Witten. Die Kreuzimpfung von Astra und Biontech stellt die Arztpraxen in Witten vor neue Herausforderungen. Kritik an der Impfkommission.
Auf eine Erstimpfung mit Astrazeneca soll eine zweite Anti-Corona-Spritze mit einem mRNA-Impfstoff – also entweder Biontech oder Moderna – folgen. So lautet die neue Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko). Das Impfzentrum in Ennepetal konnte das direkt am Freitag (2.7.) umsetzen und eine solche Kreuzimpfung anbieten. Die Wittener Hausarztpraxen stellt das aber teils vor größere Probleme.
„Ein Schuss vor den Bug“
„Das war wieder so ein Schuss vor den Bug, den wir nicht nachvollziehen können“, sagt Kurt-Martin Schmelzer. Aus der Presse hätten er und viele seiner Kollegen die Neuigkeiten erfahren. „So eine Entscheidung könnte man auch vorab in Fachkreisen kommunizieren“, ärgert sich der 64-jährige Allgemeinmediziner. Besonders der Zeitpunkt – direkt vor dem Wochenende – sei sehr unglücklich gewählt gewesen. Auch würden viele Praxen bald in die Betriebsferien gehen. „Dadurch wird die Impfkampagne sowieso ins Stocken geraten“, sagt Schmelzer.
Auch die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) kritisiert die neue Stiko-Empfehlung. Sie setze die Hausarztpraxen erneut unter Druck. Etwa weil Menschen nun ihre Termine vorverlegen wollen. Zudem fürchtet sie, dass die Praxen in der laufenden Woche „noch nicht ausreichend mRNA-Impfstoff für alle Astrazeneca-Impflinge haben, die in den nächsten Tagen mit ihrer Zweitimpfung dran wären“, erklärt der Vorstand der KVWL. Denn Praxen müssen ihren Impfstoff knapp eine Woche im Voraus bestellen. Nachbestellungen seien auch unter diesen besonderen Bedingungen nicht möglich.
Arztpraxis kann Termine für Kreuzimpfung nicht vorverlegen
In der Praxis von Kurt-Martin Schmelzer werden in dieser Woche aber alle, die es wünschen, ihre zweite Impfung mit Biontech erhalten. Denn es stünden nur sehr wenige Zweitimpfungen für Astra-Erstgeimpfte an. Für die nächste Woche sei das nicht sicher. Das hänge von der tatsächlichen Menge an Impfstoff ab, die dann geliefert werde, so der Mediziner.
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Die meisten „Astra-Patienten“ der Praxis an der Hauptstraße seien aber ohnehin nach den Sommerferien dran. Diese Impfungen vorzuverlegen werde man aber organisatorisch nicht schaffen, sagt Schmelzer. Den Vorteil eines früheren Schutzes durch die Kreuzimpfung, bei der zwischen erster und zweiter Dosis nur mindestens vier Wochen liegen müssen, sei in seiner Praxis nicht zu schaffen. „Wir sind schon bis zum Rand gefordert und über die Maßen belastet.“ Man könne ohnehin kaum noch die Grundversorgung der Patienten sicherstellen.
Impfzentrum hat bereits auf Biontech umgestellt
Auch im Rathaus der Medizin in Herbede hat man bereits auf Zweitimpfungen mit Biontech umgestellt, sagt Dr. Arne Meinshausen. Die zusätzlichen Impfdosen seien Reserven oder ursprünglich für Erstimpfungen gedacht gewesen, die aber weniger nachgefragt wurden als erwartet. Nun würden alle Astrazeneca-Patienten angeschrieben oder angerufen, um deren Impfungen vorzuverlegen.
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Gleiches gilt auch für das Impfzentrum an der Uni. „Wir müssen das machen, um auf die Delta-Variante vorbereitet zu sein“, sagt Meinshausen. Impfstoff sei derzeit genug vorhanden, er geht deshalb davon aus, dass in der kommenden Woche alle Hausärzte auf die Zweitimpfung mit mRNA umsteigen können.
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Das Problem sei derzeit eher, Termine für Erstimpfungen besetzt zu bekommen. Sorgen bereiten dem Mediziner nun vor allem die Jüngsten. „Die Delta-Variante wird über die Kinder und Jugendlichen herfallen.“ Er plädiert daher für eine Impfung von Jugendlichen ab zwölf Jahren. Der Impfstoff von Biontech ist für diese Altersgruppe zugelassen, jedoch fehlt eine Empfehlung der Stiko. Viele seiner Kollegen seien deshalb sehr zurückhaltend, die jungen Menschen zu impfen. „Aber wir sollten ihnen den Impfschutz nicht vorenthalten.“