Bochum-Wattenscheid. Die Emschergenossenschaft sieht beim Kanalbau am Watermanns Weg in Wattenscheid keine Probleme. Das sehen die Anwohner aber ganz anders.

Vollgelaufene Keller, große Risse in Fassaden, Wänden und Böden, Häuser „in Bewegung“: Die Anwohner am Watermanns Weg gehen auf die Barrikaden. „Seitdem die Emschergenossenschaft hier die Kanalarbeiten durchführt, haben wir massive Probleme“, sagen die Anwohner Ralf Lobert und Christian Kastner. Sie sind dabei nicht allein.

18 Anwohner machen mobil gegen die Folgen der Arbeiten, die seit rund zwei Jahren andauern - „und nicht nur unsere Lebensqualität beeinträchtigen, sondern auch unser Eigentum entwerten. Wir befürchten, auf den Kosten zur Beseitigung der Schäden sitzenzubleiben und erwarten Entgegenkommen und Gesprächsbereitschaft von der Emschergenossenschaft.“ Doch die sieht das ganz anders. Und hat den Anwohnern jetzt schriftlich mitgeteilt, dass laut BGH-Urteil Anwohner dafür sorgen müssen, ihr Haus gegen Wasserschäden zu sichern.

Große Risse in Wänden und Böden hat auch Hausbesitzer Ralf Lobert.
Große Risse in Wänden und Böden hat auch Hausbesitzer Ralf Lobert. © WAZ | Ralf DRews

Anwohner haben Häuser teuer saniert

Die Anwohner verweisen auf Schäden an ihren in Eigenregie sanierten Häusern aus den 1920er Jahren, was jeden Eigentümer viele Zehntausend Euro gekostet habe. „Die Emschergenossenschaft und deren Bauleitung vor Ort nehmen unsere Einwände und Sorgen nicht richtig wahr und ernst. Wir werden vor vollendete Tatsachen gestellt und abgespeist. Sieht so die Anwohnerbeteiligung aus?“, sagt Anwohner Willi Litzbarski. Meterhoch habe das Wasser in den Häusern gestanden. „Mittlerweile hat jedes Haus eine Pumpe im Keller, jedes Mal, wenn es regnet, müssen wir nach dem Rechten schauen und das Schlimmste befürchten. Wir leben hier unter Dauerstress und haben jedes Mal bei Regen Angst.“

Anwohner sehen Kanalbaustelle als Ursache für Schäden

Seitdem die Baustelle zur Renaturierung des Wattenscheider Bachs eingerichtet wurde, haben die Anwohner Probleme, die sie auf Defizite in der Bauausführung zurückführen. Die Emschergenossenschaft investiere Milliarden Euro in die Emscher-Renaturierung und deren Nebenflüsse, „doch die Folgen durch die massiven Bauarbeiten für uns direkten Anwohner interessiert wohl niemanden“, so Ralf Lobert.

Risse in Wänden und Böden

Beim Gang durch die Häuser und die Siedlung wird schnell klar, worum es geht: Deutliche Risse in Außen- und Innenwänden, in Böden sowie Wassereinbrüche haben ihre Spuren hinterlassen. „Diese Risse hat es vorher nicht gegeben. Wer kommt dafür auf?“, so Ralf Lobert und Stefan Lohmann. „Diese Siedlung steht auf einer Art Seenplatte, das ist doch allen bekannt. Und wenn die Emschergenossenschaft Grundwasser für die Arbeiten derart stark abpumpt, führt das dazu, dass der Gegendruck von unten nachlässt und die Häuser absacken und kippen. Die Folge sind große Schäden. Wir haben mehrfach darauf hingewiesen.“

Keller wiederholt vollgelaufen

Die Emschergenossenschaft hat an zwei Häusern Messpunkte und -geräte installieren lassen, um Bewegungen und Schwingungen zu überprüfen. Christian Kastner erklärt, dass deutliche Veränderungen aufgetreten seien. „Grund- bzw. Solewasser wird abgepumpt, so dass sich Risse bilden bzw. komplette Verschiebungen ganzer Gebäude auftreten, das ist optisch sichtbar und durch regelmäßige Kontrollmessungen protokolliert.“

 Emschergenossenschaft

Die Emschergenossenschaft ist ein öffentlich-rechtliches Wasserwirtschaftsunternehmen. Es wurde 1899 als erste Organisation dieser Art in Deutschland gegründet.

