Witten. Sein Neujahrsvarieté im Saalbau wurde auf 2022 verschoben, Auftritte im Circus Flic Flac ganz abgesagt. Corona bremst auch Magier aus.

Normalerweise ist Erasmus Stein über 200 Tage im Jahr unterwegs, um auf Bühnen und Kreuzfahrtschiffen sein Publikum zu verzaubern. Aber das Corona-Jahr 2020 hat auch den Weitgereisten in Sachen Magie ausgebremst. Am 23. Januar sollte der gebürtige Wittener eigentlich mit seinem Neujahrsvarieté auf der Saalbaubühne stehen. Auch diese Show fiel der Pandemie zum Opfer und wurde auf 2022 verschoben. Im Interview spricht der 36-jährige Entertainer über ein verflixtes vergangenes Jahr. 

Herr Stein, wie ist es Ihnen als Zauberer im Corona-Jahr ergangen?

Erasmus Stein: Mit dem Thema Corona bin ich zum ersten Mal am 15. März während eines Urlaubs in Tirol in Kontakt gekommen. Dort wurde uns gesagt, dass wir ausreisen müssen. An der Autobahn standen Schildern mit dem angsteinflößenden Text ,Bitte begeben Sie sich in Quarantäne. Melden Sie sich zu Hause bei Ihrem Gesundheitsamt'. Damals habe ich noch gedacht: Na, dann haben die Kinder zuhause jetzt sechs Wochen schulfrei. Dann ist das alles vorbei.

Es sollte anders kommen..

Ja. Ich habe 2020 mindestens 180 geplante Auftritte durch Corona verloren - darunter ein Engagement beim Circus Flic Flac. Der wollte Ende des Jahres das Festival der Artisten in Kassel veranstalten. Von Dezember bis Januar hätte ich dort vor rund 90.000 Besuchern auftreten können. Ich bin aber nicht nur Zauberer und Comedian, sondern unterhalte auch seit über 15 Jahren eine Agentur für Künstler-Management. Die Pandemie hat mich fast einen kompletten Jahresumsatz gekostet. Ich habe in den letzten Jahren gut gewirtschaftet, werde daher auch finanziell durch die Krise kommen. Allerdings: Bis September 2021 ist alles, was für mich schon geplant war, storniert worden.

Deprimiert Sie die derzeitige Situation?

Ich bin in meinem bisherigen Leben ein großer Glückspilz gewesen. Klar, auch ich hatte 2020 zwei, drei Tage, an denen ich dachte: So kann das nicht weitergehen. Aber ich kann so etwas abschütteln, ich bin ein pragmatischer Mensch. Wenn gar nichts mehr geht, muss ich halt kreative Lösungen finden. Mir wird schon etwas einfallen, damit ich auch im neuen Jahr Geld verdienen kann. Ich habe Freunde, die als Festangestellte von ihren Firmen in Kurzarbeit geschickt wurden. Sie hatten kaum finanzielle Einbußen, weil ihre Unternehmen das Kurzarbeitergeld aufgestockt haben. Eigentlich hatten sie bezahlten Urlaub. Das ist bei mir als Künstler und Künstler-Manager leider anders. Ich habe seit März nur wenig verdient und bekomme täglich zehn bis zwanzig Anrufe, dass geplante Veranstaltungen verschoben werden.

Wo konnten Sie im vergangenen Jahr auftreten?

Als Produzent der Show „Lachen am Lenkrad" habe ich im Mai vier Comedy-Stars an den Kemnader See geholt - Torsten Sträter, Ausbilder Schmidt, Hennes Bender und Ingo Appelt. Die ausverkaufte Show mit über 700 Besuchern habe ich selber moderiert. Es war so ein Erfolg, dass uns auch andere Autokinos eingeladen haben, die Show zu spielen. Den Sommer habe ich genutzt, um zwei coronaconforme Shows von jeweils 60 Minuten zu entwickeln. Im August bin ich beim Kleinkunst-Festival in den Herrenhäuser-Gärten in Hannover aufgetreten. Das haben viele Sponsoren möglich gemacht, weil anstatt 4000 Besuchern pro Tag nur 400 zugelassen waren. Im September bin ich eine Woche mit bekannten TV-Stars in der Schweiz auf Tournee gewesen. Ich bin vor Freude täglich um den Zürichsee gehüpft. Endlich wieder auf Tournee und auf Reisen...  

