Witten. Für Wirte in Witten wird Corona mehr und mehr zur Katastrophe. Sie warten auf den Neustart. Und fühlen sich von der Politik im Stich gelassen.
Eigentlich würden sich die Kunden bei Farhad Tabrizi in diesen Tagen die Klinke in die Hand geben. Abschlussfeiern, Abibälle und Konfirmationen stünden jetzt an – Hochsaison in der Saalbaugastronomie. Doch die Türen bleiben zu, die Gäste weg.
„Das, was durch Corona alles wegbricht, ist für uns extrem dramatisch“, sagt der Geschäftsführer vom Mondo Catering. Kein Restaurantbetrieb, keine Kegelbahn, weder private noch öffentliche Feiern. „Es ist ein großes Dilemma, eine Katastrophe.“ Wie Tabrizi klagen viele seiner Kollegen in Witten. Egal ob Kneipe, Café, Restaurant oder Eventlocation – alles ist dicht.
„Wir haben keine Einnahmen, aber die Kosten laufen weiter“, sagt Martina Kobbeloer. Wie die Saalbau-Gastronomie hat auch Schloss Steinhausen vor allem mit den abgesagten Veranstaltungen zu kämpfen. „Alle Hochzeiten bis August finden nicht statt“, so die 57-Jährige. Zum Glück seien nur zwei Feiern komplett abgesagt worden, der Rest wurde 2021 verschoben. „Aber damit können wir die Verluste ja nicht reinholen. Nächstes Jahr gibt es ja nicht mehr Wochenenden. . .“ Es sei eine schlimme Situation für das ganze Team, so die Steinhausen-Chefin. „Und das Schlimmste ist die Ungewissheit.“ Die Gastronomie werde von der Politik im Stich gelassen.
Soforthilfe, Kurzarbeitergeld, gekürzter Mehrwertsteuersatz – das sei ja alles gut und schön, „aber Lösungen sind das nicht“, sagt Heinz Bruns, Chef im Restaurant Haus Kemnade. Und vergleichbar mit der Unterstützung anderer Branchen – „von der Abwrackprämie bis zum Ersatz von Dürreausfällen“ – seien diese Hilfen für die Gastronomie auch nicht. Das hat Folgen. Bruns hat drei seiner 25 Mitarbeitern inzwischen kündigen müssen. Zwei Auszubildende werden im Juni nicht übernommen. „Das fällt mir unendlich schwer.“
Chefin vom Café Möpschen in Witten vermisst Fahrplan für Öffnung der Lokale
Auch Heike Köhler vom Café Möpschen in der Ruhrstraße wartet sehnlichst auf ein Signal für den Neustart aus Berlin. Es müsse endlich einen Fahrplan für die Wiedereröffnung der Restaurants geben. „Das wäre für uns total hilfreich.“ Wie viele ihrer Kollegen bietet sie seit letzter Woche einen Außer-Haus-Service an. Finanziell bringt das wenig, das betonen alle Wirte einhellig. Köhler: „Es ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Aber wir sind wenigstens präsent. Und die Gäste freuen sich.“ Bis Pfingsten könne sie – nicht zuletzt dank der Soforthilfe – so noch weitermachen. „Danach brauche ich Plan B“, sagt die rührige Wirtin und lässt keinen Zweifel, dass ihr etwas einfallen würde.
Ideen haben die Gastronomen bereits viele entwickelt – auch dafür, wie es trotz der Corona-Auflagen weitergehen könnte. „Wir haben Tische weggeräumt und für Abstand gesorgt, das Personal trägt Mundschutz, Desinfektionsmittel für Gäste steht bereit“, sagt Extrablatt-Geschäftsführerin Susanne Sedlaczek. Alle Vorgaben seien umsetzbar.
Nur ob die Gäste das dann so akzeptieren, daran zweifelt Jürgen Crämer vom Haus Crämer in Stockum. Kellner mit Mundschutz seien schon eine spezieller Anblick. „Essen hat doch auch was mit Genuss zu tun, soll etwas Schönes sein.“ Andererseits wären die Menschen sicher froh, wenn sie endlich mal wieder raus kämen.
Genug Abstand auf der Wiese an der Ruhr
Davon ist Carmen Alvarez vom „Picasso“ an der Lakebrücke ebenfalls überzeugt. Auch das mehrfach ausgezeichnete Restaurant bietet inzwischen Essen außer Haus an. Aber das Geschäft laufe nur sehr langsam an. Spezialitäten zum Mitnehmen, das sei halt schwierig. Aber Alvarez, die von „schrecklichen Zeiten“ spricht, hat eine andere Idee. „Wenn wir wenigstens die Wiese öffnen dürften, für zehn bis 15 Gäste, würde uns das sehr helfen.“ Das Gelände an der Ruhr sei riesig. Den geforderten Abstand einzuhalten, sei da überhaupt kein Problem. Auch Doris Veit vom Haus Fründt kann sich das auf ihrer Terrasse gut vorstellen. „Wir können die Anzahl der Tische reduzieren.“
Ganz anders wäre das etwa im Klimbim im Wiesenviertel. „Nein, das ist nicht drin“, gibt Inhaber Francesco Sapia zu. „Abstand in einer Kneipe, wie soll das gehen?“ Trotz Pizza-Service am Abend seien die Zeiten zwar schwer für ihn. Dennoch sagt er: „Man muss der Realität ins Auge sehen. Wir wissen nicht, was sonst passiert.“
Bald kleiner Imbiss auf Schloss Steinhausen
Nach anfänglichem Zögern bieten inzwischen viele Wittener Restaurants Essen zum Abholen oder einen Lieferservice an, darunter auch die befragten Wirte vom Extrablatt, Knut’s, Klimbim, Haus Fründt, Café Möpschen, Haus Crämer und Picasso.
Auf Schloss Steinhausen soll ab nächster Woche zumindest einen Imbiss zum Mitnehmen geben – etwa Currywurst und Waffeln. Für einen Abholservice sei das Restaurant zu weit draußen, aber Spaziergänger im Muttental könnten so versorgt werden, sagt Martina Kobbeloer.
Weitere Angebote gibt es auf witten-liefert.de
So schlecht die Lage auch ist: Praktisch alle befragten Wirte äußern wie er Verständnis für die Vorgaben. „Das ist total nachzuvollziehen“, sagt etwa Klimbim-Nachbar Waldemar Riedel vom Knut’s. Es gebe nun einmal wichtigere Dinge als einen Restaurantbesuch. „Und wir haben alle was davon, wenn es schnell vorbei ist“, meint Farhad Tabrizi vom Mondo. „Es ist eine Katastrophe. Aber auch wenn es weh tut – das muss jetzt so sein.“
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