Witten. Auch an Grundschulen kann das Lernen am Computer klappen. Das zeigt das Modell der Pferdebachschule. Sie hat alle 200 Schüler ans Netz gebracht.

Für die Kinder der Pferdebachschule in Witten ist es fast so wie früher. Um acht Uhr treffen sie sich. Angezogen, versteht sich. Ein paar Minuten später beginnt der Unterricht. Schreiben, Lesen und Rechnen steht auf dem Stundenplan. Die Lehrkraft steht in der Klasse, stellt Aufgaben, nimmt Kinder dran, beantwortet Fragen. Allerdings: Alles läuft digital. Grundschüler und Lehrkräfte sitzen vorm Rechner, für alle 200 Kinder wurde ein Zugang angelegt. "Wir haben das wirklich gut hingekriegt", sagt Schulleiterin Dörthe Diefenbruch. "Darüber bin ich stolz und glücklich."

Dass es jetzt offenbar so gut läuft, kommt nicht von ungefähr. Bereits im letzten Frühjahr hatte sich das Kollegium überlegt, wie der Distanzunterricht künftig aussehen könnte. "Wir haben uns dann entschieden, mit dem Programm Teams zu arbeiten - das hatte auch bei unseren Videokonferenzen gut geklappt", erklärt Diefenbruch. Und Lernplattformen wie Logineo, die vom Land gestellt werden, seien für Grundschüler einfach nicht geeignet. "Arbeitsblätter hochladen, das brauchen wir nicht", so die 49-Jährige. "Wir wollen mit den Kindern sprechen können."

Wittener Familien konnten einen Zuschuss beantragen

Deshalb organisierte sie bei Microsoft die kostenlose Teams-Version für Schulen und legt mit ihren Kollegen für alle 200 Kinder einen Zugang an. Alle Eltern hätten sich nach Gesprächen bereit erklärt, ihre Kinder dort anzumelden. "Es haben wirklich alle mitgemacht", sagt Dörthe Diefenbruch erfreut. Es habe auch geregelt werden können, dass alle Schüler ein Gerät zur Verfügung haben. Manche würden über den Rechner ins Programm gehen, viele auch übers Handy. "Das hat ja fast jeder heute." Die, die keines haben, konnten über die Schule einen Zuschuss von 150 Euro aus dem Digitalpakt beantragen - und damit etwa ein Tablet kaufen. Und die, bei denen es zu Hause schwierig ist, digital zu arbeiten, die können das in der Notbetreuung tun.

Erste Probedurchläufe wurden noch während des Präsenzunterrichts gestartet. Schon in den Wochen, in denen immer wieder Klassen in Quarantäne mussten, bewährte sich das System. Jetzt läuft es täglich: "Wir machen Unterricht im klassischen Sinne nach Stundenplan", sagt die Schulleiterin. Nach einer Unterrichtseinheit bekommen die Schüler Aufgaben, die Lehrkraft ist aber zugeschaltet und jederzeit für Fragen erreichbar. Nach der Pause geht es dann mit dem nächsten Fach weiter.

Kinder fühlten sich nicht mehr so allein gelassen

Nicht immer klappe technisch alles - und manchmal seien die Schüler fitter als die Lehrer. "Wir lernen gemeinsam", so die Schulleiterin. Doch auch, wenn es manchmal noch hake: Das System entlaste die Familien doppelt, sagt sie. Die Eltern müssten sich vormittags nicht mehr um die Betreuung der Kinder kümmern, die Kinder bekämen wieder mehr Struktur in ihrem Tagesablauf und fühlten sich nicht mehr so allein gelassen. Das erleichtere das Lernen im Corona-Alltag, betont die Pädagogin.

Gesa Menzebach-Troldner kann das nur bestätigen. Ihr Sohn Levi geht in die dritte Klasse der Pferdebachschule. "Er sieht die anderen, er ist motiviert und viel ausgeglichener", sagt seine Mutter. Der Unterricht sei im Vergleich zum ersten Lockdown "fast ein Selbstläufer" geworden. "Es ist so viel besser, als wenn er selbstständig Arbeitsblätter abarbeiten müsste." Für sie als Mutter sei der digitale Schulalltag eine "unheimliche Erleichterung - es ist fast wie Präsenzunterricht". Auch praktisch: Die Kinder könnten das Programm auch nachmittags privat nutzen, um miteinander zu spielen und Kontakt zu halten.

Modell lässt sich nicht einfach auf andere Schulen übertragen

Wäre das Unterrichts-Modell der Pferdebachschule dann nicht auch etwas für die anderen Grundschulen in der Stadt? Nein, meint Susanne Daum, die Sprecherin der Grundschulen. Das sei an anderen Standorten so nicht zu leisten. "Bei uns an der Bruchschule hätten beispielsweise gar nicht genügend Kinder die nötigen Endgeräte." Wenn sich in einer Familie sechs Personen ein Handy teilten, sei es nicht möglich, damit auch noch den Unterricht zu verfolgen. Auch die 23 Sprachen, die dort in den Familien gesprochen würden, seien ein Hindernis, um komplett aufs digitale Lernen zu setzen. An anderen Schulen gebe es weitere Probleme, so Daum. Sie nennt unter anderem die technische Ausstattung und die große Zahl von Kindern in der Notbetreuung, die zu einer Doppelbelastung der Lehrkräfte führe.

Dennoch läuft der Unterricht an den Grundschulen im zweiten Lockdown aus ihrer Sicht in Witten "ganz gut". "Jede Schule hat für sich einen Weg gefunden, damit umzugehen und dann umgesetzt, was an ihrem Standort möglich ist." Ob Videokonferenz, Erklärvideo, Ausdruck-Service oder Arbeitsblatt-Verteilung bei den Familien: Alle Lösungen seien engagierten Köpfen von Lehrern und Schulleitern zu verdanken, macht Susanne Daum deutlich. "Nicht denen aus dem Ministerium."

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Die engagierten Köpfe in der Pferdebachschule überlegen sich gerade, wie es bis Mitte Februar weitergehen soll mit dem Online-Unterricht. Seit dieser Woche wird auch online geturnt, für nächste Woche ist Englisch-Unterricht geplant. Und dann kommt ja auch noch Karneval. "Vielleicht treffen wir uns dann auch mit den Kindern", überlegt Schulleiterin Dörthe Diefenbruch. "Und alle kommen kostümiert." Die Verlängerung des Lockdowns nimmt sie gelassen hin: "Ich bin sicher, dass wir das Lernen gut hinkriegen."

>>>Perspektiven gefordert

Susanne Daum, die Sprecherin der Wittener Grundschulen, sieht die Situation weniger positiv. Sie fordert vom Land konkrete Perspektiven, wie es in den nächsten Wochen und Monaten weitergehen soll. "Wir brauchen endlich konkrete Entscheidungen", sagt sie. Das sei auch im Hinblick auf Versetzung und Notengebung wichtig.

Der Distanzunterricht ist aus ihrer Sicht nicht mit dem Präsenzunterricht zu vergleichen. Ein dreiminütiges Erklärvideo könne keine ganze Unterrichtsstunde ersetzen. "Das funktioniert einfach nicht."

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