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Sie waren als Magier und Entertainer auch für Kreuzfahrtschiffe gebucht.

Ja, ich liebe es, auf Reisen zu sein. Im Oktober war ich als Stargast bei mehreren sogenannten ,blauen Reisen' durch die norwegischen Fjorde engagiert. Es durfte dort niemand von Bord gehen. Alle Passagiere waren getestet und das Hygienekonzept wirklich einwandfrei. Im November ging es von Hamburg nach Dänemark und ich war bei einer weiteren Reise eine Woche lang in der griechischen Inselwelt unterwegs. Traumhaft! Im Dezember sollte ich bei einer mehrwöchigen Karibikreise von Hamburg aus dabei sein. Sie wurde zwei Tage bevor es losgehen sollte abgesagt. 

Wie schützen Sie sich persönlich vor Corona?

Abstand, Händewaschen und Isolation. Durch die Auftritte, die ich 2020 hatte, gehöre ich sicherlich zu den am meisten getesteten Menschen in NRW. Privat bin ich seit März fast nur noch mit meiner Frau zusammen. Wir haben 2020 privat nur eine Handvoll Menschen getroffen. Es war wirklich einsam und trostlos. In normalen Zeiten habe ich vier- bis fünfmal in der Woche Treffen mit Geschäftspartnern, Künstlern und Entscheidern aus der Kulturbranche. Meistens geht man gemeinsam in ein Restaurant oder feiert nach einem Auftritt  in der Hotelbar. Ich bin ein sehr geselliger Mensch. 2020 war aber alles anders. Meine privaten sozialen Kontakte lagen im vergangenen Jahr brach. Da muss man sehen, dass man fröhlich und seelisch gesund bleibt.

Haben Sie das Gefühl, dass der Kultur in der Coronazeit zu wenig Aufmerksamkeit zuteil wird?

Ja, die Kultur- und Eventbranche wird oft als eigentlich nicht notwendig betrachtet. Dabei sind wir der sechstgrößte Wirtschaftszweig in Deutschland, in dem rund 1,7 Millionen Menschen arbeiten. Ich stehe auf der Bühne im Scheinwerferlicht. Aber zu uns gehören auch Techniker, Agenturen, Köche, Fahrer, Maskenbildner, Security-Leute und so weiter. Das sind Jobs, in denen man nicht so leicht finanzielle Rücklagen bilden kann.  Ich kenne viele Kollegen, die Familien ernähren müssen und im vergangenen Jahr keinen einzigen Auftritt hatten. Ich finde, die Politik hat die Branche ein bisschen im Stich gelassen.

Sie haben deswegen auch Kontakt mit der Wittener Politik aufgenommen.

Ja, ich habe Wittener Politikern geschrieben, von ihnen aber leider keine Antwort erhalten. Da bin ich schon ein wenig enttäuscht. Aber ich bin nach einem Autokino in Witten vom Lions Club Witten-Mark eingeladen worden, bei einer Online-Konferenz zu sprechen. Dort wollte man wissen, wie sich Corona auf die Kultur-Branche auswirkt. Der Lions Club hat Hilfe zugesagt und es wurde die Idee geboren, gemeinsam ein tolles Event auf die Beine zu stellen - sobald es wieder möglich sein wird. Ich freue mich drauf!

>>> Entertainer und Magier wuchs in Witten auf

Magier Erasmus Stein hat seine frühe Kindheit in Heven, seine Jugend in Stockum und auf dem Wittener Sonnenschein verbracht. Seit 2018 ist der 36-Jährige mit einer Essenerin verheiratet.

Erasmus Stein tritt seit 1995 als Zauberkünstler auf. Der mehrfach ausgezeichnete Magier wurde in eine der wichtigsten Zaubervereinigungen der Welt aufgenommen - der „Academy of Magical Arts" in Los Angeles, dessen Clubhaus in Hollywood steht. 2016 traf Stein in Las Vegas, für ihn das „Zauber-Mekka", sein großes Vorbild David Copperfield.

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