Witten. Mit Fotos von Witten-Bommern durch das neue Jahr: Ein Kalender für 2022 erzählt auch Geschichten aus längst vergangenen Zeiten.
Geschichtsträchtige Häuser, wertvolle Bäume, Industrie-Relikte – der Jahreskalender 2022 des Heimat- und Geschichtsvereins Bommern stellt Denkmäler im Stadtteil vor.
Zu sehen sind nicht nur aktuelle, sondern auch historische Bilder. Klaus Wiegand erklärt in ausführlichen Texten auf jedem Monatsblatt, warum das Gezeigte für ein Stück Bommeraner Geschichte steht. Ein Kalender für Menschen, die sich für Heimatgeschichte interessieren.
Der Kalender sorgt für Aha-Effekte, auch bei eingefleischten Wittenern. Wer weiß schon, dass am Bodenborn neben der dortigen Tankstelle eine prächtige Villa mit einem parkähnlichen Vorgarten steht. Denn das historische Anwesen ist von der Straße aus nicht einsehbar. Das Haus (Kalenderblatt April) wurde 1856 vom Landwirt und Kleinzechen-Betreiber Georg Rüping erbaut, sagt Klaus Wiegand, Vorsitzender des Heimat- und Geschichtsvereins Bommern. „1912 hat Friedrich Otto das prächtige Anwesen gekauft.“ Der Wahl-Bommeraner war ein Sohn des Gründers des Bochumer Unternehmens Dr. C. Otto. „Die Firma war weltweit führend im Koksofenbau und bei der Erstellung von Feuerfestprodukten.“ Fritz Otto, ein Enkel des Firmengründers Carlos Otto, wohnte bis zu seinem Tod 2016 in der Villa am Bodenborn. Zu deren Vorgarten gehört ein mächtiger Mammutbaum - auch ein Denkmal, das das Kalenderblatt im Mai schmückt.
Ein gelernter Tischler und seine Frau kauften den früheren „Friggen Kotten“
Die Idee zu diesem ungewöhnlichen Jahreskalender, für den sie die Fotos lieferte, hatte Sabine Laschat. Die Erzieherin im Ruhestand ist eine leidenschaftliche Hobbyfotografin. Die Bommeranerin hat auch zwei Trafostationen fotografiert - an der Ecke Elberfelder Straße/Wengernstraße und an der Alte Straße gegenüber der Einmündung Am Tiemen. Beide stehen unter Denkmalschutz und zeugen von der Zeit, als noch eine Straßenbahn von Langendreer über Witten nach Bommern fuhr. Eine Verbindung, die es seit 1899 gab, schreibt Klaus Wiegand im erklärenden Text. Bergleute aus Bommern hätten einst mit der Bahn ihre Arbeitsplätze in Langendreer und auch Bochum-Werne erreicht.
Auch der „Friggen Kotten“ ist mit einem historischen Foto im Kalender zu sehen. Das 1750 erbaute Fachwerkhaus steht unter Denkmalschutz. 2017 kauften der gelernte Tischler Manuel Fischer und seine Frau Melanie das historische Gebäude, das der zweifache Vater in Absprache mit der Denkmalschutzbehörde für seine Familie restauriert. Ein Schmuckstück für die Alte Straße, in der mehrere historische Fachwerkhäuser stehen - darunter auch der „Nevelingsche Hof“ aus der Mitte des 18. Jahrhunderts - ebenfalls ein Kalendermotiv.
Das Eisenbahnviadukt wurde mit Kriegsgefangenen gebaut
Auch ein Wittener Wahrzeichen, das Eisenbahnviadukt, das das Ruhrtal überspannt, fand Eingang in den Kalender. Die Eisenbahnbrücke wurde zwischen 1913 und 1916 gebaut. „Die Fertigstellung während des Ersten Weltkrieges wurde nur durch den Einsatz von russischen Kriegsgefangenen möglich“, sagt Klaus Wiegand. Die Menschen seien in einem Gefangenenlager östlich des Weges „Am Goltenbusch“ untergebracht gewesen. Die Betonbögen wurden von italienischen Bauarbeitern mit Ruhrsandstein verkleidet. Wiegand: „Dabei ist ein Arbeiter tödlich verunglückt.“
Dass es im Muttental einmal eine Pferde-Eisenbahn auf eisernen Schienen gab, daran erinnert das November-Kalenderblatt. Hauptinitiatoren für den Bau der historischen Muttentalbahn, mit der von 1829 bis 1851 Kohle aus dem Tal transportiert wurde, waren der Besitzer des Rittersitzes Haus Steinhausen, Ludwig von Elverfeldt (1794-1873), und der Wittener Industrielle Carl Ludwig Berger (1794-1871).
Kalender ist in zwei Buchhandlungen erhältlich
Den Kalender für 2022 „Denkmale in Witten“ des Heimat- und Geschichtsvereins Bommern gibt es im DIN A4- und im DIN A3-Format. Der kleinere Kalender kostet 6,50 Euro, der größere 9,50 Euro. Erhältlich sind beide in der Bommeraner Buchhandlung SCM-Shop (Bodenborn 43) und in der Buchhandlung Lehmkul (Markstr. 5).
Der Heimat- und Geschichtsverein Bommern, 1984 gegründet, hat über 250 Mitglieder. Er betreut auch ein Archiv mit umfangreichen historischen Schriftstücken, Fotos, Bildern, Karten und Fahnen vornehmlich des 19. und 20. Jahrhunderts.
Historiker Wiegand: „Die Bahnstrecke führte von den Stollenzechen im Muttental über fünf Kilometer bis zu den Umladeplätzen in Bommerholz.“ Dort wurde die Kohle früher zum Weitertransport auf Pferdefuhrwerke verladen. Bommern anno dazumal.