Mülheim/Essen. . Anwohner von Kitas oder Spielplätzen klagen häufig über Kindergeschrei. Das Bistum Essen startet nun eine Kampagne, um sie davon zu überzeugen, dass Kinderspiele zur normalen Entwicklung dazu gehören.
Runde um Runde haben die Kinder um den Mülltonnen-Kasten gedreht, haben Fangen gespielt, mit Begeisterung und vermutlich nicht ganz leise. Bis eines Tages Stacheldraht dem Spiel ein Ende bereitete. Ein Nachbar hatte den gefährlichen Draht gespannt – der Lärm störte seine Mittagsruhe.
Anwohner klagte gegen Quietschen der Kinder
Schauplatz des Zwists war ein Kindergarten, und wenn man dem Geschäftsführer des Kita Zweckverbandes im Bistum Essen, Peter Wenzel, glauben darf, mehren sich solche Vorfälle. „In Oberhausen zog ein Anwohner wegen einer Wippe vor Gericht“, sagt Wenzel. „Nicht weil die Wippe gequietscht hätte – ihn störte das Quietschen der Kinder.“
Darum hat der Zweckverband nun eine bistumsweite Kampagne mit dem Motto „Mensch ärgere Dich nicht – ich will doch bloß spielen“ gestartet. Der Spruch ziert Plakate, die ab sofort auch in Mülheim auftauchen werden. Außerdem gibt es Buttons, T-Shirts und Aufkleber, die ein „Recht auf Spielen“ fordern. Leider gebe es Menschen, die dieses Recht bestreiten, „die Kinderlärm nicht tolerieren, und eine neue Kita im Wohngebiet am liebsten auf dem Klageweg verhindern wollen“.
Kinderlärm gehört zur Entwicklung dazu
„Bewegung und Lärm sind für Kinder normaler Ausdruck ihres Wachsens, ihrer Eroberung der Welt“, sagt Generalvikar Hans-Werner Thönnes, der die Kampagne unterstützt. In der Praxis erobern sie Garagenhöfe oder Grünstreifen - mit Rädern, Rollern, Bällen.
Leider müssten sie erleben, dass man sie aus solchen Nischen verjage. Keine Einzelfälle: Der sechsjährige Joshua etwa berichtet, wie er mit Freunden durch den elterlichen Schrebergarten tobte. „Dann rief einer: Hört auf zu rennen, seid still!“ Ähnlich wurden die gleichaltrige Liyah und ihre Freundin einmal auf einem Spielplatz angeschnauzt: „Ey, seid leise!“
Hermann-Josef Wagner vom Familienbund der Katholiken begrüßt, dass NRW unlängst eine Gesetzesänderung auf den Weg gebracht habe, nach der Kinderlärm „grundsätzlich als sozial adäquat hinzunehmen ist“. Auf Bundesebene gebe es nun eine ähnliche Initiative. Das sei ein wichtiges Signal, findet Wagner.