Witten. Ein Hartz-IV-Empfänger als Wittens Bürgermeister? Warum nicht, fragt Hans-Peter Skotarzik. Der Chef der Ruhrtalengel würde den Job gerne machen.
Unter den eher unbekannten Kandidaten ist er wahrscheinlich der bekannteste: Seit Jahren ist Hans-Peter Skotarzik als Leiter der Annener Kinder- und Jugendküche „Ruhrtalengel“ in der Stadt präsent. Nun will der 60-Jährige Bürgermeister werden. Warum? „Aus Liebe zu Witten“, sagt er. „Und weil ich es kann!“ Ein Porträt.
Skotarzik einen Querkopf zu nennen, trifft es, aber sagt nicht alles. Er ist ein Bollerkopp, ein „Polterer“, wie er es selbst nennt. Er trägt das Herz auf der Zunge – und hält seine Meinung selten zurück. „Immer ganz direkt“, sagt er. „,Witten direkt’ eben.“ Für diese Partei tritt er an, sitzt er seit elf Jahren im Rat und im Jugendhilfeausschuss. „Die Themen dort sind mir ein Herzensanliegen.“
„Witten direkt“ will sich um die Bedürftigen kümmern
Die Bedürftigen stehen bei ihm und seinen Parteikollegen ganz oben auf der Prioritätenliste. Kinder und Kranke, Alte und Arme. Dabei gehört „der Peter“, wie viele ihn nennen, eigentlich selbst zu dieser Gruppe. Er lebt seit Jahren von Hartz IV. Bauschlosser hat der gebürtige Wanne-Eickeler gelernt, 1987 dann einen Kiosk übernommen. Was er dort „anne Bude“ erlebte, hat ihn erschreckt: Kinder, die ohne Frühstück zur Schule gehen müssen, sich für ein paar Cent Bonbons in den Mund stopfen. „Weil sie Hunger haben.“ Skotarzik beschloss, etwas dagegen zu tun.
Doch 2002 wurde er krank. Nach dem Herzinfarkt kamen die Depressionen. Skotarzik hoffte, ein Neustart in einer anderen Stadt würde ihm helfen. Der Zufall führte ihn nach Witten. Aber nun will er hier nicht mehr weg. „,Aus Liebe zu Witten’ ist mein Wahlslogan – und das meine ich ernst“, versichert der Stockumer. „Hier will ich beerdigt werden.“
„Eine Erwerbstätigkeit lehne ich für mich persönlich ab“
In Witten nahm er die Pläne für die geplante Jugendküche wieder auf. 2009 gründete er den Verein „Ruhrtalengel“, den er auch leitet. Der ehrenamtliche Job füllt ihn aus, etwas anderes will der 60-Jährige nicht machen. „Eine Erwerbstätigkeit lehne ich für mich persönlich ab“, sagt er. „Das Ausruhen in der sozialen Hängematte aber auch.“ Wie er das mit seinem Hartz-IV-Satz vereinbart?
„Ich koste den Steuerzahler etwa 1000 Euro im Monat, gebe aber etwa 50 bis 80 Stunden pro Woche an Arbeit zurück – das ist umgerechnet weit unter Mindestlohn“, rechnet der Chef-Engel vor. Da müsse er kein schlechtes Gewissen haben. Und überhaupt: „Unsere Küche erwirtschaftet für die Stadt jährlich einen geldwerten Vorteil von 130.000 Euro – ohne Essen gerechnet.“
Diesen einen Job, den würde er allerdings gerne machen: den des Bürgermeisters. „Weil ich dann mehr bewegen könnte.“ Warum er gerade diesmal kandidiert? „Weil sich etwas ändern muss – und weil ich es besser machen würde als die anderen“, davon ist Skotarzik überzeugt. Diese Selbstbewusstsein habe ihm seine Mutter mitgegeben. Ihr Leitspruch war: „Du musst nicht alles können, aber du musst dir alles zutrauen“. Skotarzik traut sich. „Ich würde der Stadt gut tun.“
„Ich habe hier jeden Tag Bürgersprechstunde“
Menschlicher würde es werden, wenn er gewinnt. „Ich habe Bürgernähe, bin nah an der Basis.“ Er müsse keinen Stand auf dem Markt aufbauen, um mit den Wittenern in Kontakt zu kommen. „Ich habe hier jeden Tag Bürgersprechstunde.“ Dabei komme es aber eigentlich gar nicht aufs Reden an, sondern aufs Machen. Probleme müssten angepackt werden. Im Großen wie im Kleinen. „Nicht jammern, dass Kippen vor der Tür liegen, lieber den Besen nehmen und fegen.“
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Falls es klappt mit der Wahl – und Skotarzik rechnet sich gute Chancen aus –, dann will er als Erstes dafür sorgen, dass Witten einen Behindertenbeirat bekommt. Schwimmunterricht und Verkehrserziehung für Kinder stehen weit oben auf seiner Agenda. Die Digitalisierung der Schulen hingegen nicht. „Wir brauchen keine Computer, sondern mehr Personal und kleinere Klassen.“ Unter einem Bürgermeister Skotarzik würde der Kornmarkt grün werden, die Bahnhofstraße belebt. Wie genau? Da würde er sich beraten lassen. „Wir haben ja 1400 fähige Mitarbeiter bei der Stadt.“ Und wenn die nicht weiter wüssten, dann könne man sich externe Experten ins Boot holen. Ein großes Netzwerk müsste Skotarzik sich dafür nicht aufbauen. „Das habe ich schon.“
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