Witten. Mareike Gintzel wird am Sonntag (9.8.) in ihren Dienst als Innenstadtpfarrerin in Witten eingeführt. Das ist fast ein kleines Wunder.
Pfarrerin? Wollte sie eigentlich nie werden. Und schon gar nicht Gemeindepfarrerin. Warum dann doch alles anders kam, erzählt Mareike Gintzel im Interview. Die 36-Jährige wird am Sonntag als neue Innenstadtpfarrerin in der Johanniskirche eingeführt. Dass Glaube ihr ein Herzensanliegen ist und sie Menschen durch ihre Art mitzureißen versteht, das ist schon nach wenigen Minuten klar. Ein Gespräch über Gott, die Liebe und eine rosarote Brille.
Frau Gintzel, Sie tragen ein pinkfarbenes Top und einen bunten Rock. Wie kommen Sie mit dem Talar klar?
Mareike Gintzel: Es ist warm. Da habe ich mich für dieses Outfit entschieden. Einen Talar wollte ich eigentlich nie tragen. Aber inzwischen ziehe ich ihn an, denn ich habe festgestellt, dass es im Gottesdienst besser ist, in neutralem Gewand vor der Gemeinde zu stehen. Ausstrahlung und Worte sind wichtig, nicht die Bluse oder der Minirock.
Sie wollten nie Pfarrerin werden. Warum sind Sie es nun doch?
Ich fand die Theologie spannend – mich mit Lebens-, Sinn- und Glaubensfragen auseinanderzusetzen. Ich wollte wissen, ob Luther die Bibel richtig übersetzt hat und habe deshalb Hebräisch gelernt. Ausschlaggebend für den Entschluss, Pfarrerin zu werden, waren dann zwei Momente. Auf einem Kirchentag habe ich den Hype um die Diskussion nicht verstanden, ob Gleichgeschlechtliche kirchlich heiraten dürfen. In dieser Machtposition, so etwas zu entscheiden, will ich Kirche nicht sehen. Ich dachte, dann werde ich eben Pfarrerin und gebe ihnen meinen Segen. Die eigentliche Entscheidung fiel dann aber nach meinem Vikariat in Menden.
Wittener Pfarrerin: „Ich bin ja nicht so kirchennah aufgewachsen“
Nach Ihrem Studium in Bethel, Leipzig und Münster haben Sie dort richtige Gemeindearbeit kennengelernt. Was hat Sie daran fasziniert?
Es war eine wunderbare Ausbildung. Ich konnte angstfrei lernen und Fehler machen. Ich bin ja nicht so kirchennah aufgewachsen. Gottesdienstliturgie war mir fremd. Eigentlich habe ich mich bis dahin eher als Pfarrerin in der Krankenhausseelsorge oder im Gefängnis gesehen. Doch ich habe meine alten Ideale überprüft und festgestellt: Ich liebe es, in allen Räumen den Glauben leben zu können. Das macht Gemeinde möglich.
Sie kommen aber schon aus einem christlichen Elternhaus?
Ich bin auf dem Land in der Nähe von Bielefeld aufgewachsen. Meine Familie war tief spirituell. Wir sind jedes Jahr nach Taizé gefahren. Aber klassische Gottesdienste, nein danke. Jetzt muss ich aufpassen, was ich sage, aber 20 Minuten Predigt waren für mich immer eine Gelegenheit für ein kleines Schläfchen. Ich mag lieber Andachten am Strand oder am Küchentisch. Der Moment meiner Konfirmation allerdings war der schönste meines Lebens. Ich habe den Tag wahnsinnig genossen, umgeben von lieben Menschen. Es war aufregend, gesegnet zu werden. Aber danach bin ich vom Glauben abgefallen.
„Ich werde nie beweisen können, dass es Gott gibt“
Anmeldung zum Gottesdienst
Die Presbyterien der Trinitatis- und der Johannis-Kirchengemeinde laden am Sonntag, 9. August, um 10 Uhr zur Einführung von Pfarrerin Mareike Gintzel in die Johanniskirche ein. Sie war als „Pfarrerin im Probedienst“ seit mehr als drei Jahren in den Gemeinden tätig. Nun wird sie zu 75 Prozent in der Johannisgemeinde und zu 25 Prozent in Trinitatis im Einsatz sein.
Die Einführung ist öffentlich. Wegen der Abstandsregeln und der dadurch begrenzten Besucherzahl ist eine Anmeldung erforderlich unter infojohanniswit@kirche-hawi.de (bitte Name, Adresse und Telefonnummer angeben).
Wie das?
Es gab für mich kein passendes Angebot in der Kirche. Ich hatte viel tiefere Fragen und habe mich mit denen alleine auf den Weg gemacht. Wie stelle ich mir Gott vor? Was kommt nach dem Tod? Wie ist alles entstanden?
Wie stellen Sie sich Gott vor?
Eigentlich soll man sich ja kein Bild von Gott machen. Gott ist die Liebe, das trifft es für mich. Ich werde nie beweisen können, dass es Gott gibt. Aber für mich fühlt sich das nach der Wahrheit an und die will ich leben.
Sie haben Ihren Probedienst in der Johannis- und der Trinitatisgemeinde absolviert. Wie war’s?
In der Johannisgemeinde stehen einerseits feste Traditionen im Mittelpunkt. Andererseits sind die Menschen dort gedanklich so frei und modern. In der Christuskirche – das ist ein wuseliger Haufen mit moderner Musik, Freizeitcamps und ohne feste Struktur.
„Ich bin ziemlich verliebt in die Stadt Witten“
Worauf wollen Sie Ihre Schwerpunkte legen?
Mein Herz schlägt für die Jugend- und Kinderarbeit, Feminismus und das queere (sexuell vielfältige, Anm.d.Red.) Leben. Ich möchte den jungen Menschen eine Heimat und Kraft geben. Und ich habe Lust, mich mit der Stadt zu vernetzen. Ich bin schon Mitglied im Wiesenviertelverein.
Wie gefällt Ihnen Witten?
Ich bin ziemlich verliebt in die Stadt, sehe alles durch die rosarote Brille. Witten hat einen guten Puls für mich. Wo sonst kann man schon mitten im Regen auf dem Sonnenschein wohnen und im Sommer auf dem Schnee. Ich selbst bin wahnsinnig gerne am Wasser und liebe es, zu schwimmen.
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