Witten. Den „kleinen Mann“ und Social Media in den Fokus? Manch einer in den Wittener Ortsvereinen kann sich gar einen Juso an der Spitze vorstellen.

„Ob ich jetzt den Posten übernehmen würde?“, prescht Susanne Fuchs augenzwinkernd nach vorne, als sie das Stichwort SPD-Vorsitz nur genannt bekommt. „Um Gottes Willen!“ Gut, eine SPD-Bundesführung aus Annen scheint nach dem Rücktritt von Andrea Nahles auch nicht das realistischste Zukunftsszenario – wobei aktuell wenig unmöglich scheint, bei den immer tiefer fallenden Sozialdemokraten. Man macht sich auch in Witten Gedanken über die Zukunft. „Kevin Kühnert als Parteivorsitzenden, Martin Schulz als Fraktionsvorsitzenden“, schlägt etwa Christoph Malz vor.

„Das wäre keine Konstellation, mit der man 40 Prozent holt, aber mit der man ein deutliches sozialdemokratisches Profil zeigen würde“, sagt Bommerns Ortsvereinschef. „Man muss sich jetzt klar vom Koalitionspartner abheben“, so Malz. Über einen Koalitionsbruch sprechen in Witten allerdings wenig Genossen. Sie wünschen sich jedoch mehr Schneid, in jeder Hinsicht.

Neue digitale Strategie

„Andrea Nahles hat durch ihren konsequenten Rückzug der Partei Zeit gegeben, sich neu aufzustellen“, sagt etwa Ratsherrin Patricia Podolski. „ Ich würde mir wünschen, dass dies inhaltlich und personell mit etwas mehr Mut angegangen wird und man sich Ideen wie einer Urwahl, einer Doppelspitze und neuen Gesichtern – statt der Erfüllung irgendwelcher Proporze – nicht verschließt.“

Auch interessant

Für Susanne Fuchs aus Annen gehört zu einer mutigeren Herangehensweise auch eine neue Strategie in den sozialen Medien. „Vor Instagram und Twitter stehe selbst ich wie Dr. Ratlos“, gibt die 50-Jährige zu. Der Nachwuchs fehle eben in vielen Ortsvereinen, der Altersdurchschnitt sei sehr hoch. „Facebook funktioniert gerade noch, aber alles darüber hinaus ist wie Chinesisch für viele von uns.“

Hinterlässt Nahles eine Lücke?

Diese offensichtlichen Schwächen im Digitalen haben den 28-jährigen Wittener Gerrit Thüne-Valtin vor etwa anderthalb Jahren nicht abgeschreckt, der Partei beizutreten. Eine Entscheidung, die er nicht bereut – überraschenderweise erst recht nicht nach Nahles’ Rückzug. „Rückschläge sind meistens der Anfang für eine positive neue Entwicklung“, sagt er. Für ihn heißt diese Entwicklung: „Die Generation Agenda 2010 sollte so langsam abtreten.“

Tim Richter von der SPD-Kreistagsfraktion schlägt einen ähnlichen Tenor an. „Nach der Agenda hat uns der Stammwähler nicht mehr ernst genommen“, ist sich der Wittener sicher. Man brauche jetzt eine programmatische Grundsatzdiskussion – ohne dabei in Bereichen wie dem Klima zu sehr von den Grünen zu kopieren. „Man muss bedenken: Die Politik der Grünen ist nicht die Politik des kleinen Mannes, für den kleinen Mann sind ihre Ideen nicht finanzierbar.“

Auch interessant

Hartz IV und der kleine Mann, konservativer und linker SPD-Flügel: Für SPD-Mitglied Maximilian Locher vom Unterbezirksvorstand war Nahles ein Positiv-Beispiel, wenn es darum ging, beide Strömungen zu vereinen. „Man wird jetzt noch merken, welche Lücke sie da hinterlässt“, so der langjährige Juso. „Bei der Hartz-IV-Frage hat Andrea Nahles geschafft, die eigene Polarität in der Partei aufzulösen.“ Und ihr Nachfolger: „Vielleicht gibt es ja mehr gute SPD-Bürgermeister als man so meint.“ Ortspolitiker in die vorderste Reihe?