Wattenscheid. Beim Textilunternehmen Steilmann in Wattenscheid stehen Massenentlassungen an. 76 Mitarbeiter erhielten am 30. Juni die betriebsbedingte Kündigung.
Damit wird sich die Zahl der Steilmann-Mitarbeiter in Wattenscheid auf 130 reduzieren.
Betroffen von den Entlassungen sind die Bereiche Buchhaltung, Musternäherei, Design und Produktentwicklung. Geschäftsführung und Betriebsrat haben einen Sozialplan und Interessenausgleich vereinbart und bereits unterschrieben.
Die Kündigungen stünden nicht in Verbindung mit dem Firmenumzug zur Radici-Zentrale in Bergkamen im Herbst 2010. Grund sei vielmehr die Neuausrichtung des Unternehmens am Markt. Der massive Personalabbau sei der dritte und letzte Schritt im Rahmen der Sanierung der Firma Steilmann nach Übernahme durch den Radici-Konzern vor drei Jahren, so Radici-Anwalt Rüdiger Knaup.
Steilmann habe weltweit einen sehr guten Klang, im Ausland sei die Marke bereits erfolgreich vertreten. Nun wolle man sie auch in Deutschland als Marke etablieren. Bisher wurden die Produkte – von den Steilmann-Shops abgesehen – im Einzelhandel größtenteils unter anderen Namen verkauft. „Das Unternehmen wird am Markt neu aufgestellt, um künftig noch effizienter zu werden und zukunftsfähig zu sein.” Die Produktpalette soll erhalten bleiben, aber als Marke konzentriert werden. Das Konzept habe die Geschäftsführung mit dem Betriebsrat erarbeitet.
In den letzten Jahren ist bei Steilmann bereits ein drastischer Stellenabbau erfolgt. Laut Rüdiger Knaup ist die Umstrukturierung – vom Umzug abgesehen – damit vorerst abgeschlossen. Die zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat getroffenen Vereinbarungen sehen unter anderem vor, dass mindestens bis Ende 2011 keine weiteren betriebsbedingten Entlassungen mehr erfolgen sollen. Pro Jahr sollen wie bisher zehn Ausbildungsplätze bereitgestellt werden; alle Azubis – derzeit 30 neben den verbliebenen 130 Mitarbeitern – sollen die Ausbildung abschließen.
„Die Verhandlungen waren schwierig”, erklärt Betriebsratsvorsitzende Annegret Pose. „Das ist ein bitterer Einschnitt. Wir haben beim Sozialplan und Interessenausgleich das herausholen können, was möglich war.” Jetzt seien noch zwei „Baustellen” offen: die Verhandlungen zum Tarifvertrag und der Umzug.
Darauf blickt nun auch Ulrike Kleinebrahm von der IG Metall. „Der Stellenabbau tut weh, und der Sozialplan ruft keine Jubelstürme hervor.”
„Der Umzug nach Bergkamen ist für die Geschäftsführung beschlossene Sache, entsprechende Bauaufträge sind erteilt”, betont Knaup. Für den Umzug sei ein Interessenausgleich nötig, der in den nächsten Wochen mit dem Betriebsrat verhandelt werden soll. Die angemieteten Gebäude an der Feldstraße gehören Klaus Steilmann. Knaup kündigt an, dass im Gegenzug ein anderes Unternehmen aus dem Konzern in Radici-Räumlichkeiten an der Burgstraße ziehen wird. „Die Bilanz der qualifizierten Radici-Arbeitsplätze in Bochum bleibt so erhalten.”
Jetzt rollt die Protestwelle: Es zeichnet sich ab, dass viele Entlassene gegen ihre Kündigung klagen. So sind z.B. bei Rechtsanwalt Dressler in zwei Tagen zehn Steilmann-Beschäftigte vorstellig geworden.