayern gemacht. Dort beschlich Anita erstmals ein komisches Gefühl. „Alle saßen im Hotel ganz eng beieinander. Ich habe noch zu meinem Mann gesagt: Hoffentlich kommen wir hier heil raus.“ Was sie da nicht gewusst hat: Im Berchtesgadener Land waren die Inzidenzzahlen schon in Rekordhöhe geschossen. Auch im Salzburger Land war die Situation nicht viel besser.
Anita ist kein Typ, der die Schuld auf andere schiebt, jeder sei für sich selbst verantwortlich, sagt sie. Und dass sie „nie wieder so unbedarft“ in Urlaub fahren würde. Und trotzdem wundert sie sich darüber, wie „lax“ an ihrem Skiort in Tirol mit den Corona-Regeln umgegangen worden sei. „Am Lift herrschte Gedränge, die Gondeln waren viel zu voll. In den Lokalen gab es keine Abstände und der Kellner wollte nicht mal meinen Impfpass sehen.“ Was sie auch erst hinterher erfahren habe: Der Wirt ihrer Lieblingshütte sei Impfgegner gewesen..
Wittenerin wundert sich über Leichtsinn nach Ischgl
Anita wundert sich, dass so etwas nach Ischgl noch möglich war, jenem Skiort, wo sich zu Beginn der Pandemie Tausende angesteckt hatten. Wo sich die Wittenerin das Virus eingefangen hat, bleibt unklar. Es kann auf der Hinreise passiert sein und vielleicht sogar schon in Witten, „wo sich fast alle vorbildlich an die Regeln halten“. Natürlich kann es auch am Skiort selbst geschehen sein. Da dort aber relativ schnell die ersten Symptome auftraten, spricht derzeit mehr für die Annahme, es könnte schon vorher passiert sein. Die Frage „wann und wo“ – nun, im Nachhinein, ohnehin müßig.
Anita ist noch die ganze Woche Ski gelaufen, obwohl es ihr nicht wirklich gut ging. Wenn sie den Helm abnahm, hatte sie klitschnasse Haare, das Wasser lief ihr aus der Nase, nachts schlief sie schlecht. „Als ich dann am Freitag nichts mehr geschmeckt habe, war mir klar: Du hast Corona.“ Die Selbsttests schlugen positiv an und das Ehepaar reiste kurz vorm Lockdown sofort ab. „Ich konnte nicht mehr, es war ganz schlimm“, sagt Anita.
Ihr Mann erkrankte wenige Tage später
Ihr Mann erkrankte wenige Tage später, als sie längst zuhause in Quarantäne saßen. „Man ist so geschwächt, als ob einem jemand den Saft aus dem Rücken zieht“, sagt die Endsechzigerin. „Man ist schlapp, fühlt sich übel, hat keinen Geschmack. Ich kann es gar nicht beschreiben.“ Eine Woche, sagt sie, sei es zuhause „richtig heftig“ gewesen. Beeindruckt hat sie die Hilfsbereitschaft vieler Menschen in dieser Zeit. Nachbarn kauften ein, Freunde riefen an. „Die Solidarität in Witten ist ganz toll.“
Jetzt will sich Anita erst mal wieder in Form bringen. Und eines hat sie sich geschworen: „Das nächste Mal fahre ich nach Frankreich. Da steht die Polizei sogar vor den Lokalen.“