Witten. Seit etwa einem Jahr hat Witten einen Starkregen-Risikomanager. Er weiß, was gegen die Fluten hilft. Ein Gespräch – nicht nur über Hochwasser.

Seit den heftigen Regenfällen vor gut zwei Wochen werden viele vor dem nächsten Unwetter bangen. Wann sich das entlädt, kann Tobias Wanders zwar nicht vorhersagen. Der 34-Jährige hat dank einer Karte aber im Blick, welche Ecken es besonders treffen könnte. Er ist seit gut einem Jahr als erster Starkregen-Risikomanager bei der Entwässerung Stadt Witten (ESW) im Einsatz. Ein Gespräch – nicht nur über Wasser.

Herr Wanders, die Starkregen-Karte zeigt für das gesamte Stadtgebiet in verschiedenen Blautönen an, wie hoch das Wasser stehen könnte. Wie haben Sie das ermittelt?

Tobias Wanders: Die Darstellung bezieht sich nicht auf ein realistisches Ereignis. Als Basis diente die Simulation eines Regenereignisses, wie es alle 100 Jahre einmal vorkommt. Das entspricht Stufe 7 auf einer Skala von zwölf Stufen.

Viele Häuser in Witten standen am 14. Juli nach dem starken Dauerregen unter Wasser, hier die Ruhraue und ein Teil der Straße In der Lake.
Viele Häuser in Witten standen am 14. Juli nach dem starken Dauerregen unter Wasser, hier die Ruhraue und ein Teil der Straße In der Lake. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Die hatten wir jetzt aber auf jeden Fall erreicht, oder?

Im Prinzip war es jetzt ähnlich extrem. Doch es kommt auch immer auf Dauer und Intensität des Niederschlags an. So hatten wir zum Beispiel auch schon am 29. Juni ein heftiges Starkregenereignis, das aber wesentlich kleinräumiger niederging. Da waren vor allem Stockum und der Annener Norden betroffen.

Viele Hausbesitzer aus Witten suchen Rat

Wie stark berührt Sie so eine Katastrophe, die ja quasi Ihr täglich Brot ist?

Dass es dazu kommen würde, haben uns Klima-Experten längst vorhergesagt. Wenn es dann passiert, ist das schrecklich. Ich merke das auch sofort bei meiner Arbeit.

Inwiefern?

Ich bekomme viel mehr Anfragen von Hauseigentümern. Bis Mitte September habe ich jetzt täglich Termine für Beratungen vergeben.

Der Wannenbach in Witten tritt regelmäßig über die Ufer.
Der Wannenbach in Witten tritt regelmäßig über die Ufer. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Welche Gebiete sind denn besonders betroffen?

Insgesamt gibt es in Witten sehr viele Gefahrenzonen, nicht nur im Hammertal, wo Kamper- und Pleßbach fließen, oder an der Herbeder Straße, wo der Wannenbach verläuft. Gefährdet sind grundsätzlich alle Bereiche, in denen Fließgewässer begradigt oder in Rohre verlegt wurden. Auch ehemalige Auenbereiche können betroffen sein. Das Wasser sucht sich dort immer wieder seinen natürlichen Weg. Die Ruhr haben wir in unserer Karte übrigens nur am Rande berücksichtigt. Denn da gibt es eigene Überschwemmungskarten vom Land.

Risiko-Manager: Höhe gewinnen

Was kann ich denn vorbeugend tun, wenn mir der Blick auf die Starkregenkarte zeigt, dass mein Haus in einer tiefblauen Gefahrenzone liegt?

Sie müssen zunächst die Schwachpunkte erkennen, also von wo das Wasser eindringen kann. Sind es tieferliegende Eingänge, ebenerdige Lichtschächte oder Abflüsse, bei denen sich das Abwasser aus der öffentlichen Kanalisation zurückstaut? Dann kann man entsprechende Maßnahmen ergreifen. Das reicht vom Mauern eines Randsteins vor dem Kellereingang bis zum Einbau eines Rückstauventils. Oft ist aber vor allem eines entscheidend: Höhe gewinnen. Und wer baulich nichts verändern will oder kann, der sollte wenigstens wertvolle Dinge woanders lagern. Wichtig ist auch zu prüfen, dass die Stromversorgung oder die Heizungsanlage nicht unter Wasser stehen können.

Die Gefahrenkarte

Die Starkregen-Gefahrenkarte ist im Internet zu finden unter: geoportal.stadt-witten.de. Hausbesitzer können ihre Adresse eingeben und sehen dann den entsprechenden Ausschnitt.

Wer Fragen hat, kann sich an Risikomanager Tobias Wanders wenden: tobias.wanders@entwaesserung-witten.de oder 9173 771. Mehr Informationen zum Thema Starkregen in Witten gibt es außerdem unter www.witten.de/starkregen.

Was machen Sie, wenn Sie gerade nicht Hauseigentümer beraten?

Dann berate ich jene, die vorhaben zu bauen und da gleich Vorsorge treffen wollen. Unsere Erkenntnisse aus der Karte bringe ich auch bei den Planungen städtischer Baumaßnahmen ein. Die werden dann entsprechend angepasst, damit eine Überflutungsgefahr vermieden oder reduziert werden kann. Wenn nichts Akutes anliegt, gehen wir auch schon mal selbst auf Eigentümer zu und weisen auf die Notwendigkeit hin, sich vor Hochwasser zu schützen, zuletzt etwa im Gewerbegebiet Wullener Feld. Wir haben auch schon gemeinsam mit der Verbraucherberatung ein Online-Seminar angeboten. Da ging es vor allem um rechtliche Fragen.

Sie leben in Annen. Hatten Sie schon mal Wasser im Keller?

Nicht in meiner jetzigen Wohnung, die am Hang liegt, aber vorher schon mal. Natürlich beherzige ich meine eigenen Ratschläge. Außerdem achte ich sehr auf den Wetterbericht und ich habe alle Warn-Apps.