Witten/Hattingen/EN-Kreis. Schnelles Netz bis zur letzten Milchkanne: Für 19,4 Mio Euro werden Versorgungslücken im EN-Kreis geschlossen: Auf dem Land gibt’s nun Glasfaser.
Für jedes Haus im EN-Kreis sollte ein Glasfaseranschluss genauso selbstverständlich sein wie Strom oder fließend Wasser, findet Ulrich Schilling, Breitbandbeauftragter des EN-Kreises. Was wie eine Utopie erscheint, wird bis 2023 Wirklichkeit: Mithilfe von Fördergeldern des Bundes und des Landes in Höhe von 19,4 Millionen Euro werden in allen neun kreisangehörigen Städten Lücken in der Versorgung mit schnellem Internet geschlossen. Der Startschuss fiel nun in Witten-Stockum.
Meist ländlich gelegene Siedlungen, die Privatunternehmen wie z.B. NetCologne aus wirtschaftlichen Gründen bislang unberührt liegen ließen, werden nun dank der Fördermittel beackert – etwa der Westen Herdeckes oder die Elfringhauser Schweiz in Hattingen. 4200 Haushalte werden profitieren. Die Baustelle wandert dabei von Norden nach Süden. „Cluster 1“ sind Witten und Herdecke, hier wird bis Februar 2021 gebaut. Im März 2023 soll „Cluster 8“ – Breckerfeld – aufgeschaltet werden. Dann ist im gesamten EN-Kreis ein Download mit mindestens 100 MBit pro Sekunde möglich, so Ulrich Schilling.
Erdbombe schießt Kabelrohre durch den Boden
Im nördlichsten Zipfel des Kreises, Am Katteloh 73 in Stockum, haben die Arbeiten nun begonnen. Dort wird der Strom über Überlandleitungen geliefert, schnell wirkt hier nur der rauschende Verkehr auf der nahen A 40. Zwischen den bereits gepflügten Feldern steht seit Kurzem eine Art Trafohäuschen. Zwei Arbeiter der Deutschen Telekom fügen dort zusammen, was in vielen ländlichen Ecken offenbar noch nicht zusammengehört. Bunte „Speed-net-Rohre“ werden in den Verteilerkasten eingestöpselt. Jedes Rohr führt zu einem Haus, bis zu 96 Haushalte könnte man über diese Kästen ans Glasfasernetz anschließen.
„Durch die Röhren blasen wir mit Druckluft das hauchdünne Glasfaserkabel durch“, erklärt Projektleiter Uwe Hahn. Wichtig ist ihm: „Wir reißen nicht die Straßen auf und buddeln über Monate. Glasfaser kann man sogar ohne offenen Aufbruch verlegen.“ Beim sogenannten Trenching fräst man nur einen schmalen Spalt, etwa 40 cm tief, in den Boden. Oder man verlegt die Kabel, indem man unterirdisch einen Bohrer mit dem schönen Namen „Erdbombe“ steuert.
Bund und Land fördern mit 19,4 Millionen Euro
Der Ennepe-Ruhr-Kreis hat Anfang 2017 mit allen neun Städten eine Kooperation zum geförderten Breitbandausbau abgeschlossen. Mit dieser Vereinbarung konnte sich der Kreis um Fördermittel bewerben, um möglichst viele „weiße Flecken“ - das sind Adressen mit weniger als 30 MBit/s Downloadgeschwindigkeit - zu beseitigen.
Nach einer europaweiten Ausschreibung wurde der Auftrag an die Deutsche Telekom vergeben. Die Kosten von 19,4 Millionen Euro übernehmen Bund und Land. Davon legen die Bauarbeiter den Hausbesitzern (sofern sie die Genehmigung erteilen) das Glasfaser bis ins Haus, an den Haupttelefonanschluss. Anwohner müssen übrigens später nicht automatisch die Telekom als neuen Anbieter ihres schnellen Internet-Vertrags wählen – die Auswahl bleibt jedem selbst überlassen.
Auch in Innenstädten soll bis 2030 Glasfaser das Kupferkabel ablösen
„Der Breitbandausbau ist eine wesentliche Bedingung, dass Leute im Kreis gut leben können“, betont Olaf Schade beim symbolischen Spatenstich. Zusammen mit Vertretern aus den neun Kreis-Städten will er zeigen: „Es geht voran.“ Nicht nur Berufstätige, die in Home Office-Zeiten gerade an ihre Grenzen gelangen, dürften da erleichtert aufatmen. Doch bis man wirklich überall im Kreis in Sekundenschnelle große Datenmenge herunterladen kann, wird es noch etwas dauern
Karte informiert über Ausbaupläne
Der EN-Kreis will demnächst eine Karte auf seine Seite stellen, auf der die Straßenzüge mit geplantem Ausbaudatum aufgelistet sind. Man kann sich auch per Email beim Breitbandbeauftragten informieren: u.schilling@en-kreis.de.
Die Glasfaseranschlüsse werden von der Deutschen Telekom als „FTTH“ („fibre to the home“) ausgeführt. Somit wird der Großteil der neuen Netze in Glasfaser bis zum Haus- bzw. Wohnungsanschluss gebaut, statt wie bisher üblich auf den letzten Metern mit Kupfer- oder Koaxialkabeln.
Innerhalb der Ausbaugebiete werden für Unternehmen Übertragungsraten von mindestens 1 GBit/s symmetrisch zur Verfügung stehen. Symmetrischer Glasfaseranschluss bedeutet, dass die Bandbreite nicht durch andere Anschlussnehmer auf der gleichen Leitung gemindert wird.
So legt im ländlichen Raum die Telekom zwar Glasfaser bis an die Haustür. In den Innenstädten nutzt man aber das Vectoring-Verfahren, das 250 MBit/s ermöglicht. Erst 2030 sieht Ulrich Schilling auch hier Glasfaser liegen. Dieses treiben Privatunternehmen wie NetCologne zurzeit voran. Bleiben noch Haushalte, die in Randbereichen liegen, etwa auf den Stadtgrenzen. Für diese Häuser verspricht Ulrich Schilling einen Anschluss über separate Förderprogramme.
Tatsächlich gibt es übrigens Hausbesitzer, die den Anschluss ans schnelle Netz gar nicht wollen – etwa weil Eigentumsfragen ungeklärt sind. In diesen Fällen legt die Telekom das Glasfaser immerhin bis zur Grundstücksgrenze. Vielleicht wird man ja in einigen Jahren die Vorteile des Breitbands zu schätzen wissen.