Witten. . Ausnahme-Pianist Jörg Hegemann ist mit seiner Musik weltweit unterwegs. Nur zu Hause in Witten hat er noch nie ein Konzert gegeben. Bis jetzt...
Er hat für Angela Merkel gespielt, füllt regelmäßig die Philharmonie Essen, reist für seine Auftritte von Russland bis in die USA. Nur in seiner Heimatstadt hat Jörg Hegemann noch nie ein großes Konzert gegeben. Das soll sich am Samstag, 16. März, ändern: Beim 1. Boogie-Woogie-Konzert im ev. Gemeindehaus Rüdinghausen.
Die Eltern hörten Schlager
Der 52-Jährige ist ein Schneer Junge. Aufwachsen im Hackertsbergweg, auf der Reichwein-Realschule und am Martmöller-Gymnasium seine Abschlüsse gemacht, bei Wickmann Industriekaufmann gelernt. Irgendwann zwischendurch, als Teenie, packte ihn die Begeisterung für Boogie-Woogie – was nicht abzusehen war. Der Bruder hörte Rock, die Freunde Pop, die Eltern Schlager. „Ich hörte einen Boogie Woogie im Radio und für mich war ein Schalter umgelegt“, sagt Hegemann. „Ich habe mir die Musik nicht ausgesucht, sie hat mich gefunden.“
Allerdings dauerte es noch eine ganze Weile, bis der Rüdinghauser sie auch spielen konnte. Denn nach drei langen Jahren Zank und Gezeter weigerten sich Hegemanns Eltern, ihm nun ein Klavier zu kaufen. Das machte Jörg dann selber – vom ersten selbst verdienten Geld – und fing an zu üben. „Nach Feierabend, manchmal sieben Stunden lang, bis zum ins Bett gehen.“ Er hörte seine Platten und versuchte die Stücke nachzuspielen. Vom Blatt spielen? Fehlanzeige. Stattdessen hinhören, ausprobieren. „Für die Bassläufe hab ich mir einen abgebrochenen Bleistift in die Hand geklemmt, damit die Finger den richtigen Abstand hatten.“
„Das Schicksal hatte das für mich geregelt“
Nach einem Jahr war Hegemann so weit, dass er mit dem Sohn der Klavierverkäuferin im Schaufenster des Ladens auf dem Dortmunder Westenhellweg spielte. Passanten bleiben stehen, einer buchte die beiden für einen Auftritt. So fing es an.
Als Hobbymusiker tingelte der Wittener anschließend durch die Kneipen, bis 1999 für ihn bei Wickmann Schluss war. „Das Schicksal hatte das für mich geregelt“, sagt er rückblickend. Hegemann nahm die Herausforderung an und wurde Berufsmusiker. Drei Jahre dauerte es, bis er davon leben konnte. Sein Vater unterstützte ihn so lange, wobei er erst einmal so gar nicht angetan war von dem Berufswunsch. „Das änderte sich erst, als dann Bill Ramsey auf unserem Anrufbeantworter war.“
„Für leises Geplänkel bin ich nicht zuständig“
Weit über 2000 Konzerte hat Hegemann seither gegeben, er ist musikalischer Leiter der Reihe „Boogie Woogie Congress“ in der Philharmonie Essen und der Moerser Boogie Night. Er war „Pianist des Jahres 2009“, hat mit den Größen der Boogie-Szene gespielt und war im TV zu sehen. „Von Festival bis Autohaus mache ich alles“, sagt der Mann am Klavier bescheiden. Aber immer nur das: Boogie Woogie. „Für leises Geplänkel bin ich nicht zuständig.“
Was ihn am Boogie so begeistert? „Die Töne landen zwischen Herz und Seele.“ Kurz: Sie machen glücklich und bereiten gute Laune – nicht nur ihm, sondern auch seinen Zuhörern. Die mitreißende, schwungvolle Musik der 30er Jahre ist für ihn „die schönste Musik, die je geschrieben worden ist“. Die will er den Menschen nahe bringen.
Pfarrer Carsten Griese „sind fast die Ohren abgefallen“
Dafür kommt Hegemann dann auf ein Ständchen auch schon mal beim 90. Geburtstag eines Nachbarn vorbei, dessen Tochter ihn darum gebeten hatte. Dort hat ihn prompt der Rüdinghauser Pfarrer Carsten Griese gehört und dem „sind fast die Ohren abgefallen“ – vor Begeisterung, versteht sich. Griese buchte Hegemann gleich für einen Auftritt. Und wenn der morgen ein Erfolg wird, dann „könnte sogar eine Reihe daraus werden“, meint Hegemann. Und vielleicht kommt dann ja auch irgendwann das große Konzert im Saalbau...