Witten. Vor 75 Jahren überraschten britische Bomber die Wittener im Schlaf. Nach dem Angriff war 80 Prozent der Innenstadt zerstört. Eine Höllennacht.

Witten. Die britschen Bomber überraschten um 4.10 Uhr die Wittener im Schlaf. Nur 20 Minuten dauerte der Großangriff mit Spreng- und Brandbomben am 19. März 1945. Danach war 80 Prozent der Wittener Innenstadt zerstört. Nur wenige Wochen vor Ende des Zweiten Weltkrieges. Eine Höllennacht, die Menschen, die diese erlebten und erlitten, nie mehr vergessen konnten.

Denn das Ziel der Feuernacht war die Zerstörung von Wohnvierteln und die Demoralisierung der Zivilbevölkerung. 116 Menschen verloren ihr Leben, 557 wurden verletzt. Rund 18.000 Wittener waren nach dem Luftangriff obdachlos, ihre Häuser und Wohnungen zerstört oder nicht mehr bewohnbar. Rund 325 britische Bomber der Typen Lancaster und Halifax hatten rund 700 Sprengbomben, etwa 800 Phosphorbomben und zwischen 25.000 und 30.000 Stabbrandbomben über der Stadt abgeworfen, so der Wittener Historiker Prof. Heinrich Schoppmeyer.

Bomberpiloten haben Rauchsäule noch in 150 Kilometern Entfernung gesehen

Gerhard Leyen, heute 89 Jahre alt, erlebte die Höllennacht in Annen. Der damals 14-Jährige wohnte mit seiner Schwester Margrit und seinen Eltern in der Siegfriedstraße. „In unserem Haus gab es keinen Luftschutzkeller. Wir liefen zum Luftschutzbunker in unserer Straße, der bei einem Gemüsegeschäft lag. Es waren zwei Räume, in denen rund 50 Menschen Schutz suchten, überwiegend ältere Leute, Frauen und Kinder." Menschen, die um ihr Leben fürchteten. Die Familie von Gerhard Leyen hatte Glück im Unglück. Niemand wurde verletzt. In Annen sei in dieser Nacht auch so gut wie nichts zerstört worden, erinnert sich der Annener.

Anders sah es in der Innenstadt aus, so Martina Kliner-Fruck, Leiterin des Wittener Stadtarchivs. „Zu den stark beschädigten oder zerstörten öffentlichen Gebäuden zählten nach diesem Angriff unter anderem das Haus Witten, die Gedächtnis- und die Johanniskirche, das Diakonissenkrankenhaus (heute EvK), das Märkische Museum, das Amtsgericht und vieles mehr." Die Marienkirche verlor durch das Feuer ihre Turmspitze und das Dach. Kliner-Fruck: „Das Marien-Hospital brannte fast ganz aus." Die ganze Innenstadt habe in Flammen gestanden. Bomberpiloten wollen die Rauchsäule über Witten noch in 150 Kilometern Entfernung gesehen haben.

„Das ganze Viertel war weg, der Luftdruck hat alles weggeblasen"

Walter Gustav Schulz hatte sich vor den Fliegern mit seiner Familie in den Bunker unter dem Lutherpark gerettet. Die Familie lebte im Kriegsjahr 1945 in einem einzigen Zimmer in der Bergstraße, im heutigen Oberdorf. Über den Häusern gingen Luftminen nieder. „Das ganze Viertel war weg, der Luftdruck hat alles weggeblasen", erinnerte sich Walter Gustav Schulz für das 2014 erschienene Buch „Feuersturm an der Ruhr" an die Schreckensnacht in Witten.

Gerhard Leyen hatte den ersten Großangriff auf Witten am 12. Dezember 1944 auch in der Innenstadt, in der Johannisstraße, erlebt. Bei diesem Angriff hatten rund 140 britische Bomber vor allem die südliche Innenstadt zerstört. 334 Menschen starben. Leyen: „Auch unser Haus wurde zerstört. Den Angriff erlebten wir damals zusammen mit unserer Großmutter im Keller. Als wir hinterher vor unserem brennenden Haus standen, auch die Häuser rechts und links von uns standen in Flammen, sagte meine Mutter zu mir: Macht nichts, wir leben!" Ein Satz, den der 89-Jährige bis heute nicht vergessen hat. Dann fügt Gerhard Leyen noch hinzu: „Wir haben den verbrecherischen Krieg zum Glück verloren."

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Die schwersten Luftangriffe auf Witten im Zweiten Weltkrieg fanden am 15. April 1942, am 12. Dezember 1944 und am 19. März 1945 statt. Zum damaligen Stadtgebiet zählte noch nicht der heutige Ortsteil Herbede.

Insgesamt wurde die Stadt in den Kriegsjahren 91 Mal durch Flugzeuge angegriffen. „Infolge der Luftangriffe sollen mehr als 590 Menschen zu Tode gekommen sein. Bei letzten Kampfhandlungen auf Wittener Stadtgebiet starben mehr als 130 Menschen", so Dr. Martina Kliner-Fruck, Leiterin des Wittener Stadtarchivs.