Witten. 150.000 Euro an Corona-Bußgeldern hat Witten 2020 eingenommen. Diese könnten Künstlern zugutekommen. Drei von ihnen schildern ihre Situation.

Die Kulturszene in Witten lebt, obwohl sie in Pandemie-Zeiten weit weniger sichtbar ist. Mit verschiedenen Projekten versucht die Politik, die Kulturschaffenden zu unterstützen – etwa mit einer Wittener Solidaritätskarte oder mit der Idee, die vom Ordnungsamt kassierten Corona-Bußgelder an die Künstler weiterzuleiten. Viele Wittener Theater- oder Musikmacher helfen sich zurzeit in ihrer Not selbst.

Mitte Januar hatte die CDU eine Solidaritäts-Karte für Kulturschaffende ins Spiel gebracht, die das Kulturforum verkaufen soll. Mit dem Kauf einer solchen Karte sollen Bürger unkompliziert an Künstler, Vereine oder Initiativen spenden. SPD und Grüne legen nun nach. In der Ratssitzung am 8. Februar könnte beschlossen werden, die Einnahmen aus den Corona-Bußgeldern einem Solidaritätsfonds für Wittener Kulturschaffende zuzuführen. Diese sollen auf Antrag Geld aus dem Fonds erhalten.

2020 kassierte Witten 150.000 Euro an Bußgeldern

Wie viel Geld in Witten verteilt werden könnte, ist unklar. Laut Stadtsprecher Jörg Schäfer hat das Ordnungsamt an Corona-Bußgelder im Jahr 2020 gut 150.000 Euro eingenommen. Zumeist mussten Bürgern zahlen, die gegen die Maskenpflicht und die Kontaktbeschränkung verstoßen hatten.

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In der Kulturszene ist diese Hilfe bitter nötig. Bernd Dussin, der „Earnys Musikladen“ betreibt, auch Konzerte veranstaltet und täglich mit verschiedenen Künstlern im Gespräch ist, könnte davon ein Lied singen. „Kunden, die Veranstaltungen ausrichten, Anlage oder Konzerttechnik verleihen, trifft es besonders schlimm“, sagt er. Auch er hatte Umsatzeinbußen, da mit dem Lockdown das wichtige Weihnachtsgeschäft weggebrochen sei. Jedoch kam ihm das Daheimbleibenmüssen auch zugute: „Viele Leute haben ihr Instrument wiederentdeckt.“ Gitarrensaiten aufziehen, Geige aufarbeiten, solche Aufträge habe er jetzt mehr denn je. Und er hat „Call & Collect“, das Geschäft an der Ladentür, entdeckt. „Not macht erfinderisch“, sagt er und erzählt, dass er sogar in Videoschalten Instrumente vorspiele, den Kunden so berate, um eine Gitarre oder ein Digitalpiano zu verkaufen.

Profi-Pianist lebt von seinem Ersparten

Pianist Jörg Hegemann lebt von seiner Musik. „Vor Corona“ war er einer der europaweit gefragtesten Jazz- und Boogie-Woogie-Pianisten. Sein Terminkalender 2020 war prallvoll mit Konzertterminen, der für 2021 ebenso, denn viele Veranstaltungen wurden ja geschoben. Inzwischen bucht keiner mehr etwas. Und wie geht es ihm? „Ich habe den Mut nicht verloren und lebe von meinem Erspartem“, sagt er. „Ich hoffe, dass ich bald wieder mit Corona-Einschränkungen Konzerte geben darf, so wie es im Sommer der Fall war.“

Vorbild ist Solidaritätsfond in Bonn

Die Idee, Corona-Bußgelder an die Kulturschaffenden weiterzuleiten, setzt die Stadt Bonn bereits um. Sie vergibt eine Einmalzahlung von ca. 5000 Euro an Künstler oder Einrichtungen, die nicht zurückgezahlt werden muss. Für den Nachweis der existenziellen Notlage reicht eine Erklärung in einem PDF-Antrag. Nach ihrem Beispiel soll der Wittener Solidaritätsfonds funktionieren.

„Der Bestand von Einrichtungen und die persönlichen Existenzen sind in akuter Gefahr“, heißt es in dem Antrag von SPD und Bündnis 90/Grüne an den Stadtrat. „Darüber hinaus profitieren am Ende alle Wittener davon, denn der Solidaritätsfonds leistet einen Beitrag zur Erhaltung der kulturellen Vielfalt, die unsere Stadt lebendig macht.“

Hegemann hat sich gedanklich „in ein Trainingslager“ versetzt. „Ich übe für eine neue CD. Soviel habe ich noch nie geübt, ich hoffe, man merkt es der Aufnahme später an“. In seinem Bekanntenkreis leben viele Musiker. „Freunde, die sonst als Begleitmusiker arbeiten, mussten sich schon Gelegenheitsjobs suchen, um sich finanziell über Wasser zu halten.“

Theaterspiel eröffnet Quartiersbühne an der Annenstraße in Witten

Beate Albrecht (li.) bei ihrer Theaterarbeit vor Corona mit Kindern.
Beate Albrecht (li.) bei ihrer Theaterarbeit vor Corona mit Kindern. © Albrecht | HO

Nachgefragt bei „Theaterspiel“, den Theatermachern rund um Beate Albrecht. Ganz so schlimm sieht es dort nach dem ersten Corona-Schock nicht mehr aus. „Wir hangeln uns so durch“, sagt Tour-Planerin Mareike Möller. Die Krise habe man als Chance gesehen, „und viel an unserer Struktur gearbeitet“. Theaterworkshops finden als Videokonferenz statt, aus den dabei entstandenen Szenen werde gerade ein Film geschnitten. Am Standort Annenstraße habe man in einem leeren Ladenlokal einen „Theaterspielladen“ eröffnet, der bald das Quartier beleben soll. Außerdem werde das Büro umgebaut. „Wir planen, im April/Mai wieder durchzustarten“, sagt Mareike Möller optimistisch. Trotzdem, man sei schon jetzt vor Ort und aktiv. „Es ist ja nicht so, als hätte man wegen Corona der Kultur den Pausenknopf gedrückt.“

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