Wattenscheid. .

Obwohl es in Deutschland immer weniger Kinder gibt, nehmen die Beschwerden zu. Gnadenlos schreitet der demografische Wandel voran, doch genauso gnadenlos handeln viele Anwohner bei Kinderlärm. Mit der Kampagne „Mensch ärgere dich nicht“ will der Kita-Zweckverband im Bistum Essen diesem Trend entgegen treten.

Aus der Hellwegstadt beteiligt sich die Kindertagesstätte St. Maria Magdalena an der Aktion. Mit Kampagnenstart seien auch dort einige Vorfälle zwischen Familien und Nachbarn gemeldet worden, wie die Leiterin Stephanie Rösen berichten kann: „Es nimmt auch in Höntrop zu, dass sich die Leute beschweren. Einige Kinder erzählen uns, dass auf der Wiese vor einem Mehrfamilienhaus zwar die Hunde ihr Geschäft verrichten dürfen, Kinderspielen sei jedoch untersagt. Und auch auf dem Spielplatz werden die Kleinen schon gemaßregelt“.

Wahrnehmungen schärfen

Für die 37-Jährige ist das ein Skandal. Erst durch das Spielen und Toben könnten die Kinder die Welt erforschen und ihre Wahrnehmungen schärfen sowie Kreativität, Motorik und Sozialkompetenz entwickeln. Sie seien neugierig, forschen, experimentieren und entdecken die Welt. „Dabei nutzen sie natürlich alle Spielräume und machen auch vor nachbarschaftlichen Garagenhöfen keinen Halt. Aber wer Kinderlärm als lästig empfindet, den stört es, dass ein Kind eben Kind ist“, betonen die Initiatoren.

Mit ihrer Kampagne wollen sie jetzt für mehr Verständnis werben. Alle 280 Kitas des Zweckverbandes sind mit an Bord und verteilen Flyer, Anstecker und Postkarten. An der Vincenzstraße 13 steht außerdem die Kommunikation im Vordergrund. „Wir besprechen das mit den Kindern in der Gruppe und sagen ihnen, dass sie spielen dürfen und das auch mal etwas lauter. Daneben reden wir natürlich genauso mit den Eltern und thematisieren die Problematik. Ein bisschen kann man sagen, wir sehen uns als Anwalt der Kinder“, erläutert Rösen das Konzept. Der wichtigste Baustein: Über die Gemeindestruktur sollen Außenstehende involviert werden. So ist die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) genauso an der Aktion beteiligt wie der Familienbund und die Familienbildungsstätte. „Eine generationenübergreifende Sensibilisierung für das Anliegen der Jüngsten muss unser Ziel sein“, formuliert Rösen den Zweck des Engagements.

Neuer Gesetzesentwurf

Das Thema hat auch die Landesregierung auf den Plan gerufen: Im Januar brachte Rot-Grün einen Gesetzesentwurf zur Änderung des Immissionsschutzes auf den Weg. Geräusche spielender Kinder gelten damit in Zukunft grundsätzlich als sozial adäquat hinzunehmen. Die zuständigen Ausschüsse sind in der Beratung, Beschlüsse sollen noch im ersten Halbjahr 2011 getroffen werden. „Wenn wir ein familienfreundliches Land sein wollen, müssen wir in diesem Punkt tolerant sein. Des Weiteren ist Kinderlärm als Hinderungsgrund für die Bewilligung von Kitas absolut inakzeptabel“, teilt der Landtagsabgeordnete Serdar Yüksel mit und begrüßt die Initiativen für eine kinderfreundliche Gesellschaft.