Witten. Witten war eine wunderbare Einkaufsstadt, findet eine, die hier 40 Jahre lebt. Erinnerungen an alte Zeiten – bevor das Netz zum Marktplatz wurde.

Ich muss gestehen, das Aus von Galeria Kaufhof weckt bei mir Erinnerungen an Geschäftsschließungen, die dem Aus des großen Warenhauses oft fast leise vorangegangen sind. Erinnerungen an Witten als einst wunderbare Einkaufsstadt.

Ach, was konnte man nicht früher alles auf Wittens Flaniermeilen, der Bahnhof- und der Ruhrstraße, kaufen. Bei Detaille an der Ruhrstraße gab es Mode aus aller Welt, als ich diese noch mit dem Finger auf der Landkarte erkundete. Bei Detaille fand ich sogar mein Abschlussball-Kleid, produziert von einer Modemarke aus London, gesponsert von meiner großzügigen Großmutter. Dann das Jeanshaus Jacks am Berliner Platz. Dort wurde jeder Hosentraum wahr – für fast jede Konfektionsgröße.

Café Leye auf der Bahnhofstraße in Witten bot eine echte Caféhaus-Atmosphäre

Im Spielzeugladen Langelittig an der Bahnhofsstraße – neben der Buchhandlung Krüger – habe ich als Kind Barbie-Puppen bestaunt, die mir meine Mutter nicht kaufen wollte. Weil sie fand, dass dürre Kunststoff-Mädels mit kräftigem Make-up nichts in einem Kinderzimmer verloren haben. Getröstet habe ich mich mit einem Stück Kuchen mit Sahne im Café Leye! Dessen gediegene Caféhaus-Atmosphäre schätzten auch Menschen, die damals „von auswärts“ kamen, um in Witten einzukaufen. Wie zum Beispiel stattliche Herren, die bei Boecker einen passenden Anzug fanden.

Ein Blick in das ehemalige Café Leye an der Bahnhofstraße in Witten. Heute findet man dort die „Schule der sozialen Kunst“, eine Institution des Bildungsunternehmens Projektfabrik.
Ein Blick in das ehemalige Café Leye an der Bahnhofstraße in Witten. Heute findet man dort die „Schule der sozialen Kunst“, eine Institution des Bildungsunternehmens Projektfabrik. © Walter Fischer | Walter Fischer

Wenn ich früher ein Geschenk für eine Freundin suchte, wurde ich oft im Glas- und Porzellanwaren-Geschäft Schemmann an der Ruhrstraße fündig. Dort konnten auch Hochzeitspaare ihren ganz persönlichen Gabentisch zusammenstellen. Ein Augenschmaus für alle Kunden! Eine Wittener Institution auf der gegenüberliegenden Straßenseite: Spielwaren Engel. Ende 2017 hat Franz-Hermann Engel im Alter von 77 Jahren sein Geschäft an der Ruhrstraße abgeschlossen, das einst sein Vater Franz nach dem Krieg gegründet hatte. „Engel konnte im Bereich Spielwaren alles besorgen“, schwärmten Stammkunden.

In der großen Wäscheabteilung von Sinn konnten Kinder Verstecken spielen

Auch das Modehaus Sinn gab es einmal in Witten – an der oberen Bahnhofstraße. Angeboten wurde Kleidung, die nicht nach der dritten Wäsche ihre Farbe und/oder ihre Form verlor. Dann hatte Sinn auch eine gut sortierte Wäscheabteilung, die so groß war, dass Kinder dort Verstecken spielen konnten. Im Schuhhaus Schrödter am Rathausplatz bekam man in den 80er Jahren italienischen Chic. Im Betten- und Wäschehaus Hugo Wülbern fand man über 80 Jahre lang ein hochwertiges Betten- und Wäsche-Sortiment. Ende 2016 schloss das Traditionsgeschäft an der Bahnhofstraße, die Internet-Konkurrenz war zu stark.

Als junge Frau bin ich Witten beim Einkaufen nur selten untreu geworden. In der Stadt, in der ich seit 40 Jahren lebe, gab es alles, was ich benötigte. Aus mir ist bis heute keine Online-Käuferin geworden. Weil ich finde, dass ein Besuch in einem schönen Geschäft mit guter Beratung auch ein sinnliches Vergnügen ist. Wie traurig, dass immer mehr Menschen ihr Shopping-Erlebnis ins Netz verlegen.

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