Witten. Zwei Tage sah man keinen Linienbus in Witten. Am Dienstag fuhren wieder einige wenige Linien. Ein großes Unternehmen macht sich aber noch rar.
Dass Bus und Bahn wegen Schnee und Eis weiterhin eingeschränkt sind, wer hätte dafür kein Verständnis? Die meisten Fahrgäste in Witten jedenfalls haben es. Was sie nicht verstehen: Warum schickt die große Bogestra auch an Tag drei des Ausnahmewinters immer noch keine Fahrzeuge auf die zumindest geräumten Hauptstraßen in Witten? Denn es geht auch anders, wie einige Linien beweisen.
An diesem Dienstagmittag (9.2.) herrscht erstmals seit dem Wintereinbruch in der Nacht zum Sonntag (7.2.) wieder etwas Leben am Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) in Witten. Zehn, zwölf Menschen warten dort tatsächlich auf einen Bus, wenngleich die Anzeigentafel nur diesen Hinweis bietet: „Verehrte Fahrgäste, witterungsbedingt finden im Betriebsgebiet der Bogestra keine Fahrten statt.“ Pech für Witten: Die Bochum Gelsenkirchener Straßenbahn AG bedient den Hauptteil der Linien in der Ruhrstadt - in normalen Zeiten.
Der Schnellbus fährt von Witten nach Ennepetal
Stefan (37) und Anne (70) warten zum Beispiel auf den 38er der VER nach Herbede. Der Schnellbus kommt tatsächlich - wenngleich erst mal nur der nach Ennepetal, also in die entgegengesetzte Richtung. Das aber lässt die beiden hoffen, doch noch nach Herbede zu kommen. Stefan muss zur Arbeit im Josefshaus, Anne will ihren schweren Einkaufsrucksack nicht zu Fuß nach Hause schleppen. „Ich bin schon das ganze Stück hin gelaufen“, sagt sie. Seit einer Stunde wartet sie nun auf einen Bus zurück, bei minus neun Grad.
Kaum zu glauben, da kommt einer. Es ist der 371er, der zur Uni und bis Dortmund-Oespel fährt. Er hat zwar erst nach elf Uhr den Betrieb aufgenommen, ist dafür aber ganz pünktlich. Killer-Reisen, ein privater Anbieter aus Witten, macht’s möglich. Probleme auf der Straße? Der Fahrer schüttelt den Kopf. Nur die Haltestellen kann er nicht direkt anfahren, sondern muss auf der Straße stehen bleiben, wie um 13.38 Uhr am Kornmarkt. Zwischen Fahrbahn und Busbucht liegen drei Meter Schnee und Matsch. „Wenn ich da reinfahre, rutsche ich und komme nicht mehr raus“, sagt der Fahrer.
Schienenersatzverkehr-Fahrer aus dem Sauerland: „Das ist doch hier nur Flachland“
Und noch eine Linie hält am ZOB an diesem Mittag, erst ein kleiner Bus und dann ein großer. Beide übernehmen für Abellio den Schienenersatzverkehr zwischen Hagen und Bochum beziehungsweise Essen. „Ich komm’ aus dem Sauerland. Das ist doch hier nur Flachland“, sagt einer der Fahrer. Und warum fährt dann nicht die heimische Bogestra? „Versteh ich auch nicht.“ Sprach’s und gibt gut gelaunt Gas. Nur die Hinweise auf den „SEV“ fehlen, wo er wann abfährt – sowohl im Bahnhof als auch draußen auf dem ZOB.
Denn Züge fahren an diesem Mittwoch ebenfalls noch nicht, jedenfalls nicht bis Witten. Annika (33), Assistenzärztin im Marien-Hospital, hat es auf der Hinfahrt um 6.30 Uhr zumindest von ihrem Heimatort Iserlohn bis Hagen geschafft. „In der App stand, der Zug würde bis Witten fahren.“ Und jetzt am Mittag versucht sie, irgendwie nach Hause zu kommen. „Ich nehme alles, was ich kriegen kann“, sagt die Mutter eines kleinen Kindes, auf das im Moment noch der Papa aufpasst. „Aber der muss um halb drei zur Arbeit.“
Harald aus Witten macht sich zu Fuß auf den Weg nach Bommern
Draußen am Busbahnhof hat Harald (52) mittlerweile das Warten satt. Er macht sich zu Fuß auf den Weg nach Bommern. Der 19-jährigen Avi, die für einen Arzttermin aus Wetter gekommen ist und jetzt zurückfahren will, kann der WAZ-Reporter weiterhelfen, indem er sie auf den Schienenersatz-Kleinbus hinweist, der schon wartet. Wenige Minuten später fährt er los, mit der 19-Jährigen als einzigem Fahrgast. ÖPNV verrückt im Ausnahmewinter 2021. Wie sagt doch die Verkäuferin im Bahnhof: „Ich frage mich, wie die Russen das eigentlich bei minus 40 Grad machen“.
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