Witten. . Ab Ende der 50er Jahre kamen Gastarbeiter in die Stadt, heute sind es vor allem Flüchtlinge. Über 10 000 Bürger mit ausländischem Pass leben hier.

In der Ruhrstadt ist die Welt zu Hause. Hier leben hunderte Menschen mit ausländischem Pass, insgesamt 113 Nationen. Witten ist bunt – nicht erst, seit der Flüchtlingsstrom im letzten Jahr die Lage noch einmal drastisch veränderte. Bei einer Einwohnerzahl von knapp 100 000 betrug die Ausländerquote zum Stichtag 31. Dezember 2015 laut städtischer Statistikstelle 10,6 Prozent.

Die mit Abstand größte Gruppe, die hier ihre Hauptwohnung hat, sind die 2481 türkischen Bürger. Danach folgen als zweitstärkste Gruppe die 1070 Polen, 623 Griechen und 472 Italiener. Aus dem ehemaligen Staat Serbien und Montenegro kommen 453 Menschen. 405 Portugiesen, 379 Syrer, 253 Menschen aus dem Kosovo, 253 aus Rumänien sowie 245 aus Bosnien/Herzegowina gehören zur Top Ten-Liste der hier lebenden Bürger mit ausländischem Pass.

Durch Zuwanderung geprägt

Natürlich sei im Vergleich zu den Jahren davor 2015 das Jahr mit den meisten Zuzügen gewesen, erläutert Gerd Germakowsky von der Statistikstelle. 6059 Menschen – darunter Flüchtlinge oder andere Menschen mit Migrationshintergrund sowie Deutsche – kamen insgesamt in die Stadt, 4786 zogen wieder fort, 1273 blieben. Von 2011 bis 2014 lag der sogenannte „Wanderungsgewinn“ nur zwischen 77 und maximal 454.

In den statistischen Jahrbüchern des Stadtarchivs finden sich Zahlen, die belegen, dass Witten nicht erst heute multikulturell ist, sondern – wie das ganze Ruhrgebiet – traditionell durch Zuwanderung geprägte wurde. Zwischen 1963 und 1969 waren unter 29 099 Zugezogenen immerhin 7537 Ausländer. Seit 1958, so steht es im Verwaltungsbericht der Stadt Witten, sei „eine stetige Zunahme von ausländischen Gastarbeitern zu verzeichnen“. Anfang 1958 waren in der Stadt 660 Ausländer und Staatenlose erfasst, Ende ‘58 waren es 1498, darunter etwa 700 Gastarbeiter.

In Italien keine berufliche Zukunft

Einer von ihnen: Franco Sapia, Inhaber des Klimbim, der aber erst 1967 nach Deutschland kam. „Ich war mit der Schule fertig und hatte in Italien keine berufliche Zukunft“, sagt der 67-Jährige, der aus einem kleinen kalabrischen Dorf stammt. Er habe zuerst in einer Siedlung nur für Ausländer gelebt. „Das erste halbe Jahr habe ich mich unwohl gefühlt, bin kaum rausgegangen“, erinnert sich Sapia. „Ich kannte keinen und habe meine Heimat vermisst.“ Mit der Zeit sei es ihm weniger schwer gefallen, sich hier einzuleben. Trotzdem dachte er damals: „Wenn ich etwas gespart habe, gehe ich wieder zurück nach Italien.“

Doch 1970 heiratete er eine Deutsche und kam nach Witten. Einen Beruf zu erlernen oder in der Gastronomie Fuß zu fassen – das schwebte ihm vor. „1974 habe ich mit einem Landsmann im Goldenen Treppchen die erste Pizzeria Wittens eröffnet“, erzählt Franco Sapia voller Stolz. 1980 dann folgte das Klimbim. Zwar fühle er persönlich sich inzwischen sehr gut in Deutschland angenommen: „Aber ich weiß nicht, ob ich noch mal aus der Heimat weggehen würde.“ Denn in beiden Ländern sei man dann doch irgendwie fremd.