Witten. Neubauten in Witten sind heiß begehrt – weil sie Glasfaseranschluss haben. Andere Haushalte müssen auf schnelles Internet noch jahrelang warten.
Die Elektrogeräte sind vernetzt, im Fernseher läuft der Streamingdienst und Alexa erzählt ein Kochrezept – leistungsfähige Datenleitungen werden zu Hause immer wichtiger. Doch noch nicht einmal ein Prozent der Wittener Häuser sind zurzeit an das Glasfasernetz angeschlossen, so der Breitbandbeauftragte des EN-Kreises Ulrich Schilling. 2020 soll der großflächige Wechsel von Kupferkabel auf Glasfaser starten. Das heißt: Innerhalb von zehn Jahren bekommt jedes Haus in Witten eine schnelle Leitung in den Keller gelegt.
Welchen Wert ein moderner Datenanschluss für eine Immobilie hat, kann man an einem Neugebiet am Ledderken 44 ausmachen. Investor Rüdiger Tulodziecki-Berg hat ein brachliegendes Grundstück von der Ev. Stiftung Diakonie Ruhr neben dem Schwesternpark gekauft. Diese hatte 2002 dort eine Bebauung beworben, doch die Vermarktung misslang. Tulodziecki-Berg habe daraufhin die Pläne überarbeitet und die zwölf Doppelhaushälften und ein Mehrfamilienhaus unter dem Slogan „Wohnen am Park mit Glasfaseranschluss“ beworben.
Wittener Neubaugebiet: Glasfaser ein klarer Verkaufsvorteil
Es sind relativ kleine Würfel auf einem nur fußläufig zur erreichenden Gelände. Schlüsselfertig verkauft wurden sie binnen weniger Monate für 340.000 bis 380.000 Euro, so der Investor. Der vorhandene Glasfaseranschluss sei dabei „ein klarer Vorteil für den Verkauf“ gewesen. „Es gab eine große Nachfrage. Einige der Käufer arbeiten im Home Office, alles sind Familien. Für die ist eine schnelle Verbindung ganz wichtig.“ Ende Januar werden die ersten Wohneinheiten bezogen.
„Glasfaser ist absolut zukunftssicher, das ist ein klarer Standortvorteil“, bekräftigt Experte Ulrich Schilling. Noch reiche vielen der Anschluss über Kupferkabel. „Demnächst nutzen zwar nicht mehr Leute Internet. Aber jeder von uns wird einen höheren Datendurchsatz haben.“ In zwei, drei Jahren, schätzt er, werde der Ruf nach schnelleren Leitungen viel öfter zu hören sein.
Nur 230 Haushalte in Witten haben direkten Glasfaseranschluss
Bislang seien viele Haushalte – und im Übrigen auch Unternehmen – nicht bereit, die teureren Anschlüsse zu buchen. Nur 43 Wittener Firmen und rund 230 Privathaushalte hätten einen unmittelbaren Glasfaseranschluss, so Schilling. Teilweise liegt die Infrastruktur schon: 2017 und 2018 haben die Telekom und NetCologne kilometerweise Glasfaser quer durch Witten gelegt – allerdings nur bis zu den Verteilerkästen. Bis zum jeweiligen Hausanschluss werden meist noch Kupferkabel genutzt.
Bund und Land fördern Breitbandausbau mit 18 Millionen Euro
Erklärtes Ziel des EN-Kreises und seines Breitbandbeauftragten sei es, jedes Unternehmen und jedes Haus direkt anzuschließen. Die Gewerbegebiete, so Schilling, werden flächendeckend in spätestens drei Jahren versorgt sein. Für Privatanschlüsse ist es „realistisch, dass wir zehn Jahre brauchen“.
Mehrere Firmen bieten in Witten Glasfaser an
Während fast im gesamten EN-Kreis ausschließlich die AVU sich um den Breitbandausbau kümmert, beackern dieses Feld in Witten mehrere Firmen. Das sind Net Cologne in Zusammenarbeit mit innogy, die Deutsche Telekom und Unitymedia (jetzt: Vodafone). Unitymedia hat allein in der Innenstadt 60.000 Kunden, so Breitbandexperte Ulrich Schilling. Das Unternehmen lege allerdings aus Kostengründen oft Kupferkabel und nutze nur an den Verteilerpunkten Glasfaser.
Die Wittener Gewerbegebiete sind zu einem großen Teil mit Glasfaser versorgt. Dies haben die TMR in Zusammenarbeit mit den Stadtwerken übernommen.
Bund und Land fördern den Breitbandausbau im EN-Kreis mit jeweils neun Millionen Euro. Bereits 2018 wurden diese Gelder bewilligt. Der erste Spatenstich lässt aber noch auf sich warten. „Das ausführende Unternehmen ist noch in der Feinplanung. Klar ist bislang nur, dass der Ausbau 2020 im nördlichen EN-Kreis, mit Witten und Herdecke, starten wird.“ Vor allem hakt es daran, Tiefbauunternehmen zu finden. Dieser Mangel wirke sich auch auf die Kosten aus. „In einer Bewertung von 2014 haben wir pro Meter aktiven Tiefbau 75 Euro berechnet. Aktuell liegt der Meter bei 115 Euro“, so Schilling. Kosten für den Privathaushalt entstehen dabei nicht. „Es gibt für den jeweiligen Bürger keine Verpflichtung, dass man Glasfaser auch bucht.“