Witten. Von wegen Schicht im Schacht: Christel Albers und Michael Röder bleiben Gästeführer auf Zeche Nachtigall in Witten. Obwohl sie fast 70 sind.

Eigentlich sollte für Christel Albers und Michael Röder zum Jahreswechsel Schicht im Schacht sein. Denn die Wittener, die als Gästeführer auf Zeche Nachtigall unterwegs sind, steuern steil auf die 70 zu. „Und dann dürfen wir nicht mehr für den Landschaftsverband Westfalen-Lippe im Industriemuseum arbeiten“, sagen sie. Die gute Nachricht: Sie machen trotzdem weiter und sind nun im Auftrag des Stadtmarketings unterwegs.

Gästeführerin Christel Albers in Aktion: die Wittenerin mit Besuchern am Nachtigallstollen.
Gästeführerin Christel Albers in Aktion: die Wittenerin mit Besuchern am Nachtigallstollen. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald (theo)

Es wäre auch schade gewesen um die beiden Experten, die sich so voller Leidenschaft dem Bergbau widmen. Schließlich haben sie vor Jahren extra den Stollenführerschein gemacht, um ihr Wissen dann an Groß und Klein weitergeben zu können. Michael Röder hatte ein alter Lehrer aus Bommern zu dem Job geraten. „Und so kam ich nach 45 Jahren wieder richtig ans Lernen“, sagt er, der von Haus aus Eisenbahner ist. Allerdings: Sein Vater war Bergmann. Der kleine Michael musste also schon früh Kohle scheppen. Da will auch Christel Albers mithalten. Immerhin: Der Vater ihres Schwiegersohns hat unter Tage malocht.

Die Wittener haben sich richtig reingehängt in die Bergbaugeschichte

Womit wir der 69-jährigen pensionierten Lehrerin gleich das richtige Stichwort liefern: „Malochen – das Wort haben die polnischen Juden mitgebracht. Es bedeutet ,schwer arbeiten’“, erklärt Christel Albers. Und kommt so richtig in Fahrt. Die Redewendungen „sich einen auf die Lampe gießen“ oder „die Lampe anhaben“ stamme ebenfalls aus der Bergbau. Die Groschen fürs Lampenöl hätten die Bergleute lieber für ein Bierchen ausgegeben. „Freitags“, weiß Albers, „standen die Frauen vor dem Werkstor, um den Lohn vor der Kneipe zu retten“.

Gästeführer Michael Röder unter Tage: Der 69-jährige Wittener ist großer Bergbau-Fan.  
Gästeführer Michael Röder unter Tage: Der 69-jährige Wittener ist großer Bergbau-Fan.   © Privat

Richtig reingehängt haben sich beide in die Bergbaugeschichte. „Wir wollen doch unser Wissen weitergeben an Generationen, die das nicht mehr kennen“, sagt Christel Albers mit Blick auf die Schließung von Prosper-Haniel in Bottrop vor einem Jahr, dem letzten aktiven Steinkohle-Bergwerk im Revier. Sie sei dort noch eingefahren, obwohl man das mit über 60 offiziell nicht mehr darf.

Wittener Wohnung quillt über vor Bergbau-Devotionalien

Sind die Gästeführer zusammen in einem Raum, dann machen Dönekes die Runde. Sich bei Michael Röder zuhause zum Gespräch zu treffen, das ist Glücksgriff und Fehler zugleich. Denn die Wohnung quillt vor Bergbau-Devotionalien nur so über. Grubenlampen, wohin man schaut – vier Stück stehen sogar auf dem Adventskranz. Auf dem Sofa liegt ein Kissen, genäht von der Tochter. Das Motiv vorne drauf: Schlegel und Eisen. Röder selbst trägt die weiße Bergmannskluft, schleppt Lederhelm und Kittel ran. Letzterer hat 27 Knöpfe. „So alt ist die Heilige Barbara geworden, die Schutzpatronin der Bergleute“, sagt Albers.

Ein Eckchen in Michael Röders Wohnung: Nicht nur auf diesem Schrank erinnert vieles an den Bergbau. 
Ein Eckchen in Michael Röders Wohnung: Nicht nur auf diesem Schrank erinnert vieles an den Bergbau.  © Röder

Sie macht seit zehn Jahren Führungen auf Zeche Nachtigall, Röder ist sieben Jahre dabei. Bei fünf bis sechs Touren pro Woche ist da schon einiges zusammengekommen. „Jede Führung ist anders und man lernt so viele tolle Leute kennen“, sagt Albers. Jedes Jahr werde sie von ehemaligen Bergleuten zur Barbara-Feier eingeladen. Sogar der WDR habe für seine Sendung „Wunderschön“ mit ihr gedreht. Und im Buch zum 40-jährigen Bestehen des LWL sind ihr drei Seiten gewidmet.

Rundgang über die Zeche

Ein geführter Rundgang durch das Besucherbergwerk der Zeche Nachtigall gehört zu den Höhepunkten des Museumsbesuchs. Ausgerüstet mit einem Helm stoßen die Teilnehmer zu einem Kohleflöz vor, lernen die Arbeit mit Abbauhammer kennen und erleben die typische Atmosphäre eines Kohlebergwerks an der Ruhr.

Offene Führungen finden bis März zu folgenden Zeiten statt: Dienstag bis Sonntag, jeweils um 10.30, 12.30, 14.30 und 16.30 Uhr. Kinder zahlen 1,50 Euro, Erwachsene 3 Euro plus Eintritt. Allerdings ist das LWL-Industriemuseum bis einschließlich Neujahr geschlossen. Ab Donnerstag ist es dann wieder zu den gewohnten Zeiten geöffnet: Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr.

Früher, da haben beide immer Angst gehabt, dass sie Fragen der Besucher nicht beantworten können. Das ist längst vorbei. Nun denn: Wie also begrüßen Bergleute das neue Jahr? Die Gästeführer stutzen kurz. Dann grinst Michael Röder: „Ist doch klar“, sagt er. „Glück Auf!“