Witten. Die Fischers leben in Witten-Bommern in einem Fachwerkhaus von 1750. Wie Manuel Fischer das Denkmal bewohnbar machte, für das er Hausmann wurde.
Wer sich ein altes Haus kauft, benötigt entweder viel Geld oder sollte Handwerker sein. Manuel Fischer ist Tischler, einer, der die Ärmel hochkrempeln kann, einer, der sich vor keiner Arbeit scheut: Zusammen mit seiner Frau Melanie hat er sich in der Alte Straße in Bommern ein Fachwerkhaus aus dem Jahr 1750 gekauft. Alleine, nur in Absprache mit der Denkmalschutzbehörde, hat der zweifache Vater sein Traumhaus, das seit 1988 unter Denkmalschutz steht, restauriert. Ein mehrjähriges Projekt, das immer noch nicht ganz abgeschlossen ist.
Manuel Fischer und seine Frau Melanie kauften 2017 das Gebäude an der Alte Straße 25 von einem Wittener Architekten. In ihrer Straße stehen gleich mehrere denkmalgeschützte Gebäude aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Das Haus der Fischers wurde bis zum Jahr 2000 bewohnt und vermutlich in den 1920er Jahren das letzte Mal grundlegend renoviert.
Schimmel und Feuchtigkeit hatten ihm zugesetzt. Manuel Fischer ist, um Zeit für die umfangreichen Restaurierungsarbeiten zu haben, Hausmann geworden. „Hätten andere Handwerker die Arbeiten übernommen, wäre das alles für uns finanziell unerschwinglich gewesen.“ Melanie Fischer verdient das Geld für die Familie als Tontechnikerin beim Deutschlandfunk in Köln.
Früherer Denkmalschützer der Stadt Witten: „Es darf nichts kaputt gemacht werden, was noch heile ist.“
Eine der Vorgaben von Wittens früherem Denkmalschützer Udo Wagner für die Restaurierung des Fachwerkhauses lautete: „Es darf nichts kaputt gemacht werden, was noch heile ist.“ Die verfaulten Holzrahmen der Fenster aus den 1970er Jahren durften erneuert, aber nicht durch moderne Kunststoffrahmen, sondern nur durch Holzrahmen ersetzt werden. In der ersten Etage ihres Fachwerkhauses haben die Fischers die Kinderzimmer eingerichtet - und ihr Bad. „Es gab vorher nur Waschbecken mit kaltem Wasser“, erzählt Melanie Fischer.
Auch eine Zentralheizung gab’s nicht. „In jedem Zimmer standen Kohleöfen.“ Fischers heizen heute mit Holzpellets. Die Wände hat der Tischler von dicken Tapetenschichten befreit und danach mit Lehmfarbe in erdigen Tönen gestrichen. Seine Frau, die im Schichtdienst arbeitet, hat ihm, wenn sie Zeit hatte, dabei geholfen.
Auch die Eltern von Melanie Fischer packten mit an. Die Eheleute hätten gerne Wände zwischen den Zimmern entfernt. Da war jedoch der Denkmalschutz vor. „Die Originalräume mussten erhalten bleiben.“ In drei Monaten hat Manuel Fischer den Kamin des Fachwerkhauses neu aufgemauert. „Der hatte massive Risse. Der Schornsteinfeger hat den neuen Kamin abgenommen.“
Bommeraner kennen das Haus unter den Namen „Kotten Münstermann“, „Friggen Kotten“ und „Fachwerkhof“.
Im ganzen Haus hat der Tischler neue elektrische Leitungen verlegt, „die dann ein Elektriker angeschlossen hat“. Im August 2018 war das Fachwerkhaus an der Alte Straße soweit hergestellt, dass die Fischers mit beiden Kindern einziehen konnten.
Rund 60 Fachwerkhäuser unter Denkmalschutz
In Witten gibt es etwa 60 Fachwerkhäuser, die unter Denkmalschutz stehen, heißt es vom städtischen Denkmalschützer Magnus Terbahl. Eine zeitliche Einordnung der Gebäude sei manchmal schwierig, „da die Häuser teilweise nicht exakt datiert sind oder verschiedene Bauphasen aufweisen“. Nach Einschätzung Terbahls stammen rund 36 denkmalgeschützte Fachwerkhäuser in der Stadt aus dem 18. Jahrhundert, etwa 17 aus dem 19. und vier Gebäude aus dem 17. Jahrhundert.
Ein Fachwerkensemble mit Gebäuden vorwiegend aus dem 18. Jahrhundert sei die Bebauung im Bereich der evangelischen Kirche an der Herbeder Kirchstraße. Gebe es bei Häusern keine Giebelinschrift mit einer Jahreszahl, sei eine genaue Datierung der Bauzeit oft nur über eine bauhistorische Untersuchung möglich. Denkmalschützer Terbahl: „Gerade bei Objekten, die am Übergang zweier Jahrhunderte entstanden sind, konnten bislang teilweise nur Einschätzungen auf Grundlage historischer Flurkarten und baukonstruktiver Details erfolgen.“
Bommeraner kennen ihr Haus unter den Namen „Kotten Münstermann“, „Friggen Kotten“ und „Fachwerkhof“. In einem Giebelbalken entdeckte Manuel Fischer während seiner Restaurierungsarbeiten die Jahreszahl 1750. Eine hölzerne Tafel an der Front des Hauses zur Straße hin nennt die Eheleute Henrich Wilhelm Voeste und Anna Catarina Münstermann als Eigentümer.
Es gab einst einen kleineren Vorgängerbau. Durch An- und Umbauten wuchs der frühere Kotten zu einem stattlichen Gebäude mit Bruchsteinanbau heran. Letzterer wurde ab Ende der 1970er zunächst als Keramik-Werkstatt, dann als Kunstgalerie genutzt - die „Galerie Fachwerkhof“.
Ihr Fachwerkhaus sei früher ein Handwerkshof gewesen, dies gehe aus sogenannten alten Schatzbüchern der ehemaligen Grafschaft Mark hervor, wissen die Fischers. Auch eine Deele gibt’s in ihrem Haus, in der einst wohl Tiere und ein Fuhrwagen standen. Die Wände wurden mit einem heute noch zu sehenden Lehm-Stroh-Gemisch verkleidet. Manuel Fischer: „Darauf wurde Kalkputz mit Tierhaaren vermengt aufgebracht.“ Baustoffe anno dazumal.
14-jähriger Sohn findet das denkmalgeschützte Eigenheim „uncool“
Sind die 14 und sieben Jahre alten Fischer-Kinder stolz darauf, in einem besonderen Haus zu leben? Melanie Fischer schüttelt lachend den Kopf: „Mein Sohn findet das alte Haus uncool, meine Tochter findet es aber toll.“ Freunde der Fischers waren übrigens der Ansicht, die Eheleute hätten „doch einen Knall“, sich so ein altes Gebäude anzuschaffen. Manuel und Melanie Fischer sehen ihr Fachwerkhaus mit anderen Augen: „Ein neues Haus lebt doch nicht!“