Witten. Die Zahl der mit Corona Infizierten steigt. In Seniorenheimen in Witten denkt man an den Herbst, wenn nicht mehr wie bisher gelüftet werden kann.

Die Zahlen der mit Corona Infizierten in Witten und im Kreis steigen seit Wochen. Die Seniorenheime in der Stadt haben ein wachsames Auge auf das Infektionsgeschehen. Denn ihre betagten Bewohner bedürfen eines ganz besonderen Schutzes. Michael Schillberg, Geschäftsführer der Boecker-Stiftung: „Bislang hatten wir keine Coronafälle.“ Um für den Ernstfall vorbereitet zu sein, vergibt Schillberg derzeit nur fünf seiner zehn Kurzzeitpflegeplätze. „Denn wenn wir Kranke im Haus hätten, benötigen wir freie Zimmer.“

Die Boecker-Stiftung betreibt das „Haus am Voß’schen Garten“ (80 Plätze) und das Haus „Leben im Alter“ an der Breite Straße (94 Plätze). Michael Schillberg würde sich wünschen, dass Pflegekräfte, die einen Coronatest machen wollen, auch einen Test machen können – auch wenn sie keine Krankheitssymptome zeigen und keinen Kontakt zu Infizierten hatten. „Dies ist derzeit aber nicht der Fall.“

„Ich hoffe, dass möglichst rasch ein Impfstoff gefunden wird“

Michael Schillberg, Geschäftsführer der Boecker-Stiftung, trägt auch beim Gang in die Wittener Innenstadt eine Maske.
Michael Schillberg, Geschäftsführer der Boecker-Stiftung, trägt auch beim Gang in die Wittener Innenstadt eine Maske. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Schillberg ist ein großer Verfechter des Mund-Nasen-Schutzes. „Wir raten auch unseren Bewohnern, eine Maske zu tragen, wenn sie das Haus verlassen.“ Er selbst geht mit gutem Beispiel voran. Der Geschäftsführer gibt zu, dass er Angst davor hat, dass sich einer seiner Mitarbeiter oder einer der Bewohner mit Corona infizieren könnte.

„Beim Spaziergang im Wald brauche ich keinen Mund-Nasen-Schutz. Wenn ich durch die volle Wittener Innenstadt gehe oder samstags im Bochumer Ruhrpark einkaufe aber doch. Dort kommt man sich nämlich viel zu nah.“

Im Herbst und Winter sieht Schillberg noch eine andere Gefahr. „Dann können wir bei unseren alten Menschen nicht mehr so lüften, wie das derzeit aufgrund der Wärme der Fall ist.“ Hinzu komme, dass mit der kälteren Jahreszeit auch Erkältungskrankheiten aufkommen. „Ich hoffe, dass dann mehr getestet und möglichst rasch ein Impfstoff gefunden wird.“

„Bei uns leben viele ältere Menschen auf engem Raum zusammen“

Auch der Leiter des Wittener Feierabendhauses, Andreas Vincke, macht sich Sorgen, wenn er an die kältere Jahreszeit denkt: „Stichwort Aerosole. Bei uns leben viele ältere Menschen auf engem Raum zusammen.“ Im Feierabendhaus arbeite man an einem Konzept, wie man das Lüftungsproblem im Herbst und Winter lösen könne. „Denn dazu gibt es derzeit noch keine Vorgaben.“

Vincke hält es – wie sein Kollege Michael Schillberg – für sehr wichtig, dass sich beim Thema Corona keine Lässigkeit breitmacht. 95 Prozent der Besucher des Feierabendhauses, die täglich – nach einer Anmeldung – von 10 bis 17 Uhr in die Senioreneinrichtung an der Pferdebachstraße kommen können, hielten sich an die Corona-Vorschriften. „Bei fünf Prozent erlebe ich aber eine gewisse Corona-Müdigkeit. Diese Menschen können das Wort Corona nicht mehr hören, reagieren gereizt und ungehalten. Das kostet uns Zeit und Energie.“

Apropos Energie: Vincke spricht seinen Mitarbeitern ein großes Lob aus, die auch während der großen Hitze immer mit Mund-Nasen-Schutz gearbeitet hätten. „Das ist Schwerstarbeit!“ Der Einrichtungsleiter ist sich sicher, dass die Pandemie „uns auch noch 2021 und 2022 begleiten wird“. In diesem Zusammenhang betont er, dass er die Corona-Prämie für Altenpflegekräfte „sehr schön“ gefunden habe. „Aber das reicht nicht. Wir brauchen insgesamt mehr Geld im System, müssen junge Menschen in die Altenpflege-Ausbildung bringen.“

Bochumer Gesundheitsamt testet seit März Beschäftigte von Pflege- und Altenheimen

Auch das Feierabendhaus belegt derzeit nur 50 Prozent seiner Kurzzeitpflegeplätze – um für den Ernstfall freie Betten zu haben. Bei der Tagespflege werden 45 Prozent der Plätze vergeben. Vincke: „Obwohl die Nachfrage danach ganz groß ist und die Leute Hilfe brauchen.“

1030 Menschen leben in Seniorenheimen

In Wittens elf Seniorenheimen wohnen derzeit rund 1030 pflegebedürftige Menschen. Die Bewohner des Bommeraner Seniorenheims Haus Buschey leben seit dem 29. Juli in ihrem neuen Haus. Errichtet wurde es auf dem Buschey-Gelände an der Wengernstraße von der Dortmunder VK Immobilien GmbH.

Die Evangelische Stiftung Volmarstein bleibt Trägerin und Betreiberin der Einrichtung, die jetzt 80 statt der bisherigen 58 Plätze anbietet. Bei allen 80 Plätzen handelt es sich um Einzelzimmer.

Beim Thema Coronatests verweist der Einrichtungsleiter nach Bochum. Bereits seit Ende März testet das dortige Gesundheitsamt Mitarbeiter von Pflege- und Altenheimen regelmäßig auf das Virus. Vincke: „Ich denke, mit regelmäßigen Tests beim Personal kann ein Ausbruchsgeschehen schnell erkannt werden.“ Von der Landesregierung würde er sich für Senioreneinrichtungen ein längerfristiges Konzept zum weiteren Vorgehen bis zum nächsten Frühjahr wünschen. Bislang fahre man nämlich immer nur auf Sicht.

Nicolas Starck, Geschäftsbereichsleiter Seniorenhilfe der Evangelischen Stiftung Volmarstein, und Magdalena Pogorzalek, Leiterin des Hauses Buschey in Witten-Bommern, vor dem Neubau der Senioreneinrichtung, der gerade bezogen wurde.
Nicolas Starck, Geschäftsbereichsleiter Seniorenhilfe der Evangelischen Stiftung Volmarstein, und Magdalena Pogorzalek, Leiterin des Hauses Buschey in Witten-Bommern, vor dem Neubau der Senioreneinrichtung, der gerade bezogen wurde. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Im Bommeraner Seniorenheim Haus Buschey bereitet man sich auf eine zweite Coronawelle vor, „um im Ernstfall zielgerichtet handeln zu können“, wie Nicolas Starck sagt, Geschäftsbereichsleiter Seniorenhilfe der Evangelischen Stiftung Volmarstein. Die Stiftung ist Träger von Haus Buschey (80 Betten) und betreibt im EN-Kreis und Hagen insgesamt acht Alten- und Pflegeheime. Starck: „Im Herbst und Winter wird es erforderlich sein, sich die Besuchsregelungen noch einmal anzuschauen.“ Besuche im Freien seien dann nicht mehr, beziehungsweise nur sehr eingeschränkt möglich. Deutlich mehr Besuche in den Zimmern der Bewohner der Einrichtung würden jedoch das Infektionsrisiko erhöhen.

Angehörige und andere Besucher des Bommeraner Hauses seien derzeit größtenteils bereit, die Corona-Schutzvorschriften einzuhalten. Starck: „Wir mussten aber auch schon Hausverbote aussprechen. Das waren aber Ausnahmen.“

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