Witten. Open-Air Theater Ende September: Das Wittener Frederick Ensemble spielt trotz Corona wieder. Auch auf der Bühne geht’s um Krankheiten…

90 Jahre alt, doch jetzt wieder brandaktuell: Das Theaterstück „Der Jasager und der Neinsager“ von Bertolt Brecht erzählt von einer Seuche, die eine ganze Stadt befällt. Das Frederick Ensemble Witten führt das zweiteilige Stück nächste Woche auf. Geflüchtete, Arbeitslose und Orientierungssuchende stehen auf der Bühne und zeigen, wie weit Menschen gehen, um andere zu retten.

Eine Stadt wird von einer Seuche heimgesucht – so beginnt „Der Jasager“. Ein Lehrer bricht mit drei Studenten und einem Jungen zu einer gefährlichen Reise in die Berge auf, um Medizin zu holen. Mitten im Gebirge wird der Junge krank. Um die Mission und damit die Stadt zu retten, bleibt er freiwillig zurück – und bringt damit ein großes Opfer.


Drei Termine sind geplant

Die Premiere des Theaterstücks „Der Jasager und der Neinsager“ findet am Donnerstag, 24. September, im Innenhof von Haus Witten statt. Weitere Aufführungen sind am 25. und am 27. September.

Beginn ist jeweils um 20 Uhr. Die Karten kosten 8 Euro, ermäßigt 5 Euro und können unter www.projektfabrik.org oder unter 02302 / 914550 reserviert werden.

Idee für das klassische Theaterstück in Witten ist durch Corona gekommen

„Die Idee für das Stück ist uns durch Corona gekommen. Das ist einfach der Text der Stunde“, sagt Regisseur Martin Kreidt. Er ist künstlerischer Leiter der Bildungseinrichtung „Projektfabrik“, die das Frederick Ensemble gegründet hat. Seit Anfang Juni proben die acht Schauspieler im Innenhof von Haus Witten. Hier sollen in der nächsten Woche auch die drei Vorstellungen stattfinden, unter freiem Himmel und mit Abstand. Die Schauspieler erzählen die Geschichte ganz ohne Requisiten, dafür mit viel Gestik und Mimik.

Kraftvolle Stimme: Khalid Etab lebt erst seit drei Jahren in Deutschland. Beim Wittener Frederick Ensemble hat er Anschluss gefunden und sein Deutsch verbessert.
Kraftvolle Stimme: Khalid Etab lebt erst seit drei Jahren in Deutschland. Beim Wittener Frederick Ensemble hat er Anschluss gefunden und sein Deutsch verbessert. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

„Wenn ich auf der Bühne stehe, bin ich wie in Trance, dann geht alles von alleine“, sagt Aniko Tothpal. Sie spielt im „Neinsager“-Teil des Stücks den Jungen, der die Studentengruppe in die Berge begleitet. Anders als im ersten Teil gibt es hier keine Seuche. Dennoch wird der Junge krank und die anderen wollen ihn in das Tal werfen, um einen alten Brauch zu erfüllen. Der Junge sagt nein und überzeugt die Gruppe davon, den alten Brauch zu hinterfragen und ihr Handeln zu verändern.

Die Schauspieler proben täglich unter professioneller Leitung

„Die Rolle gefällt mir so gut, weil ich ein bisschen meine Jugend nachholen kann“, sagt Aniko Tothpal. Die 36-Jährige hat vorher schon für das Frederick Ensemble auf der Bühne gestanden und so ihr Talent für die Schauspielerei entdeckt. Bei der Projektfabrik hat sie eine Sozialkünstlerausbildung gemacht. Eigentlich möchte sie Tischlerin werden: „Ich bin gerade in der Übergangsphase, deswegen nutze ich die Zeit für das Theater“, so Tothpal.

Martin Kreidt ist Regisseur der Wittener Theatergruppe Frederick Ensemble. Bei den Proben schleift er noch an letzten Feinheiten, bevor es nächste Woche ernst wird.
Martin Kreidt ist Regisseur der Wittener Theatergruppe Frederick Ensemble. Bei den Proben schleift er noch an letzten Feinheiten, bevor es nächste Woche ernst wird. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Das Frederick Ensemble ist für die Teilnehmer kein Hobby nebenbei – sie proben professionell in Vollzeit. Das Projekt ist 2017 gestartet. Menschen, die aus verschiedenen Gründen gerade keinem Beruf nachgehen und nach Orientierung suchen, sollen hier eine sinnvolle Betätigung bekommen.

Geflüchtete finden beim Theater Anschluss und lernen Deutsch

Dazu zählen auch Geflüchtete wie Khalid Etab. Er lebt seit drei Jahren in Deutschland. Im Frederick Ensemble hat er nicht nur Anschluss gefunden, sondern auch seine Deutschkenntnisse verbessert. Im „Neinsager“-Teil spielt der 40-Jährige die Mutter des Jungen und singt sogar ein Solostück. „Die Texte zu lernen, ist für mich natürlich sehr schwierig. Aber meine Kollegen helfen mir immer“, sagt Etab.

Das Ensemble will mehr als nur Kunst machen. „Wir verstehen uns als Stadttheater, als eine sozial orientierte Bürgerbühne, die einen Nutzen für die Stadt hat“, sagt Regisseur Martin Kreidt. Die Kultur- und Mitmachangebote finden normalerweise im Café Leye an der Bahnhofstraße statt. Um die Corona-Regeln einzuhalten, wurden Proben und Aufführungen in den Innenhof des Haus Witten verlegt – in Kooperation mit dem Kulturforum. Für die Zukunft des Projekts wünscht Kreidt sich noch mehr Teilnehmer: „Wir bieten hier eine Art Persönlichkeitsentwicklung. Da kann man auch für die berufliche Zukunft oft viel mehr mitnehmen, als bei irgendwelchen Exel-Kursen.“

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