Witten. Mit sechs Stimmen erhält die Zwei-Mann-Fraktion von Michael Hasenkamp in Witten je einen Platz in zwei Aufsichtsräten. Ob die AfD geholfen hat?

Dem umtriebigen einstigen CDU-Politiker Michael Hasenkamp ist ein Coup gelungen, mit dem niemand gerechnet hatte. Der Kopf der Zwei-Mann-Fraktion „Stadtklima“ konnte sich in geheimer Wahl in der konstituierenden Ratssitzung je einen Posten in den Aufsichtsräten von Stadtsparkasse und Stadtwerke sichern. Wie er auf die erforderliche Stimmenzahl kam, bleibt ein Rätsel. Manches Ratsmitglied glaubt, dass die AfD hier eine Rolle gespielt hat.

Stadtwerke in Witten zahlen Aufsichtsratsmitglied 2340 Euro jährlich

Fast sieben Stunden dauerte die erste Sitzung des neuen Stadtrates in Witten am Dienstagabend (3.11.) im Saalbau. Auf der Tagesordnung stand auch die Besetzung verschiedener Gremien mit Ratsmitgliedern, etwa beim Freizeitzentrum Kemnade, der Wabe, dem Kulturforum oder beim Energieversorger ewmr. Für fast alle Beschlüsse wurden meist von den kleinen Ratsfraktionen geheime Wahlen beantragt.

Besonders interessant sind dabei die Aufsichtsräte der Stadttöchter Sparkasse (neun Sitze) und Stadtwerke (elf). Für die dortige Mitarbeit gibt es unter anderem eine gut dotierte Aufwandsentschädigung. Die Stadtwerke weisen in ihrem Geschäftsbericht 2019 eine Vergütung für einfache Aufsichtsratsmitglieder von jährlich 2340 Euro aus.

Eine Stimme fehlte der SPD in Witten

Bei der geheimen Abstimmung für den Aufsichtsrat der Stadtwerke kam die SPD bei 16 Ratmandaten nur auf 15 Stimmen. Deshalb kam es zu einem Losverfahren mit der CDU (ebenfalls 15 Stimmen, bei 15 Ratmandaten). Die SPD verlor, sie kann nun nur noch zwei Sitze im Aufsichtsrat besetzen, die CDU drei und die Grünen zwei. Einen Sitz eroberten Piraten und Linke, die sich zu einer Liste zusammengeschlossen hatten und so mit sechs Ratsmandaten auch sechs Stimmen einheimsten. Das Bürgerforum und die Liste FDP/WBG erhielten mit je fünf Stimmen ebenso je einen Sitz.

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Die AfD (drei Ratsmandate) hatte keinen Kandidaten gestellt. Wohl aber Michael Hasenkamp, der mit seiner Partei „Stadtklima“ nur ein Ratsmandat gewonnen hatte, mit Andreas Günzel von „Witten Direkt“ seit Kurzem aber eine Zwei-Mann-Fraktion bildet. Wie konnte er sechs Stimmen erhalten?

Hasenkamp spricht von „großem politischen Erfolg“

Beobachter vermuten, dass die drei AfD-Stimmen und die fehlende SPD-Stimme den Ausschlag für Hasenkamps Wahl in den Aufsichtsrat gaben. Hasenkamp selbst wollte das Vorgehen gegenüber unserer Redaktion nicht kommentieren. „Diesen großen politischen Erfolg werden wir zum Wohle unserer Stadt nutzen“, schreibt er auf seiner Facebookseite.

Zurück in der Kommunalpolitik

Der Kommunikationstrainer Michael Hasenkamp ist zurück in der Wittener Politik – über Umwege. Der 58-Jährige war Mitte der 90er Jahre der Hoffnungsträger der Wittener CDU – brach mit ihr, gründete die Freie Liste, trat der FDP bei und verabschiedete sich 2009 endgültig aus der Politik.

2018 kam das Comeback. Erst wollte er als Sachkundiger Bürger im Wirtschaftsausschuss wirken, der Rat lehnte ihn aber ab. Danach trat er der WBG bei, doch die Chemie stimmte nicht. Doch der Besitzer des Borbachschlösschens ließ nicht locker. Er gründete die Partei „Stadtklima“ und trat bei der Kommunalwahl an. 631 Stimmen, 1,75 Prozent, holte er. Das reichte für ein Ratsmandat.

Das gleiche Spiel wiederholte sich bei der Wahl für den Verwaltungsrat der Sparkasse. Auch dabei verbuchte „Stadtklima“ sechs Stimmen. Die Auswertung der Ergebnisse zeigt, dass diesmal jemand aus der CDU abgewichen sein könnte. „Bei der Wahl des Aufsichtsrats der Siedlungsgesellschaft gab es dann eine Absprache zwischen Piraten, Bürgerforum, WBG und FDP“, sagt Stefan Borggraefe von den Piraten. WBG und FDP hätten ihre jeweils zwei Stimmen an Piraten/Linke bzw. Bürgerforum gegeben, dadurch sei die Fraktion „Stadtklima“ leer ausgegangen.

AfD-Ratsherr beklagt vorherige Absprachen

AfD-Ratsherr Matthias Renkel hatte sich vorab im Rat über interfraktionelle Absprachen bei der Besetzung der Ausschüsse beklagt. „Meine Fraktion ist unberücksichtigt geblieben. Das ist ein undemokratischer Vorgang.“ Er erinnerte daran, dass fast 1700 Wähler hinter der AfD steckten. Renkel bot „eine kultivierte Zusammenarbeit“ an.

Bei der Abstimmung für den Verwaltungsrat des Kulturforums aber meinten es zwei Ratsmitglieder gut mit den Rechtspopulisten: Die dreiköpfige AfD eroberte mit fünf Stimmen einen Sitz. Woher die wohl kamen?

Lesen Sie dazu auch den Kommentar von Susanne Schild: Hasenkamp-Wahl: Ein Hauch von Thüringen weht durch Witten