Witten. . Im Frederick Ensemble haben sich junge Leute zusammengefunden, die nicht recht wissen, was sie eigentlich wollen. Hilft da das Schauspiel?
- Mit der Aufführung des „Fausts“ im Wiesenviertel hat das Frederick Ensemble Anfang Oktober Eindruck gemacht
- Die Darsteller suchen über die Kultur den Sinn in ihrem eigenen Leben
- Im Repertoire haben die Schauspieler das Kinderstück „Frederick“, eine Bilderbuchgeschichte von Leo Lionni
Mit der Aufführung des „Fausts“ im Wiesenviertel hat das Frederick Ensemble Anfang Oktober Eindruck gemacht – schließlich stemmten die Laiendarsteller einen Großteil der ungewöhnlichen Inszenierung. Auch diese Theatergruppe ist etwas Besonderes: Es sind junge Leute, die über die Kultur den Sinn in ihrem eigenen Leben suchen.
„Ein sozialer Raum für alle, die auf der Suche nach Veränderung und Perspektiven sind“ wird das Projekt auf seiner Internetseite beschrieben. Es ist ein „Anhängsel“ der Projektfabrik, geleitet von Martin Kreidt, Elrouda Mohamed und Matthias Hecht, und finanziert über die private Kurt und Maria Dohle-Stiftung.
Auf der Studiobühne hinter dem Biergarten des Knuts an der Wiesenstraße trifft sich das Ensemble seit Januar an drei Vormittagen in der Woche. Im Repertoire haben die Schauspieler das Kinderstück „Frederick“. Die Bilderbuchgeschichte von Leo Lionni über eine Sonnenstrahlen sammelnde Maus ist ein bezauberndes Gleichnis für den Sieg der Kunst über das platte Leben.
Callcenter-Arbeit führte in Depression
Das passt zu den Darstellern. Alle haben eine nicht ganz gerade Berufsbiografie. „Ich bin ein kreativer Mensch, habe aber nix gelernt“, sagt Simon Brenken, 30. Zweimal habe er versucht zu studieren, saß stattdessen zuhause vor dem PC. Sein Psychologe riet ihm zum Schauspiel. „Beim Faust habe ich gemerkt, wie leistungsfähig ich eigentlich bin“, sagt er.
Karen Klein, 32, arbeitete jahrelang als Visagistin, „aber eine wirkliche Erfüllung war das nicht“. Das Ensemble „war das Beste, was mir passieren konnte. Hier habe ich für mich enorme Fortschritte gemacht“. Neben ihr sitzt Aniko Tothpal, Anglistik-Studentin mit Sinnkrise. Dann kommt Frank Dahlbeck, der erst Zahntechniker lernte, dann zum IT-Systemelektroniker umschulte. „Drei Jahre als technischer Support in einem Callcenter haben mich in eine Depression gestürzt.“ Seine Bilanz: „Ich arbeite lieber mit Menschen als für Maschinen.“ Auch junge Flüchtlinge verstärken das Team: etwa Sharafou, 24, aus Guinea und Amr, 23, aus Syrien. Er lebt seit zwei Jahren in Deutschland, spricht die Sprache fast perfekt und träumt davon, Regisseur zu werden.
Auf Tournee mit dem Kinderstück
Man merkt: irgendwie haben alle hier ganz schön an sich selbst zu knabbern. „Mein Körper war immer nur ein Anhängsel“, philosophiert Aniko. „Erst jetzt vereine ich Kopf und Herz.“ Das Theater bringe was fürs Selbstvertrauen. Und: „Es ist ein Supermittel gegen Prüfungsangst.“
Mit „Frederick“ tingeln sie durch Schulen, Kindergärten und Altenheime, absolvieren zwei Auftritte pro Woche. Es ist ein Spagat zwischen Kulturangebot und Beschäftigungstherapie. „So bekommt man Struktur in den Tagesablauf: Dass man täglich um 10 Uhr hier auf der Matte steht“, erklärt Elrouda Mohamed einen der vielen Vorteile des Projektes. Ein anderer ist, dass vom Kulturprogramm auch das Quartier profitiert. Die nächste große Aufführung soll es an Weihnachten geben.
>> Das Frederick Ensemble macht nicht nur Theater
Im Roxi probt auch die „Fred Band“ – donnerstags von 15.30 bis 18.30 Uhr. Bei den Jam Sessions kann jeder mitspielen! Geplant ist auch eine „Frederick-Impro-Gruppe“.
Wer sich für das Projekt interessiert: Infos gibt es über Facebook (Frederick Witten). Geprobt wird montags bis mittwochs von 10 Uhr bis 13 Uhr im Roxi im Hinterhof des Knut’s, Wiesenstraße.