Witten. Schwester Teresa ist die neue Priorin der Wittener Karmelitinnen. Im Interview spricht sie über Gebete und Zweifel, über Musik und das Internet.
Seit 15 Jahren lebt sie in Witten und kennt die Stadt doch kaum. Auch vom Ruhrgebiet und Deutschland hat Dalia Tamošaitytė noch nicht viel gesehen. Denn die 64-Jährige gehört zur Gemeinschaft der Karmelitinnen, die in strenger Abgeschiedenheit leben. Das Kloster Auf der Klippe ist ihre Heimat. Schwester Teresa, wie sie als Ordensfrau heißt, wurde dort im Februar zur Priorin gewählt. Im Interview spricht sie über Gott und die Welt, über Musik und das Internet.
Sie wurden in geheimer Wahl zur Vorsteherin des Klosters gewählt. Wie überraschend kam diese Entscheidung für sie?
Schwester Teresa: Ich hatte nicht damit gerechnet. Ich lebe ja schon lange als Schwester im Kloster. Meine Vorgängerin, Schwester Anna-Maria, wurde mehrmals wiedergewählt. Ich nehme dies nun als Zeichen für eine große Wende in meinem Leben, die Gottes Wille ist. Ich übernehme nun die Verantwortung und sorge für die Gemeinschaft.
Wittener Karmelitinnen leben wie eine Familie zusammen
Wie viele Schwestern leben denn im Kloster?
Wir sind nur zwölf, eine Novizin ist auch dabei. Im Karmel-Orden gibt es in der Regel nur kleinere Gemeinschaften, die wie eine Familie zusammenleben. Die jüngste Schwester wird bald 50 Jahre alt, die älteste wird 90. Wir sind eine internationale Gemeinschaft. Unsere Schwestern kommen aus Kasachstan, Polen, Deutschland und Korea. Ich selbst stamme aus Litauen.
Wie sind Sie aufgewachsen?
Ich wurde in Vilnius geboren. Meine Eltern - mein Vater ist inzwischen gestorben - sind professionelle Musiker. Sie haben als Pädagogen gearbeitet und Studenten ausgebildet. Meine Schwester und ich sind beide Pianistinnen. Ich habe an der Kunstschule studiert und ein Konservatorium besucht. Später war ich auch als Pädagogin tätig, habe außerdem Konzerte gegeben.
"Ich habe lange nichts von meiner Berufung geahnt"
Wann tauchte denn da der Wunsch nach einem Leben als Ordensschwester auf?
Meine Eltern waren zwar gläubig, aber ich habe lange nichts von meiner Berufung geahnt. In Litauen kannte man ja damals gar keine Ordensschwestern, die haben dort nur im Untergrund gewirkt. Das Klosterleben kannte ich nur aus der Weltliteratur. Es war interessant, aber weit weg. Bis ich eine Freundin meiner Mutter kennenlernte, die Ordensschwester war. Ich war 26 Jahre alt und wollte wie alle jungen Leute heiraten, als ich das erste Mal an Exerzitien teilgenommen habe. Wie die Frauen sich versammelten und beteten - das war beeindruckend. Ich wollte auch so sein, war richtig neidisch auf die Schwestern. Das ist ja eigentlich ein negatives Gefühl, aber bei mir hatte es eine positive Bedeutung. Ich war selbst erstaunt - und bin in den Orden eingetreten. 1987 habe ich meine drei Ewigen Gelübde abgelegt.
Wie hat sich Ihr Leben als Ordensschwester verändert?
Als Litauen nach der sowjetischen Besetzung 1990 die Unabhängigkeit zurückerlangte, bin ich nach Rom gereist und habe studiert. Ich habe ein sehr aktives Leben geführt, war auch sehr sportlich, bevor ich in den Augustiner-Orden übergetreten bin, um ein kontemplativeres Leben zu führen.
"Beten ist wie ein Gespräch mit einem Freund"
Wie kam es zu diesem Wechsel?
Auch das war Berufung. Man erfährt sie durch ein Zeichen Gottes. Das kann ein Impuls in einem Gespräch sein, in einem Buch, einem Film oder bei einer Wallfahrt. Man muss dann darüber nachdenken, was dieses Zeichen bedeutet. Ich meine, ich hätte im Gebet verstanden, dass ich dem Volk in Litauen besser im stillen Gebet helfen kann. Weil die Karmelitinnen dies sehr intensiv tun, bin ich nun hier.
Was bedeutet das Beten für Sie?
Es ist wie ein Gespräch mit einem Freund, macht Freude, bereichert und gibt Kraft.
Aber Sie müssen sich auch um alltägliche Dinge kümmern.
Natürlich müssen wir auch einkaufen gehen und kochen. Außerdem haben wir im Kloster eine Hostienbäckerei, eine Kerzenwerkstatt und eine Imkerei. Und wir haben einen großen Garten. Die Natur ist mir ganz wichtig. Das Kloster liegt so schön. Hier können Sie Rehe und Vögel beobachten.
Karmelitinnen erhalten übers Internet Gebetsanliegen
Und das Kloster hat eine eigene Homepage. Wer kümmert sich um die?
Die haben wir seit 2011. Ich mache viele Fotos für die Seite und habe Texte dafür mit professioneller Hilfe in vier Sprachen übersetzt. Wir haben das Format auch verändert, seitdem die Leute mehr Smartphones nutzen. Übers Netz erhalten wir Gebetsanliegen, viele Menschen schreiben uns, darüber sind Freundschaften entstanden. Damit jetzt kein falscher Eindruck ensteht: Der Kontakt nach außen besteht, ist aber beschränkt. Die Zeit für Gebete ist wichtiger.
Hatten Sie schon Momente des Zweifelns?
Jeder kann mal dunkle Momente haben. Das ist doch menschlich. Als ich das erste Mal im Kloster gelebt habe, habe ich mich schon gefragt, welches andere Leben es da draußen für mich geben könnte, z.B. als Pianistin.
Dürfen Sie im Kloster musizieren?
Ich spiele hier Orgel, am liebsten Stücke von Bach und Mozart. Die Schwestern sind mein bestes Publikum.
Info:
Die Coronakrise macht auch nicht vor dem Kloster halt. "Wir sind jetzt eigentlich noch mehr in Klausur", sagt Schwester Teresa. Auch während der Ostertage findet keine Heilige Messe statt. Die Klosterkirche ist jedoch täglich von 10 bis 18 Uhr
zum persönlichen Gebet geöffnet, Auf der Klippe 20.
Die Karmelitinnen selbst kommen siebenmal am Tag zusammen, um gemeinsam das Stundengebet zu verrichten. Der Tag beginnt um 5.45 Uhr mit dem Morgenlob und endet um 20 Uhr mit dem nächtlichen Chorgebet.