Witten. Corona und dann noch die plötzliche Trennung von der neuen Geschäftsführerin: Es hat schon bessere Jahre für die Wabe in Witten gegeben. Und nun?
Stadtkämmerer Matthias Kleinschmidt hat sich die ruhige Zeit zwischen den Jahren mehr als verdient. Der Mann, der ja schon in seinem Hauptberuf nicht unter Langeweile leidet, musste in diesem Jahr zwei unerwartete Aufgaben übernehmen. Nach dem Hackerangriff war er als IT-Dezernent plötzlich für akute Krisenbewältigung zuständig, was aber auch in seine Zuständigkeit für die Feuerwehr passt. Dass er zum Jahresende allerdings auch noch Interims-Geschäftsführer der Wabe werden würde, hätte er sich nicht träumen lassen. „Und das ist mehr als ein Routinejob“, stellt er gegenüber der WAZ fest.
Kurze Rückblende: Die erst im Oktober 2020 neu berufene Wabe-Geschäftsführerin Melanie Purps aus Hagen musste kurz vor Weihnachten ihren Hut nehmen – aus Gründen, die wegen des Persönlichkeitsschutzes nicht an die Öffentlichkeit dringen sollen. Kämmerer Matthias Kleinschmidt sprang in die Bresche, weil die Stadt mit über 50 Prozent die meisten Anteile an der gemeinnützigen „Wittener Gesellschaft für Arbeit und Beschäftigungsförderung“ hält.
Pandemie sorgt für deutlich weniger Einnahmen, auch in der Wittener Ruhrtal-Gastronomie
Der Verein, der Langzeitarbeitslose beschäftigt und möglichst für den ersten Arbeitsmarkt qualifizieren will, leidet vor allem unter der Pandemie, teilweise auch geänderten Förderbedingungen. Fast alle Servicebereiche sind betroffen – allen voran die Ruhrtal-Gastronomie im Zollhaus und Schleusenwärterhaus. Die Möbelbörse hat ebenfalls deutlich weniger Umsatz gemacht.
Die Wabe ist längst ein mittelständiges Unternehmen mit Millionen-Etat. Es bekommt seine Beschäftigungsmaßnahmen zwar aus unterschiedlichen Töpfen wie dem europäischen Sozialfonds gefördert. Aber der eigentliche Betrieb finanziert sich selbst, nicht zuletzt mit den Einnahmen aus den verschiedenen Service-Sparten, zu denen auch Radstation und Gartenbau gehören. Wegen Corona musste 2020 und 2021 teilweise kräftig zugebuttert werden.
Wabe in Witten musste an ihre Rücklagen gehen
Was alles zur Wabe gehört
Die Wittener Gesellschaft für Arbeit und Beschäftigungsförderung (Wabe) will langzeitarbeitslose Menschen in Arbeitsprozesse integrieren. Dafür qualifiziert sie Jugendliche und Erwachsene. Die gemeinnützige GmbH betreibt Radstationen am Hauptbahnhof und im Ruhrtal, sie stellt die Ruhrtal-Ranger, unterhält die Gastronomie an Schleusenwärterhäuschen und Zollhaus, hat eine Möbelbörse („Walze“) und einen eigenen Garten- und Landschaftsbaubetrieb – und sie steuert die Ruhrtalfähre „Hardenstein“. Auch das Lokal „Fritz“ und das Radcafé in der Augustastraße gehören zum Verein.Der Gesamtumsatz sank 2020 um rund 17 Prozent (460.000 Euro) auf 2,2 Millionen Euro. Es gab einen Jahresfehlbetrag von 207.000 Euro, bei einem Bilanzgewinn von 855.000 Euro. Die Förderungen machten einen Anteil von 1,04 Millionen Euro aus, „Umsatzerlöse aus Auftragsarbeiten“ 1,07 Millionen. Die Erlöse im Servicebereich gingen fast um die Hälfte zurück. Die Fährerlöse blieben trotz hoher Standzeiten konstant, bei den Radstationen stiegen sie um 18,6 Prozent. Die Liquidität der Wabe sank 2020 von 810.000 Euro auf 625.000 Euro, gilt aber noch als stabil. Der Jahresabschluss für 2021 liegt noch nicht öffentlich vor.
Die Wabe ging an ihre Rücklagen und damit an ihre Liquidität. Kleinschmidt spricht von 500.000 Euro für 2020 und für 2021. „Die Wabe hatte ein ganz gutes Polster. Das ist massiv abgeschmolzen“, sagt der Mittfünfziger. „Sie stand aber in keiner Sekunde vor der Zahlungsunfähigkeit.“ Die Stadt hat ihre Zuschüsse in dieser Zeit auf 750.000 Euro erhöht. Das ließ sich im städtischen Haushalt aufgrund des Corona-Isolationsgesetzes ganz gut abbilden. Hier erfolgt die Abschreibung in den nächsten 50 Jahren.
Die finanziell schwierige Situation habe aber nichts mit der jetzigen Trennung von der Geschäftsführerin Melanie Purps zu tun, versichert Kleinschmidt. Hier habe es keinerlei Unregelmäßigkeiten geben. „Die Abläufe waren in Ordnung, nach allem, was man jetzt weiß.“ Der Rat hatte den Jahresabschluss Anfang Dezember gebilligt. Kleinschmidt: „Es gibt nichts, was die Existenz der Wabe gefährdet.“
Wirtschaftsplan für 2022 sieht eine schwarze Null vor
Es sei ja nicht voraussehbar gewesen, „dass die Überschüsse so massiv wegschmelzen“, sagt der städtische Beigeordnete. Die Stadt musste einspringen, damit das Schiff nicht in noch schwierigeres Fahrwasser gerät. Kleinschmidt: „Sonst würden wir jetzt auch 2022 schlecht bestehen. Denn auch das wird noch kein Normaljahr.“ So gesehen ist der Wirtschaftsplan für das nächste Jahr durchaus sportlich, sieht er doch eine schwarze Null vor.
Der Interims-Geschäftsführer stellt das Modell der Wabe trotz der erschwerten Rahmenbedingungen aber nicht in Frage. „Es macht keinen Sinn, einzelne Bereiche abzustoßen, weil sie mal zwei Jahre kein Geld verdient haben. Grundsätzlich hat das ja super funktioniert.“ Das Unternehmen sei wirtschaftlich tragfähig und das habe er auch den Mitarbeitenden gesagt. Kleinschmidt: „Es besteht keine Gefahr für die einzelnen Bereiche.“ Gleichzeitig sei es „keine Frage, dass wir die wirtschaftlichen Dinge in Ordnung bringen müssen“. Im Januar werde man sich mit den Gesellschaftern zusammensetzen.
Neue Wabe-Geschäftsführung wird ausgeschrieben
Der Dezernent ist froh, dass es bei der Wabe „zum Glück viele gute und qualifizierte Leute gibt“, die sich gerade in der Förderlandschaft auskennen. Denn auch hier gibt es Veränderungen. Die Stelle einer neuen Geschäftsführung wird ausgeschrieben. Denn so viel steht für den hauptberuflichen Kämmerer fest: Er will seinen Interims-Job so schnell wie möglich wieder loswerden.