Witten. Das Wiesenviertel ist die bunteste Ausgehmeile in Witten. Normalerweise. Wie Wirte und andere Selbstständige versuchen, die Pandemie zu meistern.

Das Wiesenviertel, in Nicht-Coronazeiten Wittens bunteste Ausgehmeile, leidet. Wie andernorts in der Stadt kämpfen Gastronomen und andere Selbstständige einen harten Kampf, um die Corona-Krise zu überleben. Von Wirten, die einen langen Atem benötigen und Bürgern, die mit Spenden helfen wollen.

Hutmacherin Bärbel Wolfes-Maduka feiert in diesem Jahr mit ihrem „Hutsalon“ ihr 25-jähriges Geschäftsjubiläum in der Hammerstraße. Im Dezember musste die 55-Jährige ihren Traditionsladen schließen, der unter ihrer Vorgängerin einst „Hutsalon Erika“ hieß. Sie sei mit ihrem Geschäft immer noch vor Ort, weil sie schon im März vergangenen Jahres einen hohen Kredit aufgenommen habe, sagt die Modistin. „Ansonsten wäre ich schon pleite.“

Kunden und Freunde wollen der Hutmacherin aus Witten Geld leihen

2020 hat Wolfes-Maduka die staatliche Soloselbstständigen-Hilfe in Höhe von 9000 Euro erhalten. „Ich rechne aber damit, dass ich davon etwas zurückzahlen muss.“ Die Hutmacherin beschäftigt eine Auszubildende und versucht mit dieser täglich, in ihrer Werkstatt zu arbeiten. Worüber sich die Chefin freut: „Ich erfahre sehr viel Unterstützung.“ Kunden und Freunde würden ihr anbieten, ihr Geld zu leihen. „Darunter eine Schulfreundin, die nach 40 Jahren mit mir Kontakt aufgenommen hat.“ Bärbel Wolfes-Maduka: „Ich hoffe, dass ich die Pandemie überstehe. Denn mein Plan B wäre dann Hartz 4.“

Dehoga-Chef: Dritter Lockdown nicht mehr zu schaffen

Ein dritter Lockdown sei für die Gastronomen nicht mehr zu schaffen, betont Heinz Bruns, Vorsitzender des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) im Bezirk der IHK Bochum. Bruns ist einer von denen, die „exorbitant hohe Leistungen vom Staat“ bekommen haben, wie der Chef des Restaurants „Haus Kemnade“ betont. Dennoch musste Bruns schon im Mai 2020 drei Mitarbeiter entlassen, zehn weitere hätten das Haus Kemnade verlassen. „Sie sind in Rente gegangen, in Mutterschutz oder in ganz andere Berufe eingestiegen.“

Die Mitarbeiter, die noch da seien, seien in Kurzarbeit und lebten „zum Teil von der Hand in den Mund“. Die Corona-Pandemie stelle Gastronomiebetriebe vor ganz unterschiedliche Herausforderungen. Schlimm sei es für Betriebe, die keine Rücklagen gebildet hätten. Heinz Bruns: „Das ist im Grunde ein Muss, damit man in schlechten Zeiten überleben kann.“

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Auch Gastronom Waldemar Riedel, Betreiber des „Knut’s“ an der Wiesenstraße, freut sich über das solidarische Verhalten seiner Gäste. Er bietet Essen zum Mitnehmen an, was gut laufe. „Dafür bin ich sehr dankbar“, betont der 35-Jährige. Riedel beschäftigt in normalen Zeiten zwölf Angestellte und drei Aushilfen. Derzeit seien nur fünf Leute im Einsatz, darunter drei Köche. Der Rest des Teams ist in Kurzarbeit.

Gastwirt: „Menschen gehen halt in Lokale, um sich zu treffen“

Harte Zeiten auch für den gebürtigen Italiener Franco Sapia, Chef der Kult-Kneipe Klimbim im Wiesenviertel.
Harte Zeiten auch für den gebürtigen Italiener Franco Sapia, Chef der Kult-Kneipe Klimbim im Wiesenviertel. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Ohne staatliche Hilfe wäre es für ihn aber schon sehr eng geworden, so der Gastwirt, der die November- und einen Teil der Dezemberhilfe erhalten hat. Riedel kann die Gründe für den Shutdown nachvollziehen. „Die Sicherheit geht vor. Menschen gehen halt in Lokale, um sich zu treffen.“ Der Gastronom hofft jedoch, „dass wir im Sommer in unserem Garten Gäste bewirten können“.

Seit 41 Jahren steht Franco Sapia hinter dem Tresen seiner Kult-Kneipe „Klimbim“ gleich nebenan. Auch der 72-Jährige versucht, mit dem „Take-away-Geschäft“ Geld zu verdienen. Dies lohne sich für ihn aber nicht, da es viele Pizzerien in der Stadt gibt, die auch auslieferten. Ein oder zwei Jahre würde Sapia sein Lokal gerne noch weiterführen. Ob ihm dies in Pandemiezeiten gelingt, weiß er nicht. „Ich möchte keine großen Schulden machen.“

Ballettlehrerin aus dem Wiesenviertel lebt vom Einkommen ihres Mannes

Ballettlehrerin Irena Bentke setzt derzeit auf Online-Unterricht.
Ballettlehrerin Irena Bentke setzt derzeit auf Online-Unterricht. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Die Inhaberin der Ballettschule Bentke setzt in der Steinstraße auf Online-Unterricht. Irena Bentke: „Ich lebe aber derzeit vom Einkommen meines Mannes“, so die 62-Jährige. Der digitale Unterricht über die Plattform Zoom werde von 60 Prozent ihrer Schüler angenommen. Einige derjenigen, die dieses Angebot nicht nutzten, würden trotzdem weiter bezahlen. „Damit ich nicht Gefahr laufe, schließen zu müssen.“

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Auch Isabelle Bracht, die mit ihrem Mann „Benno’s Brauhaus“ in der Hammerstraße führt, hofft auf ein Ende der Pandemie. „Wir verkaufen weiterhin unser Flaschenbier“, sagt die Frau des Brauers. Die Verlängerung des Shutdowns findet sie zwar „frustrierend“, ist aber optimistisch, „dass wir in diesem Jahr noch wieder werden öffnen können“.

Das „To-go-Geschäft“ ist ein schwieriges, weiß der Chef des Raum-Cafés

Jan Hagelstein vom Raum-Café in der Wiesenstraße hatte es im November und Dezember mit dem „To-go-Geschäft“ versucht. „Beide Monate waren wirtschaftlich ein Desaster.“ In den vergangenen Wochen blieb das gerne von Studenten besuchte Café daher komplett geschlossen. Jetzt wird wieder sonntags Essen zum Mitnehmen angeboten. Weiterhin ein schwieriges Geschäft. Betriebswirt Hagelstein: „Denn in der Stadt sind derzeit ja nur sehr wenige Leute unterwegs.“

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