Wittener genießen heiße Extraschicht auf Zeche Nachtigall
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Witten. . Trotz eher geringer Besucherzahl waren Freunde des Kohlebergbaus begeistert – vor allem von einem nur durch Kohle angetriebenen Mini-Traktor.
Grüne, blaue, gelbe Lichter, die die Steinwände und die alten Feldbahnen anstrahlten, Livemusik. Mit seinem grün-schwarzen Mini-Traktor fuhr Dietmar Berndt Runde um Runde, sechs bis acht Leute passten auf den Hänger. Die zwei PS starke Maschine wurde allein durch Kohle angetrieben. Fünf, sechs Kilo Kohle reichten für zwei Stunden Fahrspaß. Dietmar Berndt: „Das schwierigste ist das Putzen. Da bin ich danach immer drei Stunden mit beschäftigt.“
Zeche Nachtigall war einer von 50 Spielorten im Ruhrgebiet bei der 19. Auflage der „Extraschicht“. Das Motto in Witten: „Schall und Rauch“. Die positiven Erinnerungen an die Kohleindustrie wieder aufflammen lassen im Hier und Jetzt, so lautete das Ziel des Abends. Einzig: Die Besucher fehlten. Auch eine gute Stunde vor Mitternacht war der Schotterplatz vor der Bühne beinahe leer, auf dem Gelände befanden sich vielleicht 150 Besucher.
Wolfgang Dudek, selbst 40 Jahre lang Bergmann, konnte sich dennoch über zu wenig Arbeit nicht beklagen. Wie eh und je verkaufte er seine alten Grubenlampen an Zechenfans und Nostalgiker. Nur: Es würden langsam immer weniger Lampen, erzählte Dudek. Nur noch 60 Stück habe er aktuell im Verkauf, Nachschub zu finden sei nicht leicht. „Diese Nostalgie, die Bewunderung von offenem Feuer, die ist den Menschen angeboren worden. Du kannst stundenlang vor dem Kamin stehen und ins Feuer gucken.“
Ein paar Meter weiter kam modernste Technik im WDR-Truck zum Einsatz. Mittels Virtual-Reality-Brille konnten Besucher selbst Bergmann spielen – inklusive heißer Luft, Gestank und glutrotem Scheinwerferlicht. Mit einem programmierten Film fühlte man sich wie einstige Kumpel unter Tage, konnte schaufeln und hämmern. Alles im Film, vor dem geistigen Auge. Benjamin Hilbrecht (31) hat es ausprobiert. „Real muss die Arbeit noch viel härter gewesen sein“, vermutete der Bochumer. „Das schwierigste war die Hektik. Am Anfang verschüttet man die Kohle, aber ich denke, das geht jedem so. Unsere Generation kann sich das gar nicht mehr vorstellen.“
Mit dem alten „Reviersprinter“ auf Schienen unterwegs
Aber auch in echt tauchten auf der „Extraschicht“ so einige in die Welt des Kohlebergbaus ein. „Wie ein riesiges Labyrinth“, staunte etwa Philipp Wennekers (10), der mit Papa Dirk, Oma Doris Kühl und mit Astrid Brosa in den sehr kühlen Stollen gestiegen ist. Mit dem alten „Reviersprinter“ auf Schienen wollten sich die vier weiter auf den Weg Richtung Henrichshütte in Hattingen machen, so wie viele an diesem Abend.
Bühnen-Show mit Musik
Auf der großen Bühne performte die Recklinghäuser Band „Mother’s Darling“ Rock-Klassiker, die Zuhörer ließen sich Gerstensaft und Pommes schmecken.
Bauchredner Michael Walta aus Essen brachte das Publikum mit dem Kohlestück „Herr Schwatz“ zum Lachen und ließ auch den ein oder anderen Witz am Rande der Gürtellinie nicht außen vor.
Von Spielort zu Spielort rasen liegt nicht im Trend
Dani und Jan aus Witten hingegen wollten auf Zeche Nachtigall verweilen, sich intensiv mit der neuen und alten Industriekultur beschäftigen. Von Spielort zu Spielort rasen – das liegt bei den meisten Besuchern eher nicht im Trend. „Im vergangenen Jahr sind wir noch durch Bochum gezogen. Aber: Jede Location ist für sich eigentlich schon toll.“
Witten feiert die Extraschicht - hier die schönsten Bilder
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Wichtigste Erkenntnis des Abends: Die Zeit des Kohlebergbaus tickt weiter – zumindest bei den Jungs von „Pottwatch“. Lucas Heinen (25), Damian te Heesen (26) und Jason Sell (25) haben eine Uhr entworfen, in deren Gehäuse einige Gramm Kohlestaub aus der Zeche Prosper-Haniel in Bottrop eingearbeitet sind. „Grubenlicht 5.1“ heißt das Modell, eine Anspielung auf die 5,1 Millionen Einwohner des Ruhrgebiets. Ab dem 18. Juli wird die Uhr vorbestellbar sein. Heinen: „Wir wollen die Werte des Ruhrgebiets – also Solidarität, Vertrauen, sich aufeinander verlassen können – weitertragen.“
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