Wattenscheid. Ein jahrelanges Gezerre in der Wattenscheider Fußgängerzone geht zu Ende. Dass Absperreinrichtungen nötig sind, zeigt eine Zufallsbeobachtung
Die Lösung eines seit mehr als sechs Jahren schwelenden Problems in der Wattenscheider Fußgängerzone rück näher. Mindestens seit dem Jahr 2017 gibt es immer wieder Beschwerden über Autofahrer und Autofahrerinnen, die unbefugt Teile der Fußgängerzone etwa am Alten Markt oder der Oststraße als Abkürzungsstrecke nutzen oder schlicht dort parken, obwohl das nicht erlaubt ist.
Jetzt wird ein Beschluss der Bezirksvertretung umgesetzt und bestimmte Zufahrten unmöglich gemacht. Dabei ist die Verwaltung kreativ: Nicht nur klappbare Poller, sondern zusätzlich in Pflanzkübeln aufgestellte sogenannte mobile Bäume kommen sozusagen zum Einsatz.
Wattenscheids Bezirksbürgermeister Hans-Werner Herzog (SPD) appelliert: „Natürlich können wir die Fußgängerzone nicht komplett abriegeln. Die Feuerwehr und Lieferfahrzeuge müssen durchkommen. Eigentlich ist es ganz einfach. Die Verkehrsregeln müssen befolgt werden.“ Und die sind eigentlich eindeutig. Lieferverkehr ist dort nur zwischen 21 und 11 Uhr möglich.
Hinzu kommen in Container gepflanzte Bäume
Wie auch immer, das Tiefbauamt setzt ab Montag, 22. Mai, in der Wattenscheider Innenstadt an drei Stellen Poller, um „unberechtigte Durchfahrten und Parkverstöße zu verhindern“. Die Arbeiten erfordern kurzzeitige Sperrungen und beginnen an der Westenfelder Straße und der Voedestraße, danach folgt der Bereich An der Papenburg. An den jeweiligen Stellen wird dann einige Stunden gearbeitet.
- Mit Pollern und mobilen Bäumen, die in Containern gepflanzt werden, wird im Bereich der Gertrudiskirche, wo die Straße An der Papenburg auf den Alten Markt trifft, die Durchfahrt gesperrt.
- Ebenfalls abgesperrt wird die dort zur Fußgängerzone gehörende Westenfelder Straße, etwa in Höhe der Hausnummer 8 an der Friedenskirche.
- Der dritte Punkt ist die Voedestraße/Freiheitsstraße, dort wo sich etwa in Höhe der Hausnummer 17 der Oststraße der Platz am Saarlandbrunnen befindet. Diese Verbindung wurde in der Vergangenheit immer wieder genutzt, um eine Querung der Fußgängerstraße als Abkürzung zu nutzen.
Nach Angaben des städtischen Baustellen-Managers Christoph Funder hofft die Verwaltung, „auf diese Weise das Problem in den Griff zu bekommen“. Doch Hans-Werner Herzog kennt auch ‘seine’ Wattenscheider und Wattenscheiderinnen. Bei einem Ortstermin der Verwaltung dort vor einiger Zeit, habe eine ältere Dame, auf ihr verkehrswidriges Verhalten angesprochen, nur forsch reagiert: „Na, so sind wir Wattenscheider eben.“
Verkehrssünder sind um Ausreden nicht verlegen
Und dieses „so sind die Wattenscheider eben“ lässt sich konkret mit Zahlen belegen. In einer Antwort der Verwaltung auf eine Frage der Fraktionen SPD/Grüne in der Wattenscheider Bezirksvertretung heißt es, dass es im Jahr 2022 insgesamt in ganz Bochum 5054 Anzeigen von Privatpersonen wegen Verstößen gegen die Regeln des fließenden oder ruhenden in Wattenscheid gegeben habe. Danach wurden in diesem Zeitraum 3666 Verwarnungs- und Bußgeldverfahren eingeleitet. Eine Aufschlüsselung nach Stadtbezirken, sei laut Verwaltung, nicht möglich.
Doch, dass es allein mit Kontrollen und Bußgeldern nicht getan ist, zeigen diese Zahlen ebenso. Die Ausreden der falsch Fahrenden sind so phantasievoll wie nicht zutreffend. Manche hätten angeblich eine „Sondergenehmigung“ (zum Wahrheitsgehalt siehe unten) oder andere wollten „nur mal eben“ dieses oder jenes erledigen.
Übrigens, bei einer total unrepräsentativen Beobachtung durch die WAZ-Redaktion am Dienstagnachmittag (16. Mai) fuhren binnen zehn Minuten zwei Lieferwagen ungerührt auf die Oststraße, dies im Bereich des Saarlandbrunnes. Vor allem an dieser Stelle hatte es immer wieder Bedenken der Feuerwehr gegeben, hier Sperr-Einrichtungen zu installieren. Ein Grund ist, dass es vor dem ehemaligen Oeben & Thoben-Kaufhaus eine ausreichend große sogenannte Anstellfläche für die Feuerwehr gibt.
Ohnehin versteht das Ordnungsamt keinen Spaß mit der Ignoranz etlicher Verkehrsteilnehmer. Als vor einiger Zeit ein Absperrpoller an der Wattenscheider Parkstraße wenige Tage nach der Montage mit Gewalt verbogen wurde, schlugen bereits die Wogen hoch.
Herzog kündigt an. „Wir werden die Reaktionen auf die neuen Poller genau beobachten und schauen, ob möglicherweise weitere Maßnahmen nötig sind.“ Er räumte auch mit dem Märchen auf, dass es Sondergenehmigungen für den Lieferverkehr in der Wattenscheider Innenstadt gebe. Ausnahmegenehmigungen würden nur in dringenden und zeitlich begrenzten Einzelfällen etwa bei Umbaumaßnahmen erteilt.