Witten. . Ende des Jahres ist Schluss: Franz-Hermann Engel schließt sein Spielwarengeschäft an der Ruhrstraße. Mit 77 setzt er sich zur Ruhe.

Rüdiger Thimm ist Vater von vier Kindern und Großvater. Der 67-Jährige erzählt schmunzelnd, dass er deswegen seit über 30 Jahren Stammkunde bei Spielwaren Engel ist. „Viele, viele Puppen und große Stofftiere“ habe er dort gekauft. Dass das Wittener Traditionsgeschäft, das letzte seiner Art in der Stadt, nach 68 Jahren schließt, bedauert Thimm sehr. „Denn Engel konnte alles besorgen.“

Ein Lob, das Geschäftsinhaber Franz-Hermann Engel freut. Trotzdem: „Am 30. Dezember ist um 16 Uhr Schluss.“ Dann wird der 77-Jährige sein Geschäft abschließen. Denn einen Nachfolger habe er nicht gefunden, bedauert er. Was fängt der Mann, der zeitlebens keine Zeit für ein Hobby hatte, dann mit seinen ganzen freien Tagen an? „Ach, wir haben ein Haus mit einem Garten. Da ist man beschäftigt.“

Das Geschäft wurde 1949 in einer Garage gegründet

Dass man sich mit 77 zur Ruhe setzen möchte, können Engels Kunden verstehen. Vermissen werden sie ihren Spielwaren-Händler dennoch. Auch Männer, die sich im Geschäft an der Ruhrstraße seit vielen Jahren mit Artikeln rund ums Thema Eisenbahn eindecken. Wie der Wetteraner Helgo Jant. Der 73-Jährige besitzt allein drei Modelleisenbahn-Anlagen für das Haus, außerdem eine für den Garten. Jants Trost, wenn er an Engels Geschäftsaufgabe denkt: „Ich ziehe mit meiner Frau bald nach Ostfriesland.“ In Leer gebe es auch ein Fachgeschäft, das Modelleisenbahnen anbiete.

Franz-Hermann Engels Firma wurde nach dem Krieg von seinem Vater Franz gegründet. Der ehemalige Zigarrenhändler machte sich 1949 in einer Garage an der Husemannstraße selbstständig. 1950 zogen Franz Engel und seine Frau Anna mit ihrem Laden an die Ruhrstraße 26. „Da hatten sie zunächst noch keine Spielwaren im Sortiment, sondern verkauften Hausrat, Herde, Öfen, Werkzeug, Glas und Porzellan.“ Dinge, die man im Nachkriegs-Witten dringend benötigte. „Die Spielsachen kamen erst 1955 hinzu.“ Sohn Franz-Hermann machte ab 1958 seine Lehre als Einzelhandelskaufmann im väterlichen Geschäft, dem er treu blieb und das er 1980 übernahm.

Für seine Stofftiere hat er gekämpft

Dass er seinen Kunden auch Steiff-Tiere und Eisenbahnen von Märklin anbieten konnte, dafür habe er damals gekämpft, erzählt er. „Denn da gab es ja auf der Bahnhofstraße auch das Geschäft Langelittig“, das diese Markenartikel gerne alleine in der Stadt vertrieben hätte. Engel reiste zur Internationalen Spielwarenmesse nach Nürnberg und sprach vor Ort mit den Firmen, die ihn interessierten und ihn fortan auch belieferten.

Franz-Hermann Engel mit seiner Frau Christa, die unter anderem für die Buchhaltung des Geschäftes zuständig war. Foto: Walter Fischer / FUNKE Foto Services
Franz-Hermann Engel mit seiner Frau Christa, die unter anderem für die Buchhaltung des Geschäftes zuständig war. Foto: Walter Fischer / FUNKE Foto Services

Viele Kunden werden sich an Engels Minizoo im Schaufenster erinnern. Lebensgroße Steiff-Tiere – ein Esel, ein Kälbchen, ein Ziegenbock, ein Schaf und eine Gans – , die viele Blicke auf sich zogen. Früher habe man auch Käthe-Kruse-Puppen verkauft, „aber Sammler-Puppen sind out“, sagt Engels Frau Christa, die ihrem Mann im Verkauf und an der Kasse half und heute noch dessen Buchhaltung macht.

Weihnachten wurde 50 Prozent des Umsatzes gemacht

Das weihnachtlich geschmückte Schaufenster der Engels an der Ruhrstraße im Jahr 1959.
Das weihnachtlich geschmückte Schaufenster der Engels an der Ruhrstraße im Jahr 1959.

Vor sieben Jahren sind die Engels in ein kleineres Ladenlokal an der Ruhrstraße 32 umgezogen. Jetzt zur Weihnachtszeit zieren nicht nur Steiff-Tiere, sondern auch Spieluhren, ein Puppen-Kleiderschrank, ein Puppen-Bett und ein Nostalgie-Herd für Nachwuchs-Köchinnen ihr Schaufenster. Engels Enkeltochter lebt mit den Eltern in Dänemarks Hauptstadt Kopenhagen. Was bekommt die Zwölfjährige von den Wittener Großeltern zu Weihnachten? „Ein Steiff-Tier, einen Luchs“, verrät Christa Engel. Der erweitere dann den Stofftier-Zoo des Enkelkindes.

Weihnachten sei immer seine verkaufsstärkste Zeit gewesen, berichtet Franz-Hermann Engel ein wenig wehmütig. „Da habe ich rund 50 Prozent meines Jahresumsatzes gemacht.“ Dass der Internethandel Blüten treibt, hat auch er in den letzten Jahren zu spüren bekommen. Es shoppe sich halt sehr bequem vom Sofa aus. „Und der örtliche Fachhandel guckt leider in die Röhre.“


>>> AM 30. DEZEMBER IST DER LETZTE VERKAUFSTAG

Am Samstag, 30. Dezember, ist das Geschäft Spielwaren Engel zum letzten Mal (bis 16 Uhr) geöffnet. „Nach Weihnachten wird es noch einmal einen Resteverkauf zu günstigen Preisen geben“, so Franz-Hermann Engel.

Der 77-Jährige bietet Ware schon jetzt zu reduzierten Preisen an. Nach Computerspielen sucht man in seinem Laden an der Ruhrstraße vergeblich. „Dieses Geschäft war mir immer zu schnelllebig.“