Seit 1992 plant und setzt die Emschergenossenschaft das Generationenprojekt Emscher-Umbau (Renaturierung) um, in das über 30 Jahre ca. 5,5 Milliarden Euro investiert werden. Am Watermanns Weg geht es um den Wattenscheider Bach.

Die provisorischen Rohrleitungen seien „zu klein dimensioniert (DN 600 und DN 400), das DN 900 wurde durch ein provisorisches DN 800 ersetzt, hierdurch vermindert sich die hydraulische Leistung in Summe dramatisch und der Abfluss des Wassers kann nicht mehr ohne einen Rückstau erfolgen, der zwangsläufig zu Überflutungen der Gebäude führt“, so Kastner und Litzbarski. Das kurzfristig ausgelegte Provisorium bestehe seit über 18 Monaten. „Der ganze Watermanns Weg ist erst vor kürzlich wieder überschwemmt worden, 18 Anwohner waren von der Überflutung im Keller betroffen.“

Die Baustelle für das Schachbauwerk „war ursprünglich für drei bis maximal sechs Monate geplant, geht jetzt aber schon ins dritte Jahr. Die Stadt Bochum hat immer nur eine zeitnahe Totalsperrung der Straße genehmigt, aber nicht für drei Jahre“.

Emschergenossenschaft weist Kritik zurück

Die Emschergenossenschaft betont dagegen, dass alle notwendigen Baumaßnahmen „korrekt, kontrolliert und überprüft“ erfolgt seien, so Sprecher Ilias Abawi. „Nicht die Baustelle oder der Emscher-Umbau sind die Ursache für die Überflutungen, sondern allein die Tatsache, dass es an bestimmten Tagen in zu kurzer Zeit zu viel geregnet hat. In diesen Fällen entsteht ein Rückstau in den Kanälen, gegen den sich alle Bürger ganz einfach schützen können – und dies auch müssen: mit dem Einbau von Rückstauklappen. Hierzu gibt es laut kommunaler Satzung der Stadt Bochum eine Verpflichtung für Hauseigentümer.“ Solche Klappen habe dort aber nicht jeder Anwohner.

Christian Kastner weist auf die Gebäudebewegungen und ihre Folgen hin.
Christian Kastner weist auf die Gebäudebewegungen und ihre Folgen hin. © WAZ | Ralf Drews

Emschergenossenschaft „offen für Dialog“

„Berichte, nach denen wir durch neue Rohre den Abfluss verschlechtert haben sollen, treffen ebenso wenig zu wie das Argument mit der Grundwasserabsenkung. An der sogenannten hydraulischen Leistung wurde durch unsere Baumaßnahme nichts verändert. Wenn wir Grundwasser absenken, dann wird das dokumentiert und von unabhängigen Gutachtern bewertet. Wenn wir verantwortlich sind, dann stehen wir auch dazu. Infolge von Grundwasserabsenkungen entstehen jedoch keine Risse an Häusern, die bis zu 70 Meter weit von der Baustelle entfernt stehen.“

Und man müsse auch genau betrachten, ob es sich nicht um Bergbauschäden handele, dafür sei man aber nicht verantwortlich, so die Emschergenossenschaft. Man sei „nach wie vor gesprächsbereit und offen für einen Dialog mit den Bürgern. Allerdings erwarten wir auch, dass unsere nachweisbaren Argumente angehört und irgendwann auch akzeptiert werden